Stefan Kämpfe

Alle Jahre wieder: Mit Beginn des meteorologischen Frühlings steigt der Schwülegrad enorm – aber nur für alle Prognostiker, denn die zu Beginn des Meteorologischen Winters vorgestellten Prognosen müssen sich nun am Tag der Wahrheit einer kritischen Prüfung stellen. Anders, als im Vorwinter, unterschätzten die meisten davon diesmal die Milde, erbrachten aber eine gewisse Vorhersageleistung, denn das Klimamittel des Referenzzeitraumes (1990/91 bis 2019/20) lag mit +1,4°C vom realen Eintrittswert des Winters 2021/22 (+3,3°C) noch weiter entfernt, als viele der Prognosen. Es wurden nur Temperaturprognosen bewertet; Aussagen zu Niederschlägen blieben unberücksichtigt.

Bevor die Prognosen nochmals gezeigt und bewertet werden, soll ein Blick auf die Entwicklung der Wintertemperaturen seit dem „Klimasprung“, welcher mit dem Mildwinter 1987/88 in Deutschland begann, geworfen werden. Anders als Sommer und Herbst, erwärmte sich der Winter im Deutschland-Mittel seitdem nur unwesentlich. Mit 3,3°C zählt der abgelaufene Winter bei unseren momentanen Klimabedingungen, wie sie seit 1988 herrschen, zu den deutlich milden Wintern. Keiner der drei Wintermonate wies aber seit 35 Jahren einen signifikanten Trend auf: Während sich der Dezember noch leicht und der Februar kaum erwärmte, kühlte der Januar unwesentlich ab. Offenbar scheint die winterliche Klimaerwärmung in Deutschland ausgereizt – viel mehr als allerhöchstens um die 5°C kann ein Winter hierzulande wohl nicht erreichen, und auch dafür müsste praktisch durchweg so windiges Westwetter herrschen, wie im Februar 2022.

Abbildung 1: Kaum winterliche Erwärmung auch bei den Einzelmonaten in Deutschland seit 1987/88 – trotz deutlich steigender CO2-Konzentrationen und des deutlich zu milden Winters 2021/22. Diese DWD-Daten sind nicht WI-bereinigt; andernfalls wären die Trends am Ende um wenige Zehntelgrad niedriger. Selbstredend, dass auch der Gesamtwinter (hier nicht gezeigt) seit 1988 nur noch eine unwesentliche Erwärmung erfuhr und die stark steigende CO2-Konzentration keinen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Wintertemperaturen hatte.

Wie leicht sich Kälte bei Hochdruckwetter etablieren kann, zeigte der Ausklang des meteorologischen Winters: Ganz ohne Kaltluftzufuhr oder Schneebedeckung wurden in einer gealterten Subpolarluft nach klarer Nacht am Morgen des 28. Februar 2022 fast überall in Deutschland Fröste zwischen minus 1 und minus 8°C registriert (Sonnenstand und Tageslänge entsprechen da schon wieder der von etwa Mitte Oktober).

Abbildung 2: Außer unmittelbar an den Küsten überall im Nordwesten leichter, im Südosten teils auch mäßiger Strahlungsfrost am Morgen des 28.02.2022. Eine Schneedecke, welche normalerweise Strahlungsfröste verstärkt, fehlte im Tiefland völlig. Bildquelle: wetterzentrale.de

Europa, die milde Insel der Glückseligkeit im sonst eher kalten Nordwinter 2021/22?

