Nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke wurde allseits versichert, dass die Betreiber ihre eigenen Anlagen durch die Dekontamination mit Säure in Vorbereitung des Rückbaus zerstört hätten und diese damit endgültig unbrauchbar wären. Das ist falsch. Richtig ist, dass die Energiepolitik das Land rasant in eine wirtschaftliche Katastrophe befördert.

von Manfred Haferburg

Die Protagonisten des Kernenergieausstiegs tun alles Denkbare, um die Gesellschaft glauben zu machen, dass der deutsche Kernenergieausstieg am 15. April 2023 endgültig war und für alle Zeiten unumkehrbar ist. Unumkehrbar – in Kriegszeiten heißt dies „Taktik der verbrannten Erde“. Man will dem eigenen Heer eine eventuelle Umkehr als Unmöglichkeit erklären, in dem man hinter den vorrückenden Linien alles Zivilisatorische restlos zerstört, so dass die sich zurückziehen wollenden Truppen keinerlei Ressourcen vorfinden. Es soll ihnen nur die Richtung nach vorne bleiben. Die Politik benutzt dafür den Euphemismus der „Alternativlosigkeit“. Es gibt angeblich keine Alternative zum Regierungshandeln. Und wenn eine auftaucht, muss sie mit allen Mitteln beseitigt werden.

Nach dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke beeilten sich grüne Umweltministerien und ihre angeschlossenen Papageienberichterstatter, zu versichern, dass die Betreiber ihre eigenen Anlagen durch die Dekontamination mit Säure in Vorbereitung des Rückbaus zerstört hätten. Ist das wirklich so, oder wird da nur eine neue Antiatomsau durchs Dorf gejagt?

Zerstörung der AKWs durch Dekontamination mit Säure?

Eine kurze Antwort: Das sind Falschinformationen. Die Anlagen sind nach einer Volldekontamination durchaus wieder reaktivierbar, allerdings mit erhöhtem Prüfaufwand. Um das zu verstehen, muss der Leser erst einmal darüber aufgeklärt werden, was die Dekontamination eines Kernkraftwerks überhaupt ist, warum sie gemacht wird, wie sie gemacht wird und welche Folgen sie hat. Dieser Artikel soll etwas Licht in die Finsternis der Antiatompropaganda bringen, in der eine Wildsau gerne mal zu einer Löwin aufgeblasen wird.

Ein Kernkraftwerk besteht aus einem Kreislauf von Rohrleitungen und Wärmetauschern, in welchem reinstes Wasser so im Kreis gepumpt wird, dass es sich im Reaktor erwärmt und diese Wärme im Dampferzeuger abgibt, der dann wiederum seinerseits den Dampf für die Turbine erzeugt. Diese Rohrleitungen, Behälter und Pumpen bestehen aus feinstem rostfreien Stahl. Doch auch rostfreier Stahl bildet Korrosionsprodukte, die sich auf der Innenseite der Anlage an den Oberflächen festsetzen. Außerdem gibt es noch feinste Schwebstoffe, zum Beispiel durch Pumpenabrieb oder chemische Erosion, der sich ebenfalls auf den Innenflächen absetzt. Dieser Belag wird durch Radioaktivität aktiviert und strahlt dann kontinuierlich vor sich hin, nicht sehr stark, aber immerhin.

Die Betreiber von Kernkraftwerken halten die Strahlenbelastung ihres Personals so gering als irgend möglich. Deshalb entfernen sie diese Beläge ab und zu durch einen „Dekontaminationsprozess“. Das heißt, sie entfernen die Beläge chemisch-thermisch. Das kann man sich wie das Entkalken einer Kaffeemaschine vorstellen. Es wird eine aggressive chemische Substanz, z.B. Zitronensäure, eingefüllt, erwärmt und umgewälzt, welche den Kalk – oder im Kernkraftwerk die Beläge – auflöst und ausspült. Danach fährt man einen Reinigungs- und Spülgang, und die Kaffeemaschine glänzt auch innen wie neu.

