von Frank Hennig
Viele „energieflexible Fabriken“ sollen künftig zur zeitlichen Entkopplung von Stromangebot und -nachfrage führen. Digitalisierung, Flexibilisierung, Effektivität als Leitplanken auf dem Weg in die dekarbonisierte Welt. Vision oder belastbarer Ansatz?
Auf dem Weg in die lichte Energiewende-Zukunft wird immer mehr Beteiligten klar, dass diese etwas düster ausfallen könnte, wenn man sich nicht etwas Neues abseits des Mantras „mehr Wind, mehr Sonne“ einfallen lässt. Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) veröffentlichte Anfang November eine Studie zum Thema „Die energieflexible Fabrik“. Darin werden Flexibilitätsoptionen in der Industrie untersucht, mit denen dem schwankenden, wetterabhängigen und immer weniger regelfähigen Stromangebot begegnet werden soll.
Die „erzeugungsorientierte Verbrauchersteuerung“ soll projektbezogen untersucht, eine zeitliche Entkopplung der Produktionsschritte zwecks Verbrauchsregelung angestrebt werden. Es seien in den Betrieben interdisziplinäre Projekte aufzusetzen, deren Kosten, wie in solchen Studien üblich, nicht thematisiert werden. Unterschätzt wird auch der Rückgang des künftigen Stromangebots. An Beispielen aus der Lebensmittel-, Aluminium- und Papierindustrie sowie bei Luftzerlegungsanlagen und beim Fahrzeugflottenmanagement werden Möglichkeiten aufgezeigt. Technisch ist vieles machbar, bemängeln muss man die hochtheoretische Herangehensweise und die Nichtbeachtung wirtschaftlicher wie energetischer Zusammenhänge.
Wir leben in einem – noch – hochindustrialisierten Land mit einem hohen Grad an Arbeitsteilung und Just-in-Time-Lieferketten. Große Teile der Grundstoffindustrie arbeiten rund um die Uhr, weil die kapitalintensiven Produktionsmittel eine Amortisation des eingesetzten Kapitals nur dann ermöglichen, wenn die Betriebsstundenzahl möglichst hoch ist. Im TE-Magazin (12/21, Seite 66, „Rohstoff der Digitalwelt“) beschrieb Holger Douglas eindrucksvoll eine Chipfabrik, für deren 20-Milliarden-Investition die Auslastung über Jahre im 24/7/365-Modus gesichert sein muss. In Taiwan ist offenbar die durchgehende Stromversorgung solcher Boliden kein Problem.Stillstandszeiten kosten Geld und belasten die Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Die wirtschaftlichen Folgen schwankender oder unterbrochener Produktion werden in der Studie kaum ausgeführt. Auch eignen sich bei Weitem nicht alle Industriebetriebe für solchen energieflexiblen Betrieb. Eine Aluminiumschmelze kann mit zusätzlichem Aufwand mit schwankendem Strom betrieben werden, eine Glasschmelze nicht. Wenn diese erkaltet, muss man die Wanne komplett abreißen. Desgleichen erfordern viele Technologien der Stahlindustrie und der Chemieindustrie konstanten Strom.
Gehen wir wie die Studie von der Dekarbonisierung bis 2045 aus, dann stehen eingeschränkt regelfähig nur noch Erzeuger aus Biomasse, Wasserkraft und Reststoffverbrennung sowie eine nicht vorhersagbare Menge Importstrom zur Verfügung. Dies reicht bei Weitem nicht für die Grundlast. Überschussstrom für die Gewinnung grünen Wasserstoffs wird es kaum geben, weil an wind- und sonnenreichen Tagen die Produktionsrückstände aufgeholt werden müssten. Bereits in diesem Jahr werden sich die Stunden negativer Preise – Zeichen für deutlichen Überschuss des am Bedarf vorbei produzierten Stroms – gegenüber 2020 etwa halbieren. Wie viel grünen Wasserstoff wir dann importieren können (und zu welchem Preis), weiß heute niemand.
Nicht berücksichtigt wurde die Schwankungsbreite im künftigen dekarbonisierten System. Mit etwas Hoch- und Herunterregeln der Verbraucherseite ist die Sache nicht getan, eine mehrtägige Dunkelflaute würde nicht nur zum Drosseln der Produktion, sondern zu deren Einstellung führen.
