Zirkulationsträge Lagen könnten sich, auch wegen der Übernutzung der Windenergie, häufen. Neben Windmangel ist möglicherweise mit unregelmäßigeren Niederschlägen und längeren Kälte- oder Wärmephasen zu rechnen
Stefan Kämpfe
Ein Hauptmerkmal unseres mitteleuropäischen Klimas war bislang der ständige Wechsel der Großwetterlagen. Geradezu sprichwörtlich ist das Aprilwetter, doch prinzipiell wechselten sich in allen Monaten Hoch- und Tiefdruckgebiete, trockene und regnerische Tage, Wärme und Kälte, Flauten und Stürme, sehr häufig ab. Doch seit etwa den 1990er Jahre scheinen sich zirkulationsträge Wetterlagen zu häufen. Diese äußern sich in fehlendem oder schwachem Wind, längeren Schönwetterphasen und ausgedehnteren Wärme- oder Kälteperioden. Noch mangelt es an der erforderlichen Signifikanz, um diese Phänomene eindeutig zu belegen. Auch eine Ursachenforschung ist schwierig. Neben der seit etwa 2003 deutlich nachlassenden Sonnenaktivität kommen auch die Übernutzung der Windkraft, welche der Atmosphäre kinetische Energie entzieht, sowie eine geänderte Landnutzung (Wärmeinseleffekte im weitesten Sinne) in Betracht. Grund zur Panik besteht nicht, doch muss man in einem Staat, der sich künftig zu einhundert Prozent aus so genannten Erneuerbaren Energiequellen versorgen will, über diese Probleme ernsthaft nachdenken.
Teil 1: Merkmale und Häufigkeitsentwicklung Unbestimmter Wetterlagen
Unbestimmt heißt nicht unbestimmbar – wie erkennt man eine Unbestimmte (XX) Wetterlage?
Gute Wetterbeobachter achten stets auf das Aussehen und Verhalten der Wolken. Dazu gehört auch die Ermittlung der Zugrichtung. Lässt sich diese nur schwer oder gar nicht erkennen, so weist das auf eine mögliche Unbestimmte Großwetterlage hin, welche nach der Nomenklatur der Objektiven Wetterlagenklassifikation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) stets mit der Buchstabenkombination XX beginnt. Auch das längere Auftreten flacher, oft durchscheinender Strato- und Altocumulusfelder, ein ausgeprägter Tagesgang der Bewölkung mit einem Maximum am Nachmittag in Form von Quellbewölkung, Morgennebel, intensiver Taufall oder Reif, ein ausgeprägter Tagesgang der Sichtweite mit einem Maximum am Nachmittag, ganztägig Nebel oder Hochnebel sowie rund um die Uhr ein völlig klarer Himmel, deuten auf eine XX-Lage hin. Während es auch bei vielen „gerichteten“ Wetterlagen völlig normal ist, dass der Wind in der Nacht zumindest teilweise abflaut, fehlt er, speziell im Winter, bei XX-Lagen rund um die Uhr; oder er ist nur schwach und frischt, speziell bei sehr sonnigen Wetterlagen, erst im Laufe des Vormittages auf; erreicht sein Geschwindigkeitsmaximum meist zwischen 12 und 17 Uhr, um danach wieder stark abzuflauen. Dabei kann es zu Richtungsänderungen um 180 Grad zwischen dem sehr schwachen Nacht- und dem stärkeren Tagwind kommen – ein typisches Merkmal für lokale Windsysteme wie Land-See-Wind, Berg-Tal-Wind oder Flurwinde.
In der wärmeren, strahlungsreichen Jahreszeit, etwa so zwischen Mitte März und Ende September, liefert auch das Luftdruckverhalten einen guten Hinweis; es zeigt einen merklichen Tagesgang: Nachts und morgens etwa 1 bis 3 hPa Luftdruckanstieg; vom frühen Vormittag bis zum frühen Abend Luftdruckfall um denselben Betrag.
