Stefan Kämpfe

Die Dezemberwitterung 2021 entsprach mit einem Mix aus milden und winterlichen Phasen recht gut den Erwartungen; um Weihnachten sorgte eine scharfe Luftmassengrenze, mit welcher die Wettermodelle große Mühe hatten, mancherorts selbst dort für Schnee, wo dieser eher selten auftritt (Flachland) – fast eine Wiederholung des Kälteeinbruches vom Februar. Wieder einmal zeigte sich: Den Winter mit Schnee gibt es trotz aller Unkenrufe doch noch, und nicht die CO2-Konzentration, sondern die Häufigkeitsverhältnisse der Großwetterlagen mit ihren Luftmassen bestimmen die Temperaturverhältnisse sowohl kurz- als auch langfristig.

Wechselhafter, nur etwas zu milder Dezember 2021 mit weißer Weihnachts-Überraschung – die winterliche Erwärmung scheint ausgereizt

Wegen der sehr milden, letzten fünf Tage „rettete“ sich dieser Dezember noch auf ein Deutschland-Mittel von geschätzten 2,5°C. Damit blieb er etwas kühler, als in den letzten Jahren (2017 bis 2020 immer deutlich über 2,5°C), aber noch etwa 0,7 K über dem „aktuellen“ CLINO-Wert (1991 bis 2020) von 1,8°C. „Katastrophale Klimaerwärmung“ sähe wohl anders aus, zumal die DWD-Daten nicht von Wärmeinseleffekten bereinigt sind. Betrachtet man die gesamte Klimareihe seit 1881, so fallen, von der kurzen Zeit vor 1900 einmal abgesehen, immer wieder sehr milde Dezembermonate mit deutlich mehr als 3°C auf, so um 1915, um 1974 und um 2015.

Abbildung 1: Anders, als bei den meisten anderen Monaten, weist der Dezember in Deutschland keine eindeutigen, markanten Klimasprünge auf. Einer leichten Erwärmung bis etwa 1934 folgte eine Stagnationsphase, die mit dem Jahre 1974 und damit etwa anderthalb Jahrzehnte eher endete, als bei den meisten Monaten. Vom „Ausreißer“ 2015 einmal abgesehen, dominieren seitdem mäßig-milde Dezember zwischen 1,5 und 3,5°C. Bei WI-Bereinigung hätte diese milde Phase ab 1974 jedoch nur 1 bis 1,4°C erreicht. Die grüne Kurve (Entwicklung der CO2-Konzentration) sagt nichts über die Klimasensitivität des CO2; sie soll lediglich verdeutlichen, dass die Temperaturentwicklung nicht gut zur immer schneller steigenden CO2-Konzentration passt.

Neben milden Phasen um die Monatsmitte und am Monatsende wies dieser Dezember eine kühlere erste Dekade und eine vor allem in Nordostdeutschland sehr frostige Weihnachtswoche auf.

Abbildung 2: Minimum-Temperaturen am 25. Dezember 2021. Während im Nordosten mäßiger bis teils sehr strenger Frost herrschte, vereinzelt unter minus 15 Grad, blieb der Südwesten frostfrei – und das bei annähernd gleicher CO2-Konzentration von etwa 420ppm. Bildquelle: wetterzentrale.de

Ursache war eine scharfe Luftmassengrenze, welche extrem kalte Luftmassen (cA, xA, cP) von milder Meeresluft trennte.

Abbildung 3: Ausschnitt aus der Bodenwetterkarte vom 25. Dezember 2021, 13 Uhr. Man erkennt drei bestimmende Druckgebiete: Das mit höhenkalter Luft ausgefüllte Skandinavien-Tief lenkte diese nach Norddeutschland, wo sie in den Nächten unter einem schwachen Nordmeer-Hochkeil extrem auskühlte. Eine Tiefdruckrinne vom Nordatlantik nach Südosteuropa verhinderte jedoch, dass die Kaltluft ganz Mitteleuropa erreichen konnte. Bildquelle: wetter3.de

Schon in der ersten Dezember-Dekade entwickelten sich ähnliche, aber schwächere Luftmassengrenzen, und im Februar hatten wir eine der Weihnachts-Wetterlage grob ähnliche, noch intensivere Entwicklung; Näheres dazu hier.

