Was beeinflusst unsere Januar-Temperaturen wirklich?

Stefan Kämpfe

Der Januar erhielt seinen Monatsnamen von dem römischen Gott Janus (für ganz korrekte Lateiner: Ianus). Mit seinen zwei Gesichtern kann dieser Gott gleichzeitig nach hinten und nach vorne blicken, also in die Vergangenheit und in die Zukunft. Zwei sehr verschiedene Gesichter präsentierte uns auch der Januar 2023; er begann mit mai-typischen Temperaturen, aber ab der Monatsmitte feierte der Winter seine Auferstehung. Insgesamt blieb mit etwa 3,6 bis 3,7°C im DWD-Flächenmittel für Deutschland zwar ein merkliches Plus, doch konnte er mit den extrem milden Jännern der jüngsten Vergangenheit bei weitem nicht mithalten. Seit nunmehr 36 Jahren verharrt der ehemalige „Hartung“ auf sehr mildem Niveau – bei stark steigenden CO-Konzentrationen. Man ahnt es schon: Ganz andere Ursachen als CO dominieren das Temperaturverhalten im Hochwinter.

Zwei gegensätzliche Januar-Hälften 2023 – warum?

In diesem Januar brachten uns Südwest- und Westlagen zunächst sehr mildes Wetter; die erste Januarhälfte wies mit etwa 7°C im DWD-Mittel ein Temperaturniveau wie etwa Anfang April auf. Zwar gab es in der zweiten Monatshälfte auch keine intensive Kaltluftzufuhr, aber häufige Flauten und gemäßigte Luftmassen (meist xP und xPs) gaben der Witterung nun besonders im Südosten Deutschlands ein winterliches Gepräge. Erst zum Monatsende stiegen die Temperaturen wieder, erreichten aber das hohe Niveau der ersten Monatshälfte nicht. Ein Blick auf den Temperaturverlauf an der für Deutschland gut repräsentativen DWD-Station Erfurt/Weimar veranschaulicht die zwei sehr unterschiedlichen Januar-Hälften.

Abbildung 1: Die nahe der geografischen Landesmitte Deutschlands liegende DWD-Station Erfurt/Weimar zeigt zwei gegensätzliche Januar-Hälften 2023; eine sehr milde erste und eine mäßig kalte zweite. Aus der Grafik lässt sich aber noch mehr herauslesen. Lagen Maxima und Minima weit auseinander, so fand an diesen Tagen entweder ein markanter Luftmassenwechsel statt, oder es war ein wolkenarmer Strahlungstag. An völlig trüben Tagen, so um den 23. Januar, unterschieden sie sich kaum. Mehrfach erreichte auch das Tagesmaximum die Marke von 0°C nicht (waagerechte, blaue Linie); an dieser Station gab es also immerhin 5 Eistage.

Janusköpfigkeit auch bei der deutschen Stromproduktion

Wie stark die deutsche Energiewende durch die meteorologischen Gegebenheiten in Frage gestellt wird, hat der Autor unter anderem hier beschrieben. Der Januar 2023 zeigte nahezu lehrbuchhaft: Erneuerbare Energien sind tatsächlich Freiheitsenergien – sie liefern äußerst unzuverlässig nur, wann sie wollen. Während in der ersten Januarhälfte ein recht kräftiger Wind, von kurzen Schwächephasen abgesehen, oft beträchtliche Strommengen erzeugte, herrschte in der zweiten Hälfte oft Flaute – mit katastrophalen Folgen für die Strompreise und die deutsche CO-Bilanz. Hinzu kamen viele trübe Tage – in Weimar schien die Sonne vom 18. bis zum 27. Januar überhaupt nicht. Erst zum Monatsende frischte der Wind wieder auf.