Gewürfelte Produktion
Die Folgen einer solchen flexiblen Fahrweise bleiben komplett unerwähnt. Wie viele Rohstoffe kann man als Firma für das kommende Quartal bestellen? Welche terminierten Lieferzusagen sind möglich? Windprognosen sind für maximal drei Tage zutreffend und auch dann noch unsicher. Dazu eine überschlägige Rechnung: Wir haben derzeit eine installierte Windleistung von etwa 64 Gigawatt (GW) bei etwa 30.000 Anlagen. Nehmen wir also vereinfachend an, es handelt sich bei allen Anlagen um solche der 2-Megawatt-Klasse. Anhand der Kennlinie einer beispielhaften Enercon E82-E2-2.000 wirkt sich eine Fehlprognose um nur einen Meter pro Sekunde (m/s) Windgeschwindigkeit wie folgt aus:
– Die vorhergesagte Windgeschwindigkeit beträgt zum Beispiel 10 m/s;
– in der Realität treten dann nur 9 m/s auf (das entspricht einer Abweichung nach unten von 36 auf 32 Kilometer pro Stunde);
– die realisierte Windstromeinspeisung weicht dann um 13.000 Megawatt von der Prognose ab; das entspricht der Leistung von mehr als acht Kernkraftwerken.
Die gesamte Schwankungsbreite des Windstromangebots umfasste bereits im Oktober 2021 einen Bereich von mehr als 46 Gigawatt (7.10./7:30 Uhr: 0,35 GW / 21.10./11 Uhr: 46,68 GW). Hinzu kommen die extremen Schwankungen der Solarstromeinspeisung. Ohne vollständiges Backup hilft künftig nur das Abschalten. Bei dem zu erwartenden weiteren Ausbau der Wind- und Solarenergie nehmen die Unwägbarkeiten weiter zu.Die Echtzeit-Differenzen müssten bei den industriellen Verbrauchern in unplanbaren Feuerwehraktionen ab- oder hochgeregelt werden. Zusätzlich entfallen die bisher kostenlose Momentanreserve und die Primärregelleistung der konventionellen Kraftwerke, durch die schnelle und kleine Frequenzabweichungen quasi im Selbstlauf glattgebügelt werden. Diese Funktionen könnten durch feinfühlige Verbrauchersteuerung ersetzt werden, es könnte Primärregelleistung angeboten und vermarktet werden. Auch geeignet wären dafür Großbatterien, die verzögerungsfrei arbeiten, aber in einer Größenordnung von etwa drei Gigawatt installiert sein müssten. Investoren und Termine: unbekannt. Diese Form der Feinregelung hilft jedoch nicht gegen die große Schwankungsbreite volatiler Erzeugung.
Hoch und runter
Man stelle sich vor, bei Tesla in Grünheide treten die 800 Leute der Frühschicht nach einer Stunde wieder den Heimweg an, weil die Produktion flexibel gefahren wird. Was würde wohl Elon Musk dazu sagen? Er denkt global und zöge Konsequenzen. Beim abgeregelten Trimet-Konzern steht ein Liefertermin in Frage. Lässt sich der Kunde vertrösten, ohne seine nächste Bestellung woanders aufzugeben?
Die Abregelung von einzelnen Betriebsteilen eröffnet neue Logistikprobleme. Stehen die Trocknungsöfen in der Lackiererei, kommt die vorgelagerte Produktion nach einiger Zeit auch zum Erliegen, es sei denn, man schafft neue Lagerflächen. Werden zuerst die vorgelagerten Herstellungsschritte, zum Beispiel die Druckgussmaschinen, gestoppt, bricht der nachfolgende Prozess zusammen.