Alle genannten Merkmale sind bei den antizyklonalen XX-Lagen viel ausgeprägter als bei den zyklonalen Lagen und können selbstverständlich auch bei gerichteten Wetterlagen (solchen mit Anströmrichtung) auftreten – freilich nur bei relativ schwacher Strömungsgeschwindigkeit. Deshalb sind auch stets die Wetterkarten zu sichten. Zeigen diese über Deutschland keine oder nur sehr wenige Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks), so weist das ebenfalls auf eine XX-Lage hin. Zwei sehr ähnliche Wetterkarten-Beispiele aus dem an XX-Lagen sehr reichen Frühling 2022 verdeutlichen das:
Zur Beachtung: Auch Luftmassengrenzlagen, welche Deutschland annähernd in zwei Hälften teilen, können mitunter XX-Lagen sein; doch ist dieser Fall eher selten. Alle Informationen zur Objektiven Wetterlagen-Klassifikation finden sich hier. Von den 40 Wetterlagen der Objektiven Wetterlagen-Klassifikation sind 8 Unbestimmt: XXAAT, XXAAF, XXAZT, XXAZF, XXZAT, XXZAF, XXZZT und XXZZF. Dabei steht die zweite Buchstabenkombination für die Zyklonalität in 950 und 500 hPa (A=antizyklonal, Z=zyklonal) und der letzte Buchstabe T für eine trockene und F für eine feuchte Atmosphäre.
Die Häufigkeitsentwicklung der XX-Lagen
Leider liegen die Daten der Objektiven Wetterlagenklassifikation erst seit Juli 1979 vor. Seitdem wurden Unbestimmte (XX)-Lagen zwar im Jahresverlauf insgesamt sowie vor allem im Sommer und Herbst merklich häufiger, nicht jedoch im Winter und Frühling.
Die drei an XX-Lagen reichsten Jahre 2010, 2013 und 2018 waren Jahre mit auffallenden Witterungsextremen (Hochwasser, Dürren, Kälte- und Hitzewellen) – ein erster, grober Hinweis, dass diese Lagen unser Klima ungünstig beeinflussen könnten. Auch das Hochwasser an der Ahr Mitte Juli 2021 wurde durch XX-Lagen ausgelöst (Wetterlage XXZZF); allerdings gab es solche Hochwasser auch in früheren Jahrhunderten; aktuell häufen sie sich nicht.
Warum bislang trotz der Häufung von XX-Lagen kein Grund zur Besorgnis besteht, zeigt sich am Langfrist-Verhalten der Großwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY. Es gibt bei diesen nämlich mindestens zwei Cluster, welche zumindest grobe Hinweise auf das Verhalten der XX-Lagen vor 1980 liefern können: Die Häufigkeit der Großwetterlagen mit Westanteil, welche seit 1980 signifikant negativ mit der der XX-Lagen korreliert, und die aller meridionalen Lagen (positive Korrelation). Für die Großwetterlagen mit Westanteil sei der Zusammenhang hier beispielhaft gezeigt:
Ein Blick auf die Häufigkeitsentwicklung der Lagen mit Westanteil nach HESS/BREZOWSKY seit 1881 zeigt nun aber folgendes Bild:
Bei einer alleinigen Betrachtung des Großwettertyps West, also ohne die SW- und NW-Lagen, ergab sich allerdings seit 1881 eine merkliche Häufigkeitsabnahme; allerdings korrelieren diese weniger eng mit den XX-Lagen. Sehr interessante Zusammenhänge der Häufigkeitsentwicklungen zeigen sich auch in den einzelnen Jahreszeiten, worauf hier aber aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden soll.
Beeinflussen die Häufigkeitsverhältnisse der XX-Lagen das Temperatur- und Niederschlagsverhalten in Deutschland?
