Sommerlich begonnen, winterlich verronnen: Die herbstliche Temperatur-Rekordjagd ist gescheitert

Stefan Kämpfe

Dieser Herbst 2023 bot alles, was die goldene Jahreszeit auf Lager hat. Insgesamt fiel er zwar dank einer rekordwarmen ersten Hälfte erneut sehr mild aus, Näheres dazu hier, doch in der letzten Novembertagen kam der Absturz in den tiefen Winter. Enorme Schwankungen zwischen Flauten und Stürmen legten die erheblichen Mängel der Deutschen Energiewende schonungslos offen, und die Sonne, welche im September und Anfang Oktober noch für Sommertage sorgte, verabschiedete sich ab Mitte Oktober in den Winterurlaub.

Viel Sonne, die AMO-Warmphase, die Sonnenaktivität, viel Südwetter und Wärmeinseleffekte heizten dem Herbst ordentlich ein

Der Sonnenstand und die astronomisch mögliche Sonnenscheindauer fallen im Herbst vom Niveau des mittleren Aprils auf das des mittleren Januars zurück. Für sehr hohe Lufttemperaturen bedarf es daher neben einer maximalen Besonnung stets einer intensiven, von kräftigem Wind unterstützten Warmluftzufuhr aus dem Süden. Beides war im September/Oktober und auch noch bis Mitte November 2023 häufig der Fall. Zwar ist der Herbst Dank des „Spätsommers“ am Septemberanfang, des „Altweibersommers“ am Septemberende, des „Mittelherbstes“ im Oktober und der „Allerheiligen- und Martinssommers“ im November, die klassische Schönwetterjahreszeit – nicht umsonst werden die bekanntesten Volksfeste wie der Weimarer Zwiebelmarkt, das Münchner Oktoberfest oder der Cannstadter Wasen im Herbst gefeiert. Aber anders, als im Spätfrühling und Sommer, bedeutet die Formel „Hochdruckwetter plus Sonne“ nur dann noch Wärme, wenn eine warm-gemäßigte oder subtropische Luftmasse vorherrscht. Es kommt also auf die Position des Hochdruckgebietes an – liegt es westlich oder nördlich von Deutschland, so kann es schon in den Septembernächten und ab Oktober ganztägig sehr kühl sein; auch harsche Nachtfröste und Schnee sind dann schon möglich. Immer wieder bildete sich in diesem September/Oktober eine zonale Hochdruckzone zwischen dem Westatlantik und Osteuropa mit einer Achse im September etwa entlang des 45. bis 50. Breitengrades, in welcher sich ein Hoch über Osteuropa besonders ausprägte, was für Deutschland oft eine heiße, schwachwindige Südost-, Süd- oder Südwestströmung zur Folge hatte. Mit dem Oktober wanderte diese Hochdruckzone südwärts, so dass Nord- und zeitweise auch Mitteldeutschland unter Tiefdruckeinfluss mit Wolken und Niederschlägen gerieten, was teils enorm milde Nächte zur Folge hatte. Ab der Mitte Oktober stellte sich die Großwetterlage erstmals vorübergehend auf „kalt“ um. Der November verlief lange sehr mild und ungewöhnlich pilzreich. Der Autor dieses Beitrages fand im letzten Herbstmonat noch nie solche Massen an Pilzen, wie 2023. Aber ab der letzten Novemberdekade drehte die Strömung dauerhaft auf Nord – zum Monatsende herrschte fast überall tiefster Winter.

Abbildungen 1a bis 1c: Für Septemberhitze typische Luftdruckverteilung am 9. September (ganz oben). Hohem Luftdruck über Osteuropa steht tiefer über Westeuropa und dem Nordatlantik gegenüber, man erkennt einen von hochreichender Warmluft angefüllten langwelligen Höhenrücken über Mitteleuropa, während im zentralen und östlichen Mittelmeer Tiefs für Unwetter sorgen. Eine solche Wetterlage ist gerade im Herbst oft sehr stabil und wiederholte sich im Rekord-September 2023 mehrfach. Mittleres Bild die Situation am 11.Oktober 2023, als sehr milde Südwestluft bei hohem Luftdruckgefälle nach Deutschland strömte, doch im Norddeutschen Tiefland war es schon bewölkter und etwas kühler mit gebietsweisem Regen. Unten die vorhergesagte Situation vom 27. für den 28.November 2023. Die Druckgebiete haben ihre Plätze getauscht; hohem Luftdruck über der südlichen Arktis steht tiefer über Ost- und Südeuropa gegenüber; eiskalte Luft aus Nordosteuropa strömt nach Deutschland – mit Schnee und Dauerfrost endete der so warm begonnene Herbst 2023. Bildquellen: wetterzentrale.de

Werfen wir kurz einen Blick auf die Sonnenscheindauer, welche aber nur im September noch stark erwärmend wirkt. Der 2023er Herbst wird nur auf Kosten des Septembers wieder sehr sonnig verlaufen; Oktober und vor allem der enorm nasse November verliefen diesmal zu sonnenscheinarm.