Im Dezember konnte man noch auf Winterkälte hoffen – außer den unerwünschten Westlagen gab es auch ein paar Tage mit kälterem Nord- und Ostwetter. Aber im Laufe der Zeit verlagerte sich der troposphärische Kältepol nach Nordostkanada, was die Tiefdrucktätigkeit auf dem Nordatlantik anfachte. Die Sturmtiefs zogen dann nach Europa. Folgerichtig verlief dieser Winter der Nordhalbkugel fast nur in Mittel- und Westeuropa nahezu durchgängig sehr mild, was eben seine Ursache in der hier stark dominanten nordwestlichen bis westlichen Anströmrichtung hatte („milder“ Atlantik- und Nordseeeinfluss). Schon in Nordeuropa gab es wenigstens im Dezember recht kalte Phasen, das arktische Meereis wuchs stärker, als in den Vorjahren, und besonders in Nordamerika und Ostasien, aber auch im Nahen bis Mittleren Osten sowie in Indien häuften sich Berichte über Kälte- und Schneerekorde – wie schon im Südwinter 2021. Näheres finden Interessierte in den zahlreichen Kältereports von Christian Freuer beim EIKE, beispielsweise hier.

Die Bewertung der Langfrist-Vorhersagen einiger Institute, Wetterdienste und Privatpersonen

Zuerst wird im Folgenden nochmals die ursprüngliche Prognose gezeigt; darunter erfolgt jeweils die Bewertung; meist auf die CLINO- Periode 1991 bis 2020 bezogen, abweichende Referenz-Zeiträume sind in den betreffenden Prognosen genannt. Eine Bewertung mit objektiven Maßzahlen wie etwa dem Root Mean Square Error (rmse) oder der Reduktion der Varianz (RV) war leider bei keiner Prognose möglich; da man hierfür eine genaue Prognosezahl benötigt. Bei Intervallangaben wurde ein „Treffer“ daher mit Note 2 bewertet, wenn er dieses vorhergesagte Intervall traf; verfehlte er dieses um nicht mehr als +/- 0,5 Kelvin, so ergab das Note 3, darüber bei bis zu +/- 1K Abweichung Note 4; bei noch mehr Abweichung Note 5, über +/- 2 K Note 6. Bei Prognosen mit mehreren Teilprognosen (etwa für den gesamten Winter und die 3 Einzelmonate) wurden diese einzeln ebenso gewertet und dann die Gesamtnote gemittelt. In die Bewertung wurde auch einbezogen, ob genauere Vorhersagen über den Gesamtwinter hinaus zu Einzelmonaten erfolgten. Fehlten diese ganz, so wurde um eine Note abgewertet. Wo Bezugswerte und/oder konkrete Zahlenprognosen ganz fehlten, wurde ebenfalls um eine Note abgewertet. Reine Wahrscheinlichkeitsaussagen konnten, sofern sie in etwa zutrafen, bestenfalls die Note 4 erhalten, weil ihr Aussagewert einfach zu gering ist.

Vorab die als Bewertungs-Richtwert dienenden Daten: CLINO 1991 bis 2020 für das DWD-Mittel: Dez. +1,8°C Jan +0,9°C Feb. +1,5°C Winter +1,4°C. Eintrittswerte Winter 2021/22: Dez. +2,6°C Jan. +2,8°C Feb. +4,5°C Winter +3,3°C

UKMO-Metoffice (Großbritannien): Stand 11.11.2021 Winter (D, J, F) mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in ganz Deutschland zu mild (folgende Karte):

Anmerkung: Hier wird nur die Metoffice-Karte mit der Wahrscheinlichkeit des Abweichens vom Median gezeigt. Es gibt zwei weitere. Diese Median-bezogene Wahrscheinlichkeitsaussage zeigt, wie die anderen Karten auch, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für über dem Median liegende Wintertemperaturen besonders über der südlichen Arktis, der nördlichen Ostsee und Teilen des Mittelmeeres:

Die aktuellen Karten jederzeit hier

Benotung: Die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass das Wintermittel über dem CLINO-Median liegen würde, trat ein, Note 4.