Abbildung 2: Kaum Wind- und Solarenergie ab Mitte Januar; die eigentliche Kalamität begann am 16. und dauerte bis zum 29. Januar, aber auch davor und danach waren die „Erneuerbaren“ nicht immer produktiv. Nur bis Monatsmitte und ganz am Ende wehte mehr Wind – aber auch da reichte er nicht immer aus. Und die Solarenergie erbrachte fast Nichts. Selbst eine Verzehnfachung der Wind- und Solaranlagen hätte über längere Zeiträume nicht genügend Strom geliefert. Man achte auf den hohen Anteil des verstromten, teuren Erdgases; aber auch die importierte Steinkohle verteuerte sich erheblich – für die Strompreise in Deutschland lässt das nichts Gutes erahnen. Ohne ausreichende Energiespeicher bleiben die fossilen Energieträger jedoch unverzichtbar; die oft gepriesene Wasserstofftechnologie ist hinsichtlich ihres Wirkungsgrades ineffizient, kurzfristig nicht in großem Umfang realisierbar und viel zu teuer! Alle „Erneuerbaren“ leisteten trotz ihres weit fortgeschrittenen Ausbaugrades zeitweise nur 15 bis 40% der Gesamtstromerzeugung, also mussten 60 bis 85% konventionell erzeugt werden! Die einst so sichere, kostengünstige Kernenergie erbrachte, da nun im Steckbetrieb auslaufend, nur noch geringe Mengen (rote Linie ganz unten). Man beachte, dass der Primärenergiebedarf in Deutschland viel höher als die hier dargestellte Stromerzeugung ist – legt man diesen Primärenergieverbrauch zugrunde, decken die „Erneuerbaren“ Energien trotz ihres enormen Ausbaugrades nur knappe 16% im witterungsmäßig viel günstigeren Jahresmittel ab (Stand: 2021). Bildquellen: energy-charts.info, ergänzt.

Das langfristige Temperaturverhalten – der Januar hat (vermutlich) die wärmsten Zeiten schon hinter sich

Ähnlich wie die meisten Monate, erwärmte sich der Januar im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert stark; danach folgte eine lange Stagnationsphase bis etwa in die 1980er Jahre, was nicht gut zur schon damals steigenden CO-Konzentration passt. Ab 1988 folgte ein sprunghafter Anstieg auf das heutige, sehr milde Temperaturniveau, welches seit nunmehr 36 Jahren fast unverändert blieb. Seit Aufzeichnungsbeginn (1881) betrug die Erwärmung stattliche 2,2 Kelvin (°C). Dabei sind die DWD-Daten aber wärmeinselbelastet, und die DWD-Reihe startet in der letzten Phase der „Kleinen Eiszeit“ – um 1881 war es besonders kalt. Extrem milde Januare mit mind. 4°C im DWD-Mittel hatten Seltenheitswert (1921, 1975, 1983 und letztmalig 2007).

Abbildung 3: Verlauf der Januartemperaturen im Deutschland-Mittel seit 1881 mit drei Entwicklungsphasen. Einer bis 1921 dauernden, starken Erwärmungsphase folgte eine unwesentliche Abkühlung bis in die 1980er und um 1988 der „Sprung“ auf das heurige, sehr milde Niveau. In den gesamten 143 Jahren der Reihe betrug der Temperaturanstieg etwa 2,3 Kelvin (°C). Mit WI-Bereinigung hätte es eine geringere Erwärmung um etwa 1,7 Kelvin gegeben. Der letzte, extrem milde Januar (2007) liegt nun schon 16 Jahre zurück.

Es lohnt sich, die letzten 36 Jahre genauer zu betrachten.

Abbildung 4: Keine Januar-Erwärmung mehr seit über dreieinhalb Jahrzehnten in Deutschland – trotz stark steigender CO₂-Konzentrationen.

Noch erstaunlicher ist die Entwicklung der Januar-Temperaturen in Zentralengland (Midlands), für das eine über 360ig-jährige Messreihe vorliegt; sie erfasst damit auch den Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“, das so genannte Maunder-Minimum als vermutlich kälteste Epoche in den mindestens letzten 2.000 Jahren. Seitdem sollte es doch dort eine kräftige Erwärmung um viele Grad gegeben haben – aber die Realität sieht ganz anders aus:

Abbildung 5: Mit etwa 1,8 Kelvin nur ein sehr mäßiger Januar-Temperaturanstieg seit über 360 Jahren in Zentralengland; auch diese Daten sind vermutlich WI-belastet.

Auch hier zeigt sich für die letzten gut dreieinhalb Jahrzehnte keinerlei Erwärmungstrend:

Abbildung 6: Keine Januar-Erwärmung mehr seit dreieinhalb Jahrzehnten auch in Zentralengland. Mit etwas über 5°C zählte dort der Januar – anders als in Deutschland, nicht zu den mildesten der letzten Jahrzehnte.

