von Rüdiger Stobbe
Die 44. Analysewoche (Abbildung) bot zu Beginn noch viel Windstrom auf. Dann ging es bergab. Am Mittwoch konnte nur noch etwa 1/6 der Stromerzeugung von Montag registriert werden. Dass die konventionelle Stromerzeugung (Abbildung 1) da nicht mitkam, verwundert nicht. Die Konventionellen bullerten bereits, was das Zeug hielt. Da fragt sich der Leser dieser Kolumne schon, wo der Strom herkommen soll, wenn Kernkraft- und Kohlekraftwerke abgeschaltet sind. Auch eine Verdreifachung der Wind- und PV-Stromerzeugung würde nicht ausreichen, um den Strombedarf zu decken. Und ob unsere Nachbarn genügend Strom zur Verfügung hätten, um das größte Industrieland Europas zusätzlich mit Strom zu versorgen, wage ich zu bezweifeln. Immerhin funktionierte es in der 44. Woche 2021 (Abbildung 3 ). Dass für den Importstrom Höchstpreise hingelegt werden mussten, versteht sich (Abbildung 2 ). Am 2. und 3.11.2021 zahlten die deutschen Stromkunden 18,85 Mio. € an die europäischen Nachbarn. Der mittlere Importpreis lag bei 201,68 €. Schweden, Polen und Dänemark verkauften nahezu durchgehend Strom nach Deutschland und erzielten gute Erträge. Aber auch Norwegen, das Land, welches neben Belgien bei Agora leider noch nicht integriert ist, Norwegen also, die Batterie Deutschlands, kassiert gut 10 Mio. € für nach Deutschland exportierten Strom. Diese Daten wurden von smard.de geliefert. Die Schweiz, die im Sommer, die bis vor kurzem mit seinem Stromexport nach Deutschland richtig gutes Geld verdient hat, die Schweiz muss in der kalten Jahreszeit Strom hinzukaufen, um die Versorgung der Schweizer Bürger und Wirtschaft sicherzustellen. Was durchaus nicht bedeutet, dass man an Tagen, wo Deutschland Strom fehlt, wo dieser Strom dringend gebraucht wird, nicht Strom abzwackt und zu Höchstprisen verkauft wird. So bleiben am 8. und 9.11.2021 wenigsten gut 379.000 € hängen. Insgesamt aber kauft die Schweiz in der 44. Woche 128 GWh Strom von Deutschland und bezahlt unter dem Strich knapp 13,5 Mio. €. Im Winter benötigt die Schweiz Strom, welcher bisher auch von Deutschland geliefert wurde. Weshalb das so ist, lesen Sie unter Abbildung 10.
Am Donnerstag zieht die Windstromerzeugung über Tag stark an. Am Freitag gibt es eine kleine Delle. Samstag und Sonntag kommt es nochmals zu einer Steigerung der Windstromerzeugung, so dass das Preisniveau rapide fällt, der Strom am Sonntag zeitweise – von 2:00 bis 6:00 Uhr – sogar fast verschenkt werden muss. Am Wochenende lag der mittlere Exportstrompreis bei 55,26 €. In den fünf Tagen vorher waren es 154,02 €. Wer daraus schließt, dass die regenerative Stromerzeugung günstig sei, verwechselt womöglich die Stromgestehungskosten mit den Preisen, die Stromkunden zahlen müssen. 55 € für regenerativ erzeugten Strom reichen unter dem Strich wahrscheinlich nicht aus, um die vom EEG versprochenen Erträge für die Regenerativstromerzeuger darzustellen. Noch mehr regenerative Stromerzeugung würde die Preise noch weiter absenken und die Subventionsmaschine EEG müsste voll anlaufen. Da nutzen regenerative Strom-Gestehungskosten von 20 bis 40 €/MWh (2 bis 4 Cent/kWh) nicht viel.