Von einer Zerstörung kann nicht die Rede sein

Bei einem Kernkraftwerk ist das etwas komplizierter, aber das Prinzip ist das gleiche. Es werden mehrere Beiz- und Spülgänge gefahren. Meist macht das ein Kernkraftwerkshersteller als Auftragnehmer. Die Vorbereitung einer Primärkreislaufdekontamination dauert etwa ein Jahr. Man bemüht sich, diese Dekontamination so schonend wie möglich zu machen, um die Bauteile und Materialien nicht unnötig anzugreifen. Fast alle deutschen Kernkraftwerke haben im Laufe ihrer Betriebszeit eine oder mehrere Primärkreislaufdekontaminationen erfolgreich hinter sich gebracht.

Natürlich wird ein derartiger Prozess auch vor dem Rückbau eines Kernkraftwerkes durchgeführt. Dadurch sinkt die Strahlenbelastung für das Rückbaupersonal und auch der übrigbleibenden Materialien. Bei dieser letzten Dekontamination braucht man natürlich weniger Rücksicht auf die Konstruktion zu nehmen und kann versuchen, so viel Belag wie möglich abzutragen. Das heißt, man kann mehr Dekontaminationszyklen mit aggressiveren Mitteln fahren. Gleichwohl wird auch hierbei die Zerstörung von Bauteilen, wie z.B. die empfindlichen Pumpendichtungen, vermieden. Von einer „Zerstörung“ der Anlage durch die FSD „Full-System-Dekontamination“ kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil, auch die Dekontamination des Primärkreises vor dem Rückbau ist so ausgelegt, dass das Verfahren materialverträglich ist.

Grundsätzlich wäre es also möglich, den Primärkreislauf eines dekontaminierten Kernkraftwerks wieder in Betrieb zu nehmen. Es wurde während der Vorbereitung lediglich darauf verzichtet, auszuarbeiten, welche zusätzlichen Nachweise und Prüfungen hierfür erforderlich wären. Das kann aber nachgeholt werden.

Wie ist der Status der Dekontamination bei den zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerken?

Die am 31. Dezember 2021 abgeschalteten Kernkraftwerke Grohnde, Brokdorf und wahrscheinlich auch Gundremmingen C haben die Dekontamination schon hinter sich. Die am 15. April 2023 abgeschalteten Kernkraftwerke ISAR2, Emsland und Neckarwestheim befinden sich in der Vorbereitung der Dekontamination und werden sie bis zum Frühjahr 2024 abschließen.

Was hindert uns daran, die abgeschalteten Kernkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen? Das eigentliche Problem der Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke ist die Kernkraftmüdigkeit der großen Energieversorger. Die Manager der EVUs haben die Nase gestrichen voll von der „Rein und raus aus den Kernkraft-Kartoffeln-Politik“ der deutschen Regierungen der letzten 15 Jahre. Erst wurde ein Ausstiegsgesetz beschlossen. Dann folgte eine Laufzeitverlängerung von 10 Jahren mit Rieseninvestitionen in die Sicherheit. Danach die gesetzwidrige Abschaltung per Kanzlerinnen-Anruf. Dann kam eine fachkenntnisfreie Ausstiegskommission, die den „ethischen Ausstieg“ begründete. Ein neuer Ausstiegsplan wurde beschlossen. Dann entbrannte eine zutiefst heuchlerische Debatte um den Weiterbetrieb, den Brennstoffkauf bis letztendlich hin zur Laufzeitverlängerung von 14 Wochen per Kanzlermachtwörtchen…

Die Kraftwerke und ihr Personal bereiten sich seit Jahren auf die von der Politik verlangte Stilllegung vor. Hunderte Personalverträge für jede Anlage sind unterschrieben, Verträge mit Auftragnehmern geschlossen, tausende Seiten Anträge an die Genehmigungsbehörden geschrieben…

Allerdings gibt es darüber hinaus ein formales Problem. Wenn eine Anlage bereits die Stilllegungsgenehmigung in Anspruch genommen hat, dann braucht es für das Wiederanfahren eine neue Betriebsgenehmigung. Und die muss man den oft grün besetzten Behörden erst mal abringen.

Welcher Top-Manager eines Energieversorgers, um Gottes willen, soll einer solchen erratischen Energiepolitik noch trauen?