Die NAO als wesentlicher Treiber der Januar-Temperaturen

Wie wir schon in den vorherigen Abschnitten sahen, waren die stark steigenden CO2-Konzentrationen nicht ursächlich für die Entwicklung der Januar-Temperaturen. Bei allen Winter-Monaten, kommt es nämlich darauf an, ob die Luft über den in dieser Jahreszeit relativ warmen Atlantik und die Nordsee oder über das sehr kalte Festland zu uns weht – mit leichten Variationen. Es bedarf einer bestimmten Luftdruckverteilung, welche entweder milde westliche oder kalte östliche Strömungen fördert (im Januar nur mäßig kaltes Nordwetter tritt selten über längere Zeiträume auf). Diese Verhältnisse beschreibt die NAO. Unter der Nordatlantischen Oszillation (NAO) versteht man die Schwankung des Luftdruckverhältnisses zwischen dem Islandtief im Norden und dem Azorenhoch im Süden. Die NAO wird als dimensionsloser Index nach leicht unterschiedlichen Ermittlungsmethoden ausgewiesen; deshalb finden sich im Internet verschiedene Datensätze, aber stets bedeuten hoch positive NAO-Werte eine intensive Westströmung über dem Ostatlantik. Bei stark negativen Werten kann dort sogar eine Ostströmung herrschen; dann gelangt die milde Atlantikluft nicht nach Deutschland (möglich bleiben nördliche, östliche und südliche Lagen). Zwei Wetterkarten-Beispiele verdeutlichen das:

Abbildungen 7a und 7b: Oben eine Lage bei stark positiver NAO im extrem milden Januar 1983. Es herrschte an jenem 10. Januar 1983 zwischen hohem Luftdruck über SW-Europa und tiefem über dem Nordatlantik/Nordmeer/Skandinavien eine rege Westströmung über West- und Mitteleuropa. Unten spiegelbildliche Verhältnisse am 14.01.1987 bei stark negativer NAO mit hohem Luftdruck von Island über Skandinavien bis ins nördliche Osteuropa und tiefem über dem Mittelmeer; selbst im sonst wintermilden Britannien und in Irland zitterte man vor Kälte. Bildquellen: wetterzentrale.de

Für den Januar 2023 liegen noch keine Monatsmittel der NAO-Indizes vor; nach den bisherigen Tagesdaten sind aber leicht positive Werte zu erwarten. Aber wie verhielt sich nun die NAO im Januar langfristig? Da sie von Januar zu Januar erheblich schwankt, wurde, um die Schwankungen etwas zu glätten, ein 11-jähriges, zentriertes Gleitmittel unter Verwendung der NAO-Werte des Britischen Metoffice erstellt; Selbiges geschah auch mit den Januar-Flächenmitteln der DWD-Deutschlandtemperaturen und der AMO:

Abbildung 8: Deutliche zeitliche Übereinstimmung der NAO nach Metoffice (violett) und der Januar-Temperaturen in Deutschland. Die in der Abb. 3 besprochenen Entwicklungsphasen der Januar-Temperaturen (schwarz) gingen grob mit einem entsprechenden Verhalten der NAO-Werte einher: Merklicher Anstieg bis in die 1920er, dann wieder ein Rückgang bis in die 1940er, dann mäßige Schwankungen, besonders 1988 und kurz danach wieder sehr hohe Werte, abschließend ein Verharren bei nur noch geringen Schwankungen auf einem hohen Niveau. Man beachte, dass NAO und Temperaturen seit den 1990er Jahren nur noch geringe Schwankungen aufwiesen – ein gänzlich anderes Verhalten, als in den gut einhundert Jahren zuvor. Bei jährlicher Korrelation von 1881 bis 2021 wurden stattliche 42,5% der Temperaturvariabilität von der NAO verursacht, das ist deutlich signifikant. Ob auch die Atlantische Mehrzehnjährige Oszillation, ein Index für die Wassertemperaturen im zentralen Nordatlantik (grün) hierbei eine Rolle spielte? Sie hat zwar nur einen geringen, nicht signifikant positiven Einfluss auf die Januar-Temperaturen, könnte aber in Einzelfällen das hohe Temperaturniveau der Gegenwart doch gefördert haben, so auch zum Jahresanfang 2023. Daten für Jan. 2023 noch nicht vorliegend.