Meteo Schweiz Stand Nov. 2021: Leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen normalen und etwa 45% für einen zu milden Winter. Zusammen ergibt das eine Wahrscheinlichkeit von gut 85% für „normal“ bis „zu mild.“ Zu kalter Winter zu kaum 15% wahrscheinlich. Die „doppelten T“ sind die Fehlerbalken; die Prognose gilt nur für die Nordostschweiz, ist aber auch für Süddeutschland repräsentativ:

Benotung: Auch in der Nordostschweiz verlief dieser Winter zu mild, was grob vorhergesagt wurde, Note: 4.

Donnerwetter.de Stand 11. November 2021: Die „Prognosen“ lagen dekadenweise ab der zweiten Dezemberdekade vor. Fast alle Dekaden sollen mehr oder weniger zu kalt ausfallen, so dass ein insgesamt um etwa 3K zu kalter Winter in Berlin zu erwarten wäre (Prognose hier nicht gezeigt, da bildlich schwer darstellbar; siehe hier unter Kapitel 11 „Langfristprognosen“.

Benotung: Von der dritten Dezember-Dekade einmal abgesehen, krasse Fehlprognose ohne jeden Wert, Note 6.

ZAMG (Wetterdienst Österreichs) Stand Mitte Nov. 2021: Dezember mit leicht erhöhter Wahrscheinlichkeit zu kalt, immerhin noch gut 30% Wahrscheinlichkeit für einen normalen und etwa 25% für einen zu milden Dezember. Im Januar 2022 ähnliche Verhältnisse; für Februar lag noch keine Aussage vor. Die Aussagen gelten bestenfalls auch für Süddeutschland; vor allem für das südliche Bayern und Baden-Württemberg (Prognose hier)

Benotung: Auch in Österreich verliefen der Dezember und der Januar zu mild, der Januar etwas weniger deutlich, als in Deutschland. Insgesamt deutliche Unterschätzung, Angaben zum Februar und zum Gesamtwinter fehlten, Note: 6.

LARS THIEME (langfristwetter.com) Vorhersage von Anfang November 2021. Siehe folgende Tabelle (die Prognosen beziehen sich auf die CLINO-Normalperiode von 1981 bis 2010 und gelten vorwiegend für das ostdeutsche Flachland). Es soll danach einen normal temperierten Dezember, einen zu milden Januar und einen sehr milden Februar geben; der Winter verliefe insgesamt zu mild:

Benotung: Dezember um etwas mehr als 1K deutlich unterschätzt, Note 4. Januar grob getroffen, Note 3. Februar gut getroffen, Note 2. Abwertung auf Gesamtnote 4, weil konkrete Zahlenangaben zu den erwarteten Monatsmitteln ganz fehlten.

IRI (folgende Abbildung), Vorhersage vom Nov. 2021: Besonders in Mittel- und Norddeutschland erhöhte Wahrscheinlichkeit für übernormale Wintertemperaturen:

Benotung: Grob richtige Einschätzung eines zu milden Gesamtwinters, Note 4.

DWD (Offenbach): In Deutschland etwa 0,5 bis 1°C zu mild, bezogen auf den Klimamittelwert der Jahre 1990 bis 2019, der ca. knappe 1,4°C beträgt (Stand 8. Nov. 2021):

Benotung: Der eigentlich unübliche Bezugszeitraum 1990-2029 weist ein Wintermittel von knapp 1,4°C auf, daher Unterschätzung des Winters um etwa 1K, Note 4.

NASA (US-Weltraumbehörde) Karten vom November 2021: Dezember in Nordwestdeutschland etwas zu kühl, sonst normal, Januar und Februar insgesamt um etwa 0,5 bis 1K zu mild:

Benotung: Dezember um etwa 1K unterschätzt, Note 4. Januar um reichlich 1 K unterschätzt, Note 5. Februar um etwa 2 K unterschätzt, Note 5, Gesamtnote 5