Die Prognose-Schwierigkeiten der Wettermodelle

Wegen des Schmetterlingseffekts (englisch butterfly effect), einem Phänomen der Nichtlinearen Dynamik, sind mitunter schon exakte Vorhersagen für wenige Tage im Voraus unmöglich. Er tritt in nichtlinearen dynamischen, deterministischen Systemen auf und äußert sich dadurch, dass nicht vorhersehbar ist, wie sich beliebig kleine Änderungen der Anfangsbedingungen des Systems langfristig auf die Entwicklung des Systems auswirken. Luftmassengrenzen gehören fast stets zu diesen Situationen. Für etwa eine Woche im Voraus sind Wetterprognosen bei solchen Situationen völlig wertlos; zwei Vorhersage-Beispiele verdeutlichen das:

Abbildungen 4a und 4b: Das Bild oben (4a) zeigt die vorhergesagten Minimum-Temperaturen über Mitteleuropa aus den Berechnungen vom 20. Dezember 2021, 6-UTC-Lauf, für den 28.12., 6 UTC. In ganz Mitteleuropa sollte Frost herrschen; im nördlichen Mittelgebirgsraum extremste Kälte von unter minus 20°C. Unten (4b) der Modell-Lauf vom 21.12, 6UTC, für denselben Vorhersagetermin. Nun sollten am Morgen des 28.12. bis zum nördlichen Mittelgebirgsraum deutliche Plusgrade herrschen, leichter Frost nur noch im Nordosten. Für manche Gebiete ist das ein Prognose-Unterschied von fast 30°C! Die spätere Vorhersage traf die Realität dann deutlich besser, wies aber auch noch erhebliche Fehler auf.

Wie geht es weiter mit dem Winter 2021/22?

Für die ersten Januartage müssen wir die Hoffnung auf Winterwetter zumindest im Flachland erst einmal begraben. Noch gibt es einige vielversprechende Modell-Läufe für etwa ab dem 10. Januar, welche sich aber momentan noch im völligen Unsicherheitsbereich befinden. Die Kälte könnte dann aus Norden oder Nordosten zurückkehren. Wetter hat ein Gedächtnis („Persistenz“), so dass Wiederholungen der Dezember-Witterung nicht völlig unwahrscheinlich sind. So sieht das auch das freilich nur experimentelle CFSv2-Modell, welches schon seit einigen Wochen einen normal temperierten Januar erwartet:

Abbildung 5: Das amerikanische CFSv2-Modell erwartet seit einigen Wochen einen normalen Januar; hier der Eingabezeitraum vom 17. bis zum 26. Dezember. Bildquelle: NOAA

Auch ein schwächelnder Polarwirbel nährt die Hoffnungen auf eine Rückkehr des Winters im Januar:

Abbildung 6: Für den 11. Januar wird nur ein schwacher Polarwirbel, hier die 10-hPa-Temperaturen, vorhergesagt. Bildquelle: meteociel.fr

Leider sprechen viele Regeln auch gegen längere winterliche Phasen im Januar; besonders der sehr milde September und die Tatsache, dass sich die Witterung um den Jahreswechsel meist über längere Zeit fortsetzt („Dreikönigstags-Regel“). Auch die meisten Ensemble-Läufe sehen eher einen Fortbestand der milden Witterung bis weit in den Januar:

Abbildung 7: Nach dieser Ensemble-Variante (Mittelung zahlreicher Modell-Läufe mit leicht variierten Anfangsbedingungen) steht am 10. Januar hohem Luftdruck über SW-Europa tiefer über Skandinavien gegenüber, was eher mildes Wetter im Flachland bedeutet; die Unsicherheit ist aber noch sehr groß.

Für den Januar sind also nur zwei Szenarien recht unwahrscheinlich – er wird weder anhaltend extrem kalt, aber auch nicht anhaltend extrem mild, verlaufen. Und der Februar? Seit Monaten sieht das CFSv2 konstant einen extrem milden Verlauf vorher:

Abbildung 8: Das amerikanische CFSv2-Modell erwartet schon seit Monaten einen sehr milden Februar; hier der Eingabezeitraum vom 17. bis zum 26. Dezember. Bildquelle: NOAA

Allerdings lässt sich die Februar-Witterung meist erst anhand der Witterungstendenz um den Monatswechsel Januar/Februar einigermaßen abschätzen. Auf zwei Umstände, welche unsere weitere Winter-Witterung noch beeinflussen könnten, soll noch verwiesen werden. Erstens das seit dem Frühherbst sehr kräftige Wachstum des arktischen Meereises; das könnte besonders im Spätwinter und Frühling Kaltluftvorstöße nach Mitteleuropa begünstigen.

Abbildung 9: Viel stärkeres Flächenwachstum des arkt. Meereises 2021 (hellblaue Linie) als im langjährigen Mittel (graue Linie). Bildquelle: nsidc.org

Und dann ist da noch die enorme Kälte in Zentral- und Ostsibirien, welche aber nur bei einer längeren, kräftigen Ostwetterlage zu uns gelangen könnte.

Abbildung 10: Überall Temperaturen zwischen minus 35 und minus 50°C in Ost- und Zentralsibirien schon am kalendarischen Winteranfang; der kälteste Monat ist dort erst der Januar. Je hellvioletter, desto kälter ist es. Bildquelle: windy.com

Die ursprüngliche Wintervorschau des Autors ist hier hier zu finden.

 

Zusammengestellt von Stefan Kämpfe, unabhängiger Klimaforscher, am 27.12. 2021

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