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine regenerative Stromerzeugung wie am Dienstag und Mittwoch der 44. Analysewoche sicher auch bei einer Verdreifachung Wind- und PV-Strom nicht ausreichen würde. Eine solche Verdreifachung hätte allerdings am Samstag und Sonntag eine erhebliche regenerative Strom-Überproduktion zur Folge. Das Preisniveau fiel in den negativen Bereich. Speichern, ja speichern des überschüssigen Stroms nach einer Verdreifachung der regenerativen Stromerzeuger Wind und Solar wäre eine Möglichkeit. Ich bezweifle allerdings, ob die etwa 2,8 TWh, die vom Freitag bis zum Sonntag (Abbildung 7) als Überschuss anfielen, einfach so zu speichern wären. Nun gut, die Verdreifachung ist aktuell rein theoretisch, die Speichermöglichkeit ebenfalls. Bis 2030, bis 2045 ist das Ausbauvolumen regenerative Stromerzeugung plus notwendiger Wasserstoffspeicher noch viel anspruchsvoller (Abbildung 5). Anders gesagt: Das mit der Energiewende = CO2-neutral wird nichts. Die daran glauben, haben keine Ahnung von dem technischen und dem ressourcenmäßigen und Aufwand, der getrieben werden muss, um solch ein Vorhaben auch nur annähernd umzusetzen. Hinzu kommt notwendige Manpower. Heute findet man ja nicht mal einen Handwerker, der nach angemessener Wartezeit ein Dach reparieren kann Lesen Sie auch die Kurzanalyse des Klimaschutzprogramms der Grünen, das in Sachen Umsetzbarkeit der grünen Ideen ein „Traumprogramm“ ist. (Abbildung 8).
Die Tabelle mit den Werten der Energy-Charts und der daraus generierte Chart liegen unter Abbildung 4 ab. Es handelt sich um Werte der Nettostromerzeugung, den „Strom, der aus der Steckdose“ kommt, wie auf der Website der Energy-Charts ganz unten ausführlich erläutert wird. Der höchst empfehlenswerte virtuelle Energiewende-Rechner (Wie viele Windkraft- und PV-Anlagen braucht es, um Kohle- und/oder Kernkraftstrom zu ersetzen? Zumindest im Jahresdurchschnitt.) ist unter Abbildung 5 zu finden. Ebenso wie der bewährte Energierechner.
Die Charts mit den Jahres- und Wochenexportzahlen liegen unter Abbildung 6 ab. Abbildung 7 beinhaltet die Charts, welche eine angenommene Verdopplung und Verdreifachung der Wind- und Solarstromversorgung visualisieren. Bitte unbedingt anschauen. Vor allem die Verdopplung. Abbildung 8 weist auf einen Artikel hin, der sich mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen befasst, welches durchgesetzt werden soll, wenn die Partei Regierungsmitglied wird. Abbildung 9 zeigt einen Vortrag von Professor Brasseur von der TU Graz. Der Mann folgt nicht der Wissenschaft. Er betreibt Wissenschaft.
Beachten Sie bitte unbedingt die Stromdateninfo-Tagesvergleiche ab 2016 in den Tagesanalysen. Dort finden Sie die Belege für die im Analyse-Text angegebenen Durchschnittswerte und vieles mehr. Der Vergleich beinhaltet einen Schatz an Erkenntnismöglichkeiten. Überhaupt ist das Analysetool stromdaten.info ein sehr mächtiges Instrument, welches nochmals erweitert wurde:
- Strom-Import/Export: Die Charts
- Produktion als Anteil der installierten Leistung
- Anteil der erneuerbaren und konventionellen Erzeugung am Bedarf
- Niedrigster, höchster und mittlerer Strompreis im ausgewählten Zeitraum
sind Bestandteil der Tools „Stromerzeugung und Bedarf„, „Zeitraumanalyse“ sowie der Im- und Exportanalyse: Charts & Tabellen. Schauen Sie mal rein und analysieren Sie mit wenigen Klicks. Die Ergebnisse sind sehr erhellend.
Abbildung 10 bringt einen Artikel der Schweizer Weltwoche, der sich mit dem Strombedarf der Schweiz befasst. Wir danken der Weltwoche und empfehlen sie ausdrücklich.
Tagesanalysen
Montag, 1.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 55,34 Prozent, davon Windstrom 41,17 Prozent, PV-Strom 3,5 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,67 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Der Wochenanfang liefert so viel Windstrom, dass der Preis glatt Richtung Keller rutscht. Zum Vorabend steigen die Preise, so dass Deutschland unter dem Strich 3,67 Mio. € einnimmt. Die Konventionellen führen optimal nach. Der Handelstag. Die Schweiz und Österreich importieren Strom. Der ist nötig, um die Versorgung ihrer Länder sicherzustellen.
