Stefan Kämpfe
Mit den langfristigen Flächenmitteln von Zentralengland und Deutschland stehen zwei ganz sicher nicht fehler- und manipulierungsfreie Niederschlags- und Temperaturreihen zum Vergleich; auch sind die Temperaturwerte mehr oder weniger stark durch Wärmeinseleffekte belastet. Darum soll es hier aber nicht vordergründig gehen. Über einhundert Jahre lang galt trotz leichter Schwankungen: Deutschland war (wegen der Mittel- und Hochgebirge) niederschlagsreicher und wegen seines kontinentaleren Klimas mit Ausnahme des Sommers kühler als Zentralengland. Doch neuerdings deuten sich Änderungen an.
Einführung
Weil halbwegs brauchbare Flächenmittel des Niederschlages in Deutschland nur seit 1881 vorliegen, beginnen die Betrachtungen mit diesem Jahr und reichen bis 2022. Selbiges gilt für die Temperatur-Flächenmittel (in Zentralengland reichen die Niederschlagsmittel bis 1873 und die der Lufttemperatur, freilich mit starken Qualitätseinschränkungen, bis 1659 zurück). Die Betrachtungen dieses Beitrages konzentrieren sich auf die Jahresmittel; Arbeiten zu den einzelnen Jahreszeiten sind für weitere Folgen geplant, wobei dem Sommer die größte Aufmerksamkeit gelten wird.
Die Niederschlagsverhältnisse
Betrachten wir zunächst einmal die langfristige Entwicklung der Jahresniederschlagsmengen. Beide Reihen zeigen einen schwach positiven Trend; es wurde also etwas feuchter. Auf den ersten Blick ist er in Deutschland sogar etwas deutlicher (auf höheren Signifikanz-Niveaus sind beide Trends nicht signifikant).
Doch ganz am Ende des Betrachtungszeitraumes, so ab den frühen 2000er Jahren, scheint Deutschland merklich abzufallen. Das wird deutlicher, wenn man statt der Lineartrends Gleitende Mittelwerte betrachtet.
Noch ist der Zeitraum dieses Rückgangs in Deutschland zu kurz, um als dauerhaft klimatisch relevant zu gelten; doch folgende Indizien stimmen zumindest nachdenklich: Die momentane AMO-Warmphase könnte zwar eine gewisse Ursache sein, doch gab es eine solche auch zur Mitte des 20. Jahrhunderts – ohne entsprechenden starken Rückgang der deutschen Jahresniederschläge. Und der aktuelle Rückgang fällt in etwa mit dem massiven Ausbau der Wind- und Solarenergie in West- und Mitteleuropa zusammen – könnten vielleicht die riesigen Windparks das Niederschlagsverhalten beeinflussen? Es lag nahe, einmal die Entwicklung der jährlichen Niederschlagsdifferenzen (Zentralengland minus Deutschland) zu betrachten. Langfristig sieht sie so aus:
Nun wissen wir alle um die merkliche, sprunghafte Klimaänderung, welche Ende der 1980er Jahre einsetzte und seit dieser Zeit aufgrund einer erhöhten winterlichen Westlagenhäufigkeit und –Intensität (oft positive NAO) einerseits und merklich sonnigerer, zirkulationsschwacher Sommerhalbjahre andererseits zu höheren Lufttemperaturen und geändertem Niederschlagsverhalten führte; außerdem nahm die Häufigkeit der in allen Jahreszeiten erwärmend wirkenden S- und SW-Lagen wegen der AMO-Warmphase merklich zu. Diese seit nun dreieinhalb Jahrzehnten andauernde „Kleine Warmzeit“ manifestierte sich auch in einem merklichen Ansteigen der Niederschlagsdifferenzen zwischen Zentralengland und Deutschland; ob diese Entwicklung weiter anhält, muss abgewartet werden.
Die Jahrestemperaturen
Schon langfristig zeigt sich ein leichtes „Aufholen“ (stärkere Erwärmung) Deutschlands; mögliche Ursachen sind geänderte Häufigkeiten von Großwetterlagen, die trägere Erwärmung des Atlantiks sowie stärkere Wärmeinseleffekte. Beide Reihen erwärmten sich auch merklich, weil der Beginn des Betrachtungszeitraumes in die Spätphase der so genannten „Kleinen Eiszeit“ fällt und sich seitdem aufgrund solarer Effekte eine Erholung der Temperaturen ereignete, welche mit dem bevorstehenden Höhepunkt des etwa tausendjährigen EDDY-Zyklus der Sonnenaktivität vermutlich bald kulminieren wird. Anders als bei den Niederschlägen lagen jedoch beide Reihen niemals so eng zusammen wie momentan, was anhand der Darstellung mit den Gleitmitteln besonders deutlich wird. Eine so starke Annäherung kann wohl auch nicht allein mit möglichen Homogenisierungen oder Datenmanipulationen erklärt werden; man darf gespannt sein, ob Deutschland Zentralengland vielleicht bald gar überholt.