Für die Temperaturen lässt sich diese Frage, was die Hauptjahreszeiten betrifft, eindeutig mit „Ja“ beantworten: Im Winter ist der Zusammenhang mit einem Korrelationskoeffizienten von r=-0,649 sogar deutlich signifikant negativ (Winter 1979/80 bis 2021/22). Viele XX-Lagen deuten also auf tendenziell kältere Winter hin, denn es fehlt dann die gerichtete Zufuhr der milden Atlantikluft. Im Sommer überschreitet der Korrelationskoeffizient r=0,441 (Sommer 1980 bis 2021) die Signifikanzschwelle für 5% Irrtumswahrscheinlichkeit, wenn auch weniger deutlich. Auch hier mangelt es dann an der gerichteten Zufuhr der im Sommer nun kühlen Atlantikluft. Die teilweise sehr lange Hitzeperioden der Sommer 2010, 2013, 2018 und 2020 gingen mit sehr häufigen XX-Lagen einher; der Hitze-Sommer 2003 jedoch nicht. Im Frühling besteht eine nur schwach negative, im Herbst eine schwach positive Korrelation; beide weit unter der Signifikanzschwelle. Im Jahresmittel gleicht sich das alles aus – die Jahrestemperatur wird praktisch nicht beeinflusst. Hingegen sind Jahre mit sehr häufigen XX-Lagen tendenziell trockener (r=-0,401). Viel deutlicher zeigt sich das im Winter (r=-0,583), während im Sommer nur ein nicht signifikanter negativer Zusammenhang (r=-0,179) besteht. In den Übergangsjahreszeiten fehlt jeglicher Zusammenhang. Die bei Landwirten und Gärtnern gefürchtete Frühjahrs- und Frühsommertrockenheit, welche leider auch 2022 regional zu beobachten ist, geht deshalb oft, aber keinesfalls immer, mit einer Häufung von XX-Lagen einher.
Was könnte die Häufigkeitsverhältnisse der XX-Lagen beeinflussen?
Einen gewissen Einfluss übt die Sonnenaktivität aus, welche sich auch bei den Häufigkeitsverhältnissen einiger Großwetterlagen nach HESS/BREZOWSKY bemerkbar macht. Alle Ergebnisse liegen jedoch unterhalb der Signifikanz-Schwelle. In Jahren mit vielen Sonnenflecken (tendenziell höhere Sonnenaktivität) treten XX-Lagen etwas seltener auf (negative Korrelation).
Bei Betrachtung der Jahreszeiten ist dieser negative Zusammenhang im Herbst und Winter noch etwas deutlicher; im Frühling gibt es einen ganz schwachen positiven, im Sommer einen ganz schwachen negativen Zusammenhang. Die Atlantische Mehrzehnjährige Oszillation (AMO), welche vor allem die Häufigkeit der Südwest- und Südlagen nach HESS/BREZOWSKY merklich positiv beeinflusst, zeigt sich zwar im Jahresmittel sowie im Winter, Frühling und Sommer ohne nennenswerten Einfluss; aber im Herbst mit einem deutlich signifikanten, positiven Zusammenhang:
Von gewisser Bedeutung für die Zirkulationsverhältnisse erweist sich auch die QBO (quasi-biennial oscillation). Ist sie negativ (Ostwindphase), so begünstigt das meridionale Großwetterlagen, welche stärker zu Extremwetter neigen. Besonders die Strömungsverhältnisse in der unteren Stratosphäre scheinen die Häufigkeit der XX-Lagen negativ zu beeinflussen; freilich ohne Signifikanz. Am deutlichsten ist der Zusammenhang im Sommer:
Eine letzte, in Betracht kommende natürliche Einflussgröße ist die Flächenausdehnung des Arktischen Meereises. Wird sie geringer, so häufen sich tendenziell die XX-Lagen; allerdings bleibt dieser negative Zusammenhang im Jahresmittel unterhalb der Signifikanzschwelle; im Winter/Frühling ist er sehr schwach, im Sommer besser erkennbar, und im Herbst sogar signifikant. Zusammenfassend lässt sich also eine gewisse Begünstigung der XX-Lagenhäufung durch die aktuell geringe Sonnenaktivität, die AMO-Warmphase (nur Herbst!), die QBO und die Ausdehnung des Arktischen Meereises erkennen; doch wird es hierzu weitere Untersuchungen geben müssen. Und dann ist da noch die mögliche Übernutzung der Windenergie, worauf im zweiten Teil näher eingegangen wird.
Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
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Sollten die Medien irgendwann einmal das grundsätzliche Problem der Zappelstromerzeugung verstehen und der Bevölkerung auch rüberbringen, dann werden die Grünen den Wählern versprechen, dass neuartige Windräder sich immer drehen werden und das Problem wäre gelöst dank grüner Vorausschau. Eine Presse, welche die meteorologischen Wahrheiten nicht kennt, kennt auch keine physikalisch technische Wahrheiten. Die deutsche Presse wird über jede Ideologieblase mit Begeisterung als Problemlösung berichten. Es nützt nur den Grünen, wenn Wissende nicht zur Wahl gehen oder wie ein Bekannter, der zur Wahl geht, aber den Wahlbogen quer durchstreicht.
>>Zirkulationsträge Lagen könnten sich, auch wegen der Übernutzung der Windenergie, häufen. <<
Das ist ja nun kompletter Unfug. Die Variabilität der globalen Zirkulation in der Westwindzone wird durch die Temperaturdifferenz zwischen der Äquatorgegend und der Polarregion bestimmt. Und die ist fast ausschließlich von der Jahreszeit abhängig.
Die zweite Ursache der Variabilität sind die atmosphärischen Wellen in der Zone zwischen 45 °N und 75 °N. Entscheidend sind hier die Wellenzahlen 1 bis 7 oder sogar bis 9. Langanhaltende nahezu konstante Wetterabläufe in großen Gegenden werden meist von den beiden Wellen 2 und 4 verursacht, die dann gewissermaßen stationär bleiben. Liegt dann Mitteleuropa auf der Süd- bzw. Südwestseite des Maximums gibt es extrem heiße Sommer oder extrem kalte Winter. Und dominieren die Wellen 3 und/oder 5, dann herrscht Ostwanderung der Wellen und bei uns meist warmes bzw. kühles Atlantikwetter.
Und wer diesen Effekt untersuchen will, der muß sich schon die globalen Daten der 500-mb-Fläche (Hektopascalfläche nach neuerer Sprechart) beschaffen. Sind allerdings nicht billig vom DWD zu beziehen.
>>Doch seit etwa den 1990er Jahre scheinen sich zirkulationsträge Wetterlagen zu häufen.<<
Die Wetterlagen in der Westwindzone werden von der Temperaturdifferenz zwischen dem Azorenhochgebiet und dem des Pazifik und der Polregion bestimmt. Und die wird durch die Sonneneinstrahlung bestimmt, die von der Fleckenzahl und deren jeweiligen Region zwischen Sonnenäquator und Pol bestimmt wird und desweiteren langjährige (über viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte) Minima und Maxima aufweist. So herrschte zu Zeiten der mittelalterlichen „Eiszeit“ ein Sonnenfleckenminimum. Und das Schmelzen des Polareises seit Beginn der Mitte des letzten Jahrhunderts fällt mit einem Fleckenmaximum zusammen. Zeitgleich hatten wir im Mittelatlantik die stärksten Westwinde die stärksten Hochdruckgebiete. Globale Messungen der Höhe der 500 Millibar-Fläche gibt es erst seit Mitte der 60er Jahre, dann, als die globale Passagierluftfahrt begann und man die Daten benötigte.
Und wodurch die Wolkenmengen und -dichten verursacht werden, dürfte doch auch bekannt sein.
Sehr geehrter Herr Heinzow,
grundsätzliche Zustimmung zu Ihren Ergänzungen! Ich denke ja auch, dass die Sonne der „Hauptübeltäter“ ist – siehe Abb. 13. Und auch AMO und QBO werden wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit solar beeinflusst; hinzu kommen Aerosole (Vulkanaktivität; vielleicht in geringerem Umfang auch anthropogen). Aber bei manchen Wetterlagen ist ein wichtiges Merkmal deren Labilität: Man kann sich so eine Lage wie eine sehr empfindliche, ausbalancierte Waage vorstellen: Ein fallendes Staubkorn reicht,und die Waage neigt sich – unter Umständen entstehen so mehr XX-Lagen, beispielsweise durch die Windenergienutzung oder andere, vom Menschen verursachte Oberflächenveränderungen. Da wäre noch viel Stoff für die Forschungsarbeit, ich verstehe nicht, warum das Thema von der etablierten Klimaforschung nicht beackert wird.
Ich verstehe das schon, Herr Kämpfe! Es würde nämlich etwas herauskommen, das politisch unerwünscht ist!
MfG