Kaputtmachen ist einfach, Aufbauen dauert viele Jahre

Es dauerte 100 Jahre, einen Kraftwerkspark und die Stromnetze so aufzubauen, wie sie bis vor 15 Jahren zuverlässig und preisgünstig funktionierten. Strom kam aus der Steckdose, und man brauchte sich keine Gedanken zu machen. Dann kamen die größenwahnsinnigen Energiewender und zerstörten in wenigen Jahren, was kluge Ingenieure in einem Jahrhundert aufgebaut hatten. Plötzlich gab es Diskussionen um die Duschzeit und die Benutzung von Waschlappen. Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass der Strom immer aus der Steckdose kommt und bezahlbar ist. Die Industrie hat das schon begriffen und flüchtet in hellen Scharen. Die Zerstörer erfanden den Wumms und den Doppelwumms, um ihr Versagen in der Energiepolitik noch eine Weile zu kaschieren.

Energiepolitik muss in Dekaden gedacht werden, in Energiedichte und Energie-Ökonomie, in wissenschaftlicher Vernunft mit ergebnisoffener Diskussion der Fachleute. Bischöfe und Theaterwissenschaftler haben da so wenig zu suchen wie Studienabbrecher, Trampolinmünchhausens und Küchenhilfen.

Die Folgen des Kernenergieausstiegs und ihre Verursacher

Es ist ein Jammer. Der deutsche Kernenergieausstieg war ein nicht wieder gutzumachender Fehler. Es wurde mit der Abschaltung sicherer und voll funktionsfähiger Kraftwerke ein Kapital-Restwert von mindestens 50 Milliarden Euro vernichtet. Es wurde ein Viertel der deutschen Stromerzeugungskapazität abgeschaltet, was Deutschland nunmehr zu einem vom Ausland abhängigen Nettoimporteur von Strom macht. Die Strompreise wurden durch die Verknappung in ungeahnte Höhen getrieben, was zur Deindustrialisierung und zur Bevölkerungsverarmung führt. Die Inflation wurde dadurch zusätzlich angeheizt.

Wenn es der Regierung um den „Klimaschutz“ gegangen wäre, hätten die Kernkraftwerke weiter laufen müssen. Aber die Bevölkerung wurde über Jahre in Atomangst versetzt und merkte nicht, dass der Ausstieg unabsehbare Folgen für ihren Wohlstand hatte. Der Effekt im Portemonnaie trat zeitversetzt auf, als es schon passiert war. Dass der Kernenergieausstieg keinen Effekt im Krieg gegen das Spurengas Kohlendioxid hätte, ist nur eine Propagandalüge zur Gefügigmachung der Bevölkerung. Da Kernkraftwerke CO2-freien Strom produzieren, werden durch ihre Abschaltung sämtliche Klimaziele der Regierung gerissen, und Deutschland stößt nunmehr pro Kopf zweimal so viel CO2 aus wie das durchaus vergleichbare Nachbarland Frankreich und bezahlt dafür den doppelten Strompreis.

Würden die deutschen Kernkraftwerke noch laufen, brauchte es die ganzen Verwerfungen der Verkehrswende und der Heizungswende nicht, da die Kernkraftwerke ein Vielfaches der CO2-Einsparungen gebracht hätten, wie nun unter Vernichtung der Mobilität und unter Enteignung der Immobilienbesitzer zu erreichen versucht wird. Mit dem Kapital, das bisher für die vergurkte Energiewende verschwendet wurde, hätte man 50 modernste Kernkraftwerke bauen können und wäre heute tatsächlich Vorreiter statt einer energetischen Lachnummer. Was gestern noch eine Verschwörungstheorie war, ist heute Realität: Deutschlands Wirtschaftskraft stürzt durch die Energiewende im Rekordtempo ab. Der IWF sieht den einstigen Export-Weltmeister beim Wachstum jetzt global auf dem letzten Platz. Kein anderes Land steckt so tief in der Rezession.

Lasset uns beten

Der Bau eines Kernkraftwerkes dauert fünf bis zehn Jahre. Die Ampel denkt Energiepolitik in Monaten und Wochen, das zeigt die „Laufzeitverlängerung“ der letzten drei Kernkraftwerke um 14 Wochen.

Fünf Windanlagen sollen laut Regierung pro Tag in Betrieb gehen. Geschafft wird höchstens eine. Und neue Windparks werden wegen der Preissteigerung der Anlagen gerade von den Investoren gecancelt.

Tausende Kilometer Hochspannungstrassen sollen gebaut werden. Das ist der Plan. Die Realität ist: Vom berühmten Südlink, der Windstrom von Norddeutschland nach Baden-Württemberg transportieren soll, wurden bisher gerade einmal 2,5 Prozent der Strecke genehmigt. Und diese eine Trasse soll schlappe 10 Milliarden Euro kosten – natürlich die Stromkunden.