Wie soll der Personaleinsatz koordiniert werden? Tarifverträge sehen üblicherweise für flexibel geänderte Arbeitszeiten Ankündigungsfristen von drei bis sieben Tagen vor. Das wäre unter den betrachteten Bedingungen nicht mehr möglich, die Arbeitnehmer müssten buchstäblich auf Zuruf zur Arbeit kommen oder gehen – auch am Wochenende. In Zeiten längerer Flauten stellt sich dann die Frage der Kurzarbeit, für die die Beschäftigten ihre Beiträge einzahlen, die aber nicht für solche Fälle gedacht ist.Ein System energieflexibler Fabriken kann zudem nicht nur wie heute auf vertraglicher Basis zwischen Betrieb und Netzbetreiber realisiert werden. Derzeit gibt es Vereinbarungen zu sofort abschaltbaren Lasten und schnell (innerhalb von 15 Minuten) abschaltbaren Lasten. Um überhaupt die nötigen Kapazitäten zu erschließen, müssten diese Regelungen auf die gesamte Industrie ausgeweitet werden. Ein solches System der „angebotsorientierten Versorgung“ (© by Bündnis 90 / Die Grünen, Sylvia Kotting-Uhl) ließe sich auch nicht solitär für die Industrie umsetzen, es würde Öffentlichkeit und Haushalte ebenso betreffen. Deshalb wäre der Staat mit im Boot, der die sozialen Folgen im Auge haben muss.
Dabei stellen sich komplizierte und detaillierte Fragen der Abwägung und Priorisierung; der Staat käme um die Strom-Triage nicht herum:
– Eher ins Lademanagement von E-Mobilen eingreifen oder in den Bahnverkehr?
– Eher Haushalte abschalten oder Lebensmittelhersteller?
– Wärmepumpen abschalten oder Ladestationen?
– Behörden abschalten oder Handwerksbetriebe?
– Eher große Lastsenken abschalten (Industriezentren/Städte) oder flächendeckend die Provinz?
Je nach Lastlage in den regionalen Netzen können sich diese Fragen täglich anders stellen. Umfangreiche Gesetzesänderungen und eine weitere Re-Regulierung würden die Folge sein. Ackern im nationalen regulatorischen Schrebergarten gegen den globalen Klimawandel wäre die Folge. Zu den vorhandenen 13.750 Einzelnormen im Energierecht kämen weitere hinzu, die den Bürokratieaufwand und damit die Kosten treiben.
Auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) würde novelliert werden müssen, es spricht im Paragrafen 1 von „möglichst sicherer, preisgünstiger, verbraucherfreundlicher, effizienter und umweltverträglicher leitungsgebundener Versorgung“. Abgesehen davon, dass es schon heute permanent verletzt wird, impliziert der Begriff der „Versorgung“ immer eine Bedarfsgerechtheit seitens der Lieferanten, die dann nicht mehr einzuhalten wäre.
Entlastend wirkt die bereits eingesetzte Abwanderung oder Schließung energieintensiver Unternehmen, es folgen Zulieferindustrie und Teile des Mittelstands. Die Automobilindustrie fährt auch bereits die Rampe hinab. Selbst wenn dieser Prozess nur langsam geht oder hoffentlich beschränkt bleibt, werden ausländische Investoren nicht mehr kommen. Elon Musk baut seine Fabrik nicht bei uns, weil die Bedingungen dafür so toll sind, sondern weil er es sich leisten kann, im Mutterland des Automobils ein Zeichen zu setzen.Am Ende erfolgt fast zwangsläufig – einer Ingenieursorganisation im Grunde unwürdig – der Ruf nach mehr Staat und mehr Geld vom Staat. Es müssten mehr „Anreize“ gesetzt werden, natürlich kann es der Markt nicht mehr richten. Das Geld könne aus den Einnahmen der CO2-Steuer kommen (dann fehlt es zur Entlastung der Bürger vom Strompreis) oder eben aus dem Staatshaushalt. Dieser ist beliebig dehnbar, und der Weg des Euro zu einer Weichwährung ist bereits eingeschlagen.
So bleibt die VDI-Studie vergleichbar mit vielen anderen Ausführungen von Instituten und Einrichtungen, die am grünen Tisch Zahlen hin und her schieben und wesentliche Auswirkungen auf das Umfeld ignorieren. Niemand sagte den Mangel an Ammoniak nach steigenden Gaspreisen voraus, und niemand weiß, welche Querverbindungen sich auftun, wenn Strom noch teurer und dann noch knapp wird. Zudem sind die wichtigen Fragen der Kosten, der Auswirkungen im globalen Wettbewerb und der Akzeptanz nicht betrachtet worden.
Nun wird grüne Politik die Weichen stellen. Cannabis statt Kohle, Quote statt Qualität. Wir regeln dann mal ab.
Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier
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Eine Zusatzinfo zu „Hoch- und Herunterregeln der Verbraucherseite“:
Für DSM (Demand Side Management) werden vor allem von Grünen allgemein gerne phantastische Energieeinsparungen bis hoch zu 30% genannt.
Das bayerische Wirtschaftsministerium hat von 01/14 bis 05/16 ein Experiment durchgeführt. Von den über 600.000 Firmen Bayerns wurden 400 besonders Erfolgversprechende ausgesucht,davon reagierten nur 166 auf ein Anschreiben, 52 davon ließen sich einen Maßnahmenkatalog zusenden.
30 von 600.000 Firmen nahmen schlußendlich teil. Diese 30 (ausgesucht passendsten) hatten nach knapp 2,5 Jahren eine beeindruckende Ersparnis von sagenhaften 0,1%, also immerhin 1 Promille.
Am 19.4.16 war ein Seminar zu dem Thema am Ifo Institut: https://www.ifo.de/en/node/41224
Man muss da nur ein bißchen im Deutschen Strafgesetzbuch blättern, da wird man schon (vermutlich in allen Bereichen unseres Lebens) fündig, den §88 „Verfassungsfeindliche Sabotage“ habe ich gerade erst gefunden:
Strafgesetzbuch
1. Abschnitt
Friedensverrat, Hochverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 80 – 92b)
https://dejure.org/gesetze/StGB/88.html
§ 88 Verfassungsfeindliche Sabotage
(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann einer Gruppe oder, ohne mit einer Gruppe oder für eine solche zu handeln, als einzelner absichtlich bewirkt, daß im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch Störhandlungen
1. Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen oder dem öffentlichen Verkehr dienen,
2. Telekommunikationsanlagen, die öffentlichen Zwecken dienen,
3. Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen oder sonst für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig sind, oder
4. Dienststellen, Anlagen, Einrichtungen oder Gegenstände, die ganz oder überwiegend der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen,
ganz oder zum Teil außer Tätigkeit gesetzt oder den bestimmungsmäßigen Zwecken entzogen werden, und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
28. Abschnitt
Gemeingefährliche Straftaten (§§ 306 – 323c)
§ 316b
Störung öffentlicher Betriebe (ENERGIEENTZUG)
(1) Wer den Betrieb
1. von Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen oder dem öffentlichen Verkehr dienen,
2. einer der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienenden Anlage oder eines für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Unternehmens oder
3. einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage
dadurch verhindert oder stört, daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektrische Kraft entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) 1In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, insbesondere mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft, beeinträchtigt.
Wir führen einfach europaweit den EE-Kalender ein für Liefertermine, Arbeitszeiten, Zinsen usw.
Danke für die detaillierte Schilderung des blanken Wahnsinns! Wir erleben den senkrechten Absturz des Klima- und Dekarbonisierungs-irren Idiotistans mit den dümmsten Politikern weltweit. Die der elend verdummten Straße und noch dümmeren Medien folgen. Und sogar dubiose Umweltorganisationen mit Steuergeldern finanzieren, die uns endgültig ins Verderben stürzen. Da ist nichts mehr zu machen.
Kennt man das nicht von der DDR, stillstehende Anlagen und ruhende Arbeiter, die auf fehlendes Material warten. Planwirtschaft, so wird es kommen.
„Kennt man das nicht von der DDR, stillstehende Anlagen und ruhende Arbeiter, die auf fehlendes Material warten. Planwirtschaft, so wird es kommen.“ So ist die landläufige Vorstellung. Ich persönlich kam nicht in diesen Genuss. Unsere Automaten liefen dreischichtig. Immer. Wenn mal material zu spät, kam ein anderer Artikel drauf.
Industrie aber auch mittelständische Betriebe werden bei Energiemangel entweder zugrunde gehen, abwandern, oder sich selbst ein Kraftwerk mit Notstromdiesel o. ä. hinstellen müssen.
Und die Eisenbahn wird auf Zweikraftloks Diesel/Elektro umstellen müssen, um nicht auf offener Strecke liegen zu bleiben.
All das wird getrieben von einer CO2-Manie, für die es keinerlei Faktenbeweis gibt! Es wird nach so einem Faktenbeweis nicht einmal gefragt!