Abbildung 2: Zur Mitte des 20. Jahrhunderts und aktuell verlaufen die Herbste sonnenscheinreicher; aber fast nur auf Kosten des Septembers bestimmt die Sonnenscheindauer die Variabilität der Herbsttemperaturen schwach positiv; die starke Herbst-Erwärmung der letzten 3 bis 4 Jahrzehnte hatte also überwiegend andere Ursachen!

Mehr Herbstwärme nicht wegen mehr CO₂, sondern wegen geänderter Großwetterlagen-Häufigkeiten!

Ein ganz wesentlicher Teil der Herbst-Erwärmung ist den geänderten Häufigkeitsverhältnissen der Großwetterlagen geschuldet – die besonders kühlend wirkenden Nord- und Ostlagen wurden deutlich seltener, die wärmenden mit südlichem Strömungsanteil dafür umso häufiger.

Abbildung 3: Die Häufigkeitszunahme der wärmend wirkenden Lagen mit südlichem Strömungsanteil (nach HESS/BREZOWSKY) trug ganz wesentlich zur Herbst-Erwärmung in Deutschland bei – ihre Häufigkeit erklärt immerhin 25% der herbstlichen Temperaturvariabilität; Daten für 2023 liegen noch nicht vor. Die AMO (grün) beeinflusste sowohl die Häufigkeitsverhältnisse der südlichen Großwetterlagen, als auch das herbstliche Temperaturverhalten. Umrechnung in Indexwerte, um die sehr unterschiedlichen Größen anschaulich in einer Grafik darstellen zu können.

Widerlegt gerade die aktuell starke Herbst-Erwärmung die These einer CO₂-bedingten Klimabeeinflussung?

Wir haben gesehen, dass geänderte Großwetterlagen-Häufigkeiten, enorm zunehmende Besonnung, Sonnenaktivität, WI-Effekte und die aktuelle AMO-Warmphase schon ausreichen, um die Herbst-Erwärmung in Deutschland zu erklären. Ob Kohlendioxid (CO₂) überhaupt einen nennenswerten Klimaeinfluss ausübt, soll hier nicht näher erörtert werden. Aber schon folgende Tatsache lässt Zweifel an der CO₂-bedingten Erwärmung aufkommen: Das völlig unterschiedliche Temperaturverhalten der Jahreszeiten seit 1988.

Abbildung 4: Temperaturentwicklung (DWD-Flächenmittel) der Meteorologischen Jahreszeiten in Deutschland seit 1988. Zur besseren Darstellung in einer Grafik wurden die Winter-Mittel um 5 K (°C) angehoben und die Sommer-Mittel um 6K abgesenkt; Gang und Trend werden dadurch nicht verändert. Man achte auf die fehlende Frühlings- und die geringe Winter-Erwärmung, während sich Sommer und Herbst enorm erwärmten!

Schaut man sich nun die Herbst-Erwärmung langfristig genauer an, so verlief sie nicht gleichmäßig. Einer ersten, sehr kühlen Phase mit Negativtrend (0,5K Abkühlung) bis 1922 folgte die AMO-bedingte, aber nur undeutliche Warmphase zur Mitte des 20. Jahrhunderts, erst bis 1961 mit unwesentlicher Erwärmung, dann bis 1993 Stagnation; und schließlich die bislang wärmste, aktuelle Phase. Alle Monate und Jahreszeiten zeigen grob dieses Verhaltensmuster; allerdings setzte beim Herbst die plötzliche, starke aktuelle Erwärmung mit dem Jahre 1994 am spätesten ein (bei den meisten Monaten/Jahreszeiten erfolgte dieser Klimasprung zwischen 1988 und 1995).

Abbildung 5: Zwischen 1881 und 1922 war der Herbst sehr kühl und kühlte sich in dieser Zeit trotz leicht steigender CO₂-Werte um etwa 0,5K ab; es folgten die weitgehend stabile, aber undeutliche Warmphase zur Mitte des 20. Jahrhunderts, dann die ebenfalls nur undeutliche Kaltphase der späten 1960er bis mittleren 1990er Jahre. Mit dem sehr kalten Herbst 1993 endet diese („Klimasprung“), und es setzte ab 1994 die aktuelle, starke Erwärmung ein; sie betrug seitdem fast 2 K (°C). Praktisch die gesamte Herbst-Erwärmung vollzog sich also in nur 3 Jahrzehnten!