Dienstag, 2.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 28,55 Prozent, davon Windstrom 12,22 Prozent, PV-Strom 5,52 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,81 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Die Windstromerzeugung sinkt massiv. Es tut sich eine gewaltige Stromlücke auf. Die Konventionellen wollen diese nicht komplett schließen. Sie hoffen auf hohe Preise, die sie „mitnehmen“ können. Pünktlich zum Beginn der Stromlücke ziehen die Preise an. Der Handelstag zeigt, wer gutes Geld verdient. Österreich gehört nicht dazu. Deutschland bezahlt heute 9,2 Mio. € an seine Nachbarn.
Mittwoch, 3.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 21,61 Prozent, davon Windstrom 6,8 Prozent, PV-Strom 4,13 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,68 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Der Mittwoch spiegelt den Vortag. Die Konventionellen bullern kräftig, schließen die Strom-Versorgungslücke aber nicht. Das Preisniveau liegt etwas niedriger als am Dienstag. Der Handelstag. Deutschland bezahlt heute 9,65 Mio. € an seine Nachbarn.
Donnerstag, 4.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 36,21 Prozent, davon Windstrom 24,69 Prozent, PV-Strom 1,65 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,87 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Der Donnerstag wartet mit einem Windstromanstieg auf. Dennoch kommt es am Morgen zu einer Stromlücke, die mit Tageshöchstpreisen geschlossen wird. Zum Abend reichen regenerativ erzeugter Strom plus sinkende konventionelle Stromerzeugung aus, um gute Preise einzufahren. Der Handelstag. Heute nimmt Deutschland 9,65 Mio € ein.
Freitag, 5.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 41,45 Prozent, davon Windstrom 28,78 Prozent, PV-Strom 3,05 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,62 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Eine leichte Windstrom-Delle führt nicht zu einer Strom-Versorgungslücke. Das, obwohl die PV-Stromerzeugung sehr gering ist. Da reicht, die konventionelle Erzeugung dank viel Pumpspeicherstrom aus, um den deutschen Bedarf komplett zu decken. Heute wird Strom unter dem Strich exportiert. Zu hohen Preisen. Vor allem Frankreich, die Schweiz und Österreich zahlen viel für den Strom, den sie brauchen. Heute nimmt Deutschland 17,54 Mio € ein.
Samstag, 6.11.2021: Anteil Erneuerbare an der Gesamtstromerzeugung 58,24 Prozent, davon Windstrom 43,27 Prozent, PV-Strom 5,13 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,84 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Wie immer zu Beginn des Wochenendes sinkt der Bedarf. Heute steigt die Windstromerzeugung und führt zu stark fallendem Preisniveau. Der mittlere Strompreis liegt bei 77 €/MWh. Die Konventionellen fahren die Stromerzeugung herunter. Der Handelstag. Heute nimmt Deutschland 11,82 Mio € ein.
Sonntag, 7.11.2021: Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 68,77 Prozent, davon Windstrom 55,72 Prozent, PV-Strom 3,64 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 9,41 Prozent. Stromdateninfo Tagesvergleich ab 2016. Die Agora-Chartmatrix: Hier klicken.
Der bedarfsarme Sonntag in Kombination mit starker regenerativer Erzeugung führt zum Preisverfall. Zeitweise Richtung Null €/MWh. Der mittlere Preis pro MWh liegt bei 35 €. Die Konventionellen fahren soweit – bis 20 GW – herunter, wie es wegen der Netzstabilität möglich ist. Ab 14:00 Uhr aber zieht auch die konventionelle Erzeugung wieder an. Zum Nachmittag/Vorabend/Abend lässt sich gut Geld verdienen. So auch heute. Zwar auf niedrigem Niveau. Doch das reicht. Der Handelstag. Heute nimmt Deutschland 6,71 Mio € ein.
Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr. Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? mit jeweils einer kurzen Inhaltserläuterung finden Sie hier.
Rüdiger Stobbe betreibt seit über fünf Jahren den Politikblog www.mediagnose.de.
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