Deutschlands nördliche Breitenlage – wie viel Wintermilde lässt sie theoretisch zu?

Mit etwa 48 bis 55° nördlicher Breite liegt Deutschland so nördlich wie Südrussland, die Ukraine, Süd-Sibirien und das südliche Kanada – alles Regionen mit mittleren Wintertemperaturen meist zwischen minus 4 und teilweise unter minus 25°C; bei annähernd denselben, wachsenden CO2-Konzentrationen; hierzulande sind es (1981 bis 2010) im Flächenmittel +0,9°C. Deutlich milder geht es bei ähnlicher Breitenlage über Land nur in Großbritannien oder Irland, wo in Zentralengland im selben Zeitraum etwa +4,6°C erreicht wurden. Diese für eine so nördliche Breitenlage ungewöhnlich milden Wintertemperaturen resultieren aus dem Zusammenspiel zwischen Golfstrom und Westwetterlagen – das wegen seiner hohen Wärmekapazität im Winter ohnehin laue Atlantikwasser (dort liegt das Wintermittel auf 51°N zwischen etwa +6 und +9°C Lufttemperatur) ist dank Golfstrom eben deutlich wärmer, als es der Breitenlage entspricht. Diese Wärme gelangt mit der in unseren Breiten vorherrschenden Westdrift unter Abschwächung ostwärts, was auch erklärt, warum die Winter in Deutschland mal fast frühlingshaft mild, wie 2019/20, und mal, bei selteneren oder fehlenden Westlagen, sehr kalt ausfallen können. Die bislang wärmste Winter in Deutschland, 2006/07 und 2019/20, erreichten mit 4,4°C und etwa 4,2°C fast die englischen Verhältnisse, doch auch nur, weil sie deutlich überdurchschnittlich viele Tage mit Westwetteranteil aufwiesen; oftmals solche mit Starkwind oder Sturm (unter anderem Orkane „Kyrill“ und „Sabine“). Betrachtet man jedoch nur die Häufigkeit der Tage mit Westwetter, so war diese in den milden Wintern 1987/88, 1988/89, 1994/95 und 1999/2000 mit 64 bis 79 Tagen noch etwas höher, doch spielen neben der Windstärke, welche auch 1999/2000 sehr hoch war, auch die herangeführten Luftmassen und die Bewölkungsverhältnisse (Wolken wärmen im Winter!) eine Rolle. Man kann in etwa folgende Regel aufstellen: „Die mildesten Winter in Deutschland sind die mit den stärksten und häufigsten Westwinden, den häufigsten Fällen mit atlantisch-subtropischen Luftmassen und der stärksten Bewölkung“. Weil diese Bedingungen quasi aus Westen bis Südwesten „importiert“ werden müssen, lohnt ein Vergleich der Entwicklung der deutschen und der englischen Wintertemperaturen seit dem „Klimasprung“ von 1987/88, als die Winter plötzlich dauerhaft milder wurden:

Abbildung 1: Der Winterverlauf der letzten 33 Jahre in Deutschland und Zentralengland. Keine signifikante Erwärmung trotz stark steigender CO2-Konzentrationen. Man beachte das deutlich höhere Temperaturniveau des „atlantischen“ Winterklimas in Zentralengland; der dortige „Rekordwinter“ 2015/16 erreichte 6,7°C.

Noch deutlich mildere Winter in Deutschland wären – eine extreme Häufung der Westwetterlagen bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten vorausgesetzt, nur bei einer merklichen Erwärmung am und auf dem Nordatlantik möglich; doch diese ist momentan anhand der Entwicklung in Zentralengland und der AMO-Werte nicht erkennbar.

Abbildung 2: Schon einmal, nämlich im frühen 20. Jahrhundert, waren die Winter in Zentralengland ähnlich mild, wie momentan. Die AMO, ein Indexwert für die Wassertemperaturen im zentralen Nordatlantik, befindet sich seit etwa 1990 in einer Warmphase; man kann jedoch annehmen (nicht sicher vorhersagen!), dass diese demnächst enden wird. Wegen der komplizierten Zirkulationsverhältnisse wirken jedoch die AMO-Warmphasen im Winter, anders als in den übrigen Jahreszeiten, in West- und Mitteleuropa nicht unmittelbar erwärmend.

Mehr als höchstens 5 bis 5,5°C sind also im DWD-Mittel kaum möglich; und auch diese könnten nur bei den allergünstigsten Bedingungen erwartet werden, was unwahrscheinlich ist. Mehr noch – sollte sich die zonale Zirkulation (Westlagen) abschwächen, könnte es gar eine merkliche winterliche Abkühlung geben, was schon einmal in der Mitte des 20. Jahrhunderts passierte. In diesem Kontext lohnt sich ein Blick auf die langfristige Häufigkeitsentwicklung wichtiger Großwetterlagen im Winter:

Abbildung 3: Die Häufigkeit der Großwetterlagen mit Westanteil im Winter (HESS/BREZOWSKY, violett) korreliert recht eng mit dem Verlauf der winterlichen Lufttemperaturen in Deutschland (blau). Zwecks besserer Darstellung in einer Grafik musste in Indexwerte umgerechnet werden; viel mehr als 80 Westlagen-Tage in einem Winter sind kaum möglich (er hat bloß 90 bis 91 Tage); das bisherige Maximum wurde kurz nach dem Klimasprung im Mildwinter 1988/89 mit 79 Tagen beobachtet. Als im Rekordwinter 1962/63 Bodensee und Ostsee gefroren, wurden gerade mal 12 Tage mit Westwetter gezählt.

Abbildung 4: Tendenziell etwas mehr Nord- und etwas weniger Südwetterlagen im Winter. Der Winter ist die einzige Jahreszeit mit dieser Entwicklung; in den übrigen Jahreszeiten führte die merkliche Häufigkeitszunahme südlicher Großwetterlagen zu