Stromproduktion im Herbst: Zwischen Flaute-Mangel und Windüberschuss – die Erneuerbaren Energien gefährden die Versorgungssicherheit

Der Oktober 2023 war nun wirklich ein fast völlig normaler Herbstmonat mit einem Mix aus sonnigen, trüben, flauen und sehr windigen Tagen – aber genau das legte die eklatanten Schwächen der Deutschen Energiewende schonungslos offen.

Abbildung 6: Der aus klimatologischer Sicht hinsichtlich Wind und Sonnenscheindauer fast normale Oktober 2023 offenbarte das ganze Ausmaß des Scheiterns der Energiewende. Die mit Abstand wichtigste Säule der so genannten erneuerbaren Energien, die Windkraft (hell- und dunkelgraugrüne Flächen), schwankte enorm stark, und effektive, ökonomisch und ökologisch akzeptable Speicher sind in naher Zukunft nicht in Sicht. Die Solarenergie (gelbe Spitzen) spielt im Oktober nur noch eine untergeordnete Rolle und vermag die Defizite der Windkraft nicht auszugleichen. Und während noch bis in den Winter 2022 oftmals Erdgas die Lücken der Erneuerbaren füllte, ist es nun knapp und teuer – heimische Braunkohle und teure Import-Steinkohle (dunkelgrau) mussten einspringen. Man achte auf die gelegentlich großen, weißen Flächen unter der schwarzen Lastlinie – sie bedeuten teuren Stromimport. Bildquelle energy-charts.info; ergänzt; Daten bis zum 31.10. mittags vorliegend.

Spannender ist ein Vergleich der diesmal sehr gegensätzlichen Herbstmonate September (flau, sonnenscheinreich) und November (oft sehr windig, sonnenscheinarm). Während der September noch übernormal viele Unbestimmte (XX) Lagen aufwies, fehlten diese im Oktober und November 2023 fast völlig.

Abbildungen 7a und b: September (oben) und November 2023 im Vergleich; Bedeutung der Farben und Linien wie in Abb. 6. Im September fehlte der Windstrom, und die reichliche Solarenergie stand nur tagsüber zur Verfügung. Im November gab es für die weit über 2 Millionen Solaranlagen kaum noch Arbeit, und obwohl der Monat meist zirkulationsstark und daher recht windig verlief, mussten besonders ab der einsetzenden Kältewelle enorme Mengen an knappem, teurem Erdgas sowie Braun- und Steinkohle verstromt werden. Bildquellen energy-charts.info; ergänzt; Daten bis zum 30.11. nachmittags vorliegend.

Würde man nun, wie das Fridays for Future, Letzte Generation und die Grünen fordern, sofort alle Kohlekraftwerke abschalten, so müsste noch mehr Kernkraft- oder Kohlestrom aus den Nachbarländern importiert werden, oder die immer öfter schon flackernden Lichter gingen in Deutschland ganz aus; effektive, umweltschonende und bezahlbare Speichermöglichkeiten für Wind- und Solarstrom stehen auf lange Sicht nicht zur Verfügung; Wasserstoffproduktion ist ineffizient, extrem teuer, und die Infrastruktur dafür muss erst mühsam aufgebaut werden – wir Verbraucher bezahlen teuer für diesen ganzen Energiewende-Irrsinn!

Herbstliche Temperatur-Rekordjagd – krachend gescheitert

Der Temperatur-Rekordhalter 2006 erreichte ein Herbstmittel (September bis November) von knapp über 12°C, wobei alle Monate herausragend warm ausfielen – der September unwesentlich kühler, der Oktober etwas wärmer, als 2023. Die im November 2006 gemessenen 7,0°C (DWD-Mittel Deutschland) wurden aber wegen des Wintereinbruchs zum Monatsende des Novembers 2023 deutlich verfehlt; mit etwa 11,5°C verlief dieser Herbst dennoch extrem mild. Der sehr heftige Absturz der herbstlichen Temperaturen zeigt sich sehr eindrucksvoll an der WI-armen, für Deutschland gut repräsentativen Station Dachwig nordwestlich von Erfurt

Abbildung 8: Temperaturverlauf im Herbst 2023 (Daten bis zum 29.11. vorliegend) an der WI-armen DWD-Station Dachwig im Thüringer Becken nordwestlich von Erfurt. Dem rekordwarmen September folgte noch eine sehr warme erste Oktoberhälfte; nach einem kurzen Kälteeinbruch Mitte Oktober mit leicht verfrühten ersten Nachtfrösten blieb es noch bis Ende der zweiten Novemberdekade sehr mild; ehe sich der November selbst im Thüringer Flachland mit Kälte und Schnee verabschiedete.

Weil sich der Winter auch in der ersten Dezemberdekade noch ein paar Tage in Deutschland behaupten kann, wird es vermutlich auch keinen neuen Jahrestemperatur-Rekord geben – die Erwärmung scheint ausgereizt.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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