Und wenn all die Millionen Wärmepumpen und Ladesäulen in Betrieb gehen sollten – woher kommt der Strom dafür? Erst müssen aber noch 1,5 Millionen Kilometer Niederspannungsnetze in Stadt und Land neu verlegt werden, da die bisherigen Querschnitte für diese Lasten nicht ausreichen.

Der Bau eines Gaskraftwerkes dauert fünf Jahre. 30 oder gar 50 Gaskraftwerke sollen die Energiewende retten. 30 bis 50 Gaskraftwerke will die Ampel bis 2030 bauen? Welche Fachkräfte sollen die bauen? Wer soll die finanzieren? Welche Hersteller – es gibt weltweit nur eine Handvoll – bauen die? Wer soll die betreiben? Wo kommt das Gas dafür her? Wird es je auch nur einen Bruchteil des benötigten grünen Märchenwasserstoffs für ihren Betrieb geben? Fragen über Fragen.

Es wird bis 2030 weder die 30 Gaskraftwerke noch die 70 Gigawatt neuen Windparks noch die Stromtrassen noch die 15 Millionen Elektroautos noch die allörtlich röchelnden Millionen Wärmepumpen geben. Auch das grüne Wirtschaftswunder wird ausbleiben. Lediglich die Ersparnisse der kleinen Leute und ihr kleiner Lebensstandard werden futsch sein.

Ihr werdet auch Eure utopischen CO2-Einsparungsziele nicht schaffen. Doch dies ist weniger schlimm. Hat doch das kleine Deutschland mit seinen lächerlichen zwei Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß ohnehin nur einen vernachlässigbaren Einfluss aufs Weltklima. Und als Beispiel könnte Deutschland allemal dienen – als Beispiel, wie man es nicht machen soll.

Lasset uns zahlen

Die erforderlichen teuren Stromimporte der fehlenden Erzeugungsleistung mit dem teuren Verklappen überschüssigen Solarstroms werden mit Zuzahlung an die Abnehmer schöngerechnet: „Seht her, liebe Deutsche, wir exportieren und importieren Strom, das ist doch ganz normal und ausgeglichen“. In Wahrheit aber werden abends für Importstrom aus dem benachbarten Ausland mehr als 100 Euro pro Megawattstunde fällig, gerne auch 150 Euro. Es wird so getan, als wäre es normal, dass Deutschland für den Stromexport von überschüssigem Solarstrom, den um die Mittagszeit keiner verwenden kann, an die Nachbarländer auch mal 50 Euro pro Megawattstunde fürs Abnehmen bezahlt.

Aber es wird verschwiegen, dass der deutsche Stromkunde somit den Strom zuzahlt, mit dem im Nachbarland Wasser der Pumpspeicherwerke am Mittag nach oben gepumpt wird – und nach Sonnenuntergang den Strom noch mal teuer bezahlt, wenn die Pumpspeicher den Strom für den Import erzeugen. So kommen in der Summe oft 200 Euro pro Megawattstunde für den Stromkunden zusammen. Normal würde das um die 60 Euro kosten. Dieser energie-ökonomische Unfug kostet die Stromkunden inzwischen Milliarden pro Jahr.

Lieber Olaf, Robert, Patrick und Friedrich, liebe transformationsbeflissene Quoten-Damen, deren Namen ich mir nicht mal merken mag, liebe Hofberichterstatter. Ich bewundere Euren Mut. Habt Ihr nicht in schlaflosen Stunden manchmal Angst, dass die Bürger, die Euch ja immer wieder wählen sollen, hinter den großen Energiewende-Bluff steigen und merken, dass sie unfähigen Scharlatanen aufgesessen sind, deren Unwissenheit und Realitätsferne sie arm macht? Habt Ihr nicht manchmal die bange Sorge, dass die Geprellten eines Tages vor Eurer Tür stehen? Der nächste Winter kommt bestimmt. Lasset uns gemeinsam dafür beten, dass es ein milder Winter ohne Dunkelflaute wird.

 

Manfred Haferburg wurde im ostdeutschen Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW in Greifswald. Wegen unbotmässigen Verhaltens wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Aber im Dunkeln leuchten kann er immer noch nicht. Haferburg lebt in Paris.

Der Artikel erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

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