Folglich blieb auch die Temperaturdifferenz beider Reihen, welche stets in Kelvin angegeben wird (1 K=1°C) über etwa einhundert Jahre bei leichten Schwankungen fast unverändert zwischen 1 und 1,5 Kelvin, um dann erst ab etwa den späten 1990er Jahren merklich abzunehmen; aber schon seit 1988 wird die Abnahme sichtbar.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass vor allem der Sommer, teils aber auch der Herbst, die wesentlichen Treiber dieser Entwicklungen waren; sie wurden nur in Deutschland seit den späten 1980er Jahren merklich wärmer und teilweise auch trockener; Letzteres gilt auch für den Lenz.
Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
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Im Artikel steht beim Grafikvergleich mit England: „Doch ganz am Ende des Betrachtungszeitraumes, so ab den frühen 2000er Jahren, scheint Deutschland merklich abzufallen. “
Diese Grafik hätte auch in unseren Artikel gepasst über die statistische Erniedrigung der Durchschnitts-Niederschläge durch den Austausch von Wetterstationen. Mit Mittenwald wurde letzte Jahr – nur als Beispiel eine eher kalte und sehr regenreiche Station aus dem Messnetz entfernt. Will man den Niederschlag ab den frühen 2000er in Deutschland realisieren, dann muss man Einzelwetterstationen heranziehen, deren Standort so blieb wie er war. z.B. Amtsberg. Aber selbst meine Heimatwetterstation mit einem großen WI-effektzuwachs zeigt seit 2003 zwar die ERwärmung, aber kein Niederschlagsrückgang. Nehmen wir aber 2 oder 3 Einzelstationen, die am Platz verblieben sind, dann wirft man uns Cherry-Picking vor.
Danke für den erfrischend sachlichen Bericht.
MfG
Ketterer
England hat mehr maritimes Klima und Nebel. Daher hat sich in Deutschland die zunehmende Luftreinheit und Globalstrahlung seit den 1980ern stärker auf die Temperatur ausgewirkt. Wäre meine Vermutung.
Hallo Herr Krüger,
die Daten der bis 2019 reichenden Säkularstation Potsdam zeigen eine starke Abnahme der Nebeltage ab den späten 1980er Jahren; leider wurden die Beobachtungen mit dem Ende der Säkularreihe wegen zunehmender WI-Belastung eingestellt (der DWD misst mit vereinfachtem Programm dort weiter, aber es gibt keine Augenbeobachtungen mehr). Übrigens nahm auch die Anzahl der Gewittertage dort merklich ab. Leider fehlem Daten zur Bedeckungsmenge mit den im Sommer besonders stark kühlend wirkenden tiefen Wolken (Stratus, Stratocumulus, Cumulus und Cumulonimbus). In Weimar nahm diese nach eigenen Beobachtungen im Sommerhalbjahr seit den frühen 2000er Jahren dramatisch ab; trübe Sommertage, welche uns noch in den 1970er und 1980er Jahren oft den Urlaub vermiesten, gibt es kaum noch; auch Regen fällt hier fast nie mehr. Um die Frage zu ergründen, ob (vielleicht) ein maritimeres Klima weniger änderungsanfällig ist, habe ich mal S-H mit dem kontinentaleren Berlin-Brandenburg (jew. Flächenmittel) verglichen: Jahrestemperaturerwärmung 1988 bis 2022 S-H 1,08K, BB 1,12K – also kein sign. Unterschied, der Sommer erwärmte sich aber in S-H mit 1,23K deutlich weniger als BB mit satten 1,74K, das ist (vermutlich) dem kühlenden Seewind geschuldet. Jahresniederschlagsänderung S-H minus 33mm, BB plus 2mm (auch wieder 1988 bis 2022). Ergebnis: Momentan gibt es keine (statistisch signifikanten) Unterschiede zwischen maritimeren und kontinentaleren Regionen; die Einzeljahreszeiten müssen noch weiter ausgewertet und das Ganze weiter beobachtet werden.