CFSv2- Modell des NOAA (Wetterdienst der USA, folgende 3 Abbildungen, Eingabezeitraum 15. bis 24.11. 2021): Winter insgesamt etwa 0,5 bis 1,0 K zu mild. Dezember (oben) in Norddeutschland 0,5 bis 1 K zu mild, sonst normal, Januar (Mitte) temperaturnormal bis 1 K zu mild, Februar (unten) 1 bis 2 K zu mild. Die vorhergesagten Temperaturabweichungen beziehen sich auf die Mittelwerte der Periode 1981 bis 2010. Diese experimentellen, fast täglich aktualisierten, aber unsicheren Prognosen hier (Europe T2m, ganz unten in der Menütabelle; E3 ist der aktuellste Eingabezeitraum):

Benotung: Dezember leicht um etwa 0,5K unterschätzt, Note knappe 3. Januar um etwa 1 K unterschätzt, Note 4. Februar um reichlich 1K unterschätzt, Note 4. Gesamtnote 4.

Fazit (Prognose des Autors vom 25.11.2021): Eindeutige, verlässliche Anzeichen für einen sehr kalten oder extrem milden Winter fehlen; die meisten Signale deuten auf einen bestenfalls normalen, wahrscheinlich aber eher etwas zu milden Winter hin, der aber eventuell kältere Abschnitte oder einen zu kalten Monat aufweisen wird. Die Vorhersagen der Wetterdienste und Institute tendieren auch bei großer Unsicherheit in Richtung eines normalen bis milden Winters. Gewisse Hoffnungen auf Kälte machen die seit 2018 besonders massiven Zirkulationsstörungen (häufige Blockierung der Westdrift). Insgesamt fällt der Winter 2021/22 nach momentanem Stand also bei großer Unsicherheit normal bis mild aus und wird im Deutschland-Mittel auf +0,5 bis +3,5°C geschätzt (LJM 1991 bis 2020 +1,4°C). In den Kategorien „zu kalt“, „normal“ und „zu mild“ stellen sich die Wahrscheinlichkeiten des Winters 2020/21 folgendermaßen dar:

Die Schneesituation für Wintersport ist besonders in Lagen über 800m schon Anfang Dezember recht gut. Geschätzte Dezember- Monatsmitteltemperatur für Erfurt-Bindersleben (Mittel 1991- 2020 +0,8°C) +0,5 bis +3,5°C (normal bis mild). Für Jan/Feb. 2022 lässt sich noch kein Temperaturbereich schätzen; doch deuten viele Signale auf einen eher normalen bis mäßig-milden Januar und einen sehr milden Februar hin. Das Schneeaufkommen nach Mitte Dezember ist kaum vorhersehbar (langfristige Niederschlagsprognosen sind besonders unsicher); doch dürften die intensiven Schneefälle ab Ende November zumindest in der Adventszeit Wintersport ab den höheren Mittelgebirgslagen zulassen. Zur Winterlänge fehlen bisher ebenfalls noch Hinweise. Die Hochwinterwitterung (Jan/Feb.) kann erst anhand des Witterungstrends zum Jahreswechsel etwas genauer abgeschätzt werden; momentan ist ein eher milder Hochwinter am wahrscheinlichsten. Sollte der Dezember aber eher kühl ausfallen, so erhöht das die Wahrscheinlichkeit für einen kalten Hochwinter 2022, besonders im Januar, zumindest etwas.

Dieses Fazit wurde aus 15% der Tendenz der Bauern- Regeln, 10% Sonnenaktivität, 20% Zirkulationsverhältnisse, 15% Mittelfrist- Modelle, 10% NAO, AMO,QBO, Polarwirbel, 15% Analogfälle, und 15% der vorwiegenden Tendenz der Langfristprognosen gewichtet.

Benotung: Das Erfurter Dezembermittel betrug +2,2°C (Treffer, Note 2). Das Deutschland-Wintermittel wurde knapp getroffen, Note knappe 2. Insgesamt wurde die Milde dieses Winters aber unterschätzt; deshalb und wegen der weiten Schätz-Intervalle Abwertung auf Gesamtnote 3.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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