Weil sich die meisten NAO-Indizes auf den östlichen Nordatlantik beziehen, haben sie nicht immer einen Einfluss auf die mitteleuropäische Januar-Witterung. Der Autor hat deshalb einmal aus den seit 1948 vorliegenden Aerologischen NOAA-Daten einen einfachen Index für den 10. Längengrad Ost unter Verwendung der Luftdruck-Daten (Meeresspiegel-Niveau) zweier Koordinaten als Differenz berechnet – es ergab sich ein noch etwas engerer Zusammenhang:

Abbildung 9: Berechnete Luftdruck-Differenzen in Hektopascal zwischen den zwei Punkten 10°E, 40°N und 10°E, 65°N; diese liegen im nordwestlichen Mittelmeer b.z.w. bei Nordnorwegen. Der tendenzielle Anstieg erklärt, warum es im Januar seit 1948 wärmer wurde, der Korrelationskoeffizient ist mit r=0,785 (B=61,6%) enorm hoch, solch enge Zusammenhänge „schafft“ sonst nur die Sonnenscheindauer zu den Sommertemperaturen! Man kann außerdem folgende Regeln erkennen: War die Luftdruckdifferenz sehr stark positiv (>25 hPa), so fielen alle diese Januare (rote Jahreszahlen) extrem mild aus; ab etwa Null oder gar negativen Werten waren die Januare deutlich zu kalt, besonders ab minus 5 hPa. Werte für Januar 2023 liegen noch nicht vor.

Näheres zur Methode des Autors hier. Aber halt – sollte sich angesichts des seit etwa 1980 stark schrumpfenden Arktischen Meereises die Zirkulation nicht merklich abschwächen, was zu fallenden Luftdruckdifferenzen und kälteren Januaren mit immer mehr Witterungsextremen führen müsste? Aber auch der 2023er Januar verlief ja recht unspektakulär. Denn vermutlich wird der Einfluss der Meereis-Bedeckung auf die Zirkulationsverhältnisse stark überschätzt. Die Variabilität der Deutschen Januar-Temperaturen wurde seit 1979 aber nur zu kümmerlichen etwa 4% von der Größe der arkt. Meereisbedeckung beeinflusst – meilenweit von jeglicher Signifikanz entfernt. Auch sind angesichts der starken NAO-Schwankungen mit den bisherigen Maxima im frühen 20. Jahrhundert und um 1990 wesentliche Einflüsse der CO-Konzentration wenig plausibel. Was genau die NAO antreibt, ist bis heute ungeklärt; es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf; doch dürften Sonnenaktivität und Meeresströmungen hierbei eine gewisse Rolle spielen.

Milder Januar – diesmal trotzdem teils kalter Restwinter?

Wie bei manch anderen Monaten gibt wegen der Erhaltungsneigung der Hochwinterwitterung die Witterungstendenz zum Monatswechsel Januar/Februar zwar oft grobe Hinweise auf den Witterungsverlauf der kommenden Wochen; diesmal deutet sich aber ein zumindest zeitweise sehr kalter Februar besonders für Südostdeutschland an. Auch hier ist die Luftdruckverteilung zwischen Süd- und Nordeuropa zu beachten. Zwar verliefen die beiden letzten Januartage sowie der Februar-Auftakt windig und mäßig-mild, doch scheint danach hoher Luftdruck über Nord- und Zentral-Europa längere Zeit zu dominieren, was die Temperaturvorhersage erheblich erschwert. Je weiter nördlich bis nordöstlich das Hochzentrum liegt, desto kälter wird es; verbreitet leichte bis mäßige Nachtfröste scheinen sicher, mäßige bis strenge nicht ausgeschlossen. An den Tagen ist zwischen leichten Plusgraden, vorwiegend im Nordwesten, und Dauerfrost noch alles möglich – nur mit ergiebigem Niederschlag kann zunächst kaum gerechnet werden, lediglich geringe bis leichte Schneefälle sind gebietsweise möglich. Und für die Windstromerzeugung sieht es wieder zunehmend flau aus; die Energiekrise wird sich weiter verschärfen. Was ab etwa der Monatsmitte passiert, ist noch unklar und hängt davon ab, ob sich der troposphärische Kältepol nach Grönland/Nordostkanada (Milderung in Mitteleuropa) oder nach Nordosteuropa verlagert (Kälte in Mitteleuropa). Insgesamt dürfte der Februar also recht kühl verlaufen; er erreicht bei weitem nicht das Temperaturniveau des extrem milden Februars 2022 und auch nicht dessen Windstromausbeute. Einem milden Januar folgen, freilich nur sehr grob und tendenziell, ein milder März und ein eher warmer „Jahresrest“ – für sichere Prognosen sind diese Zusammenhänge aber viel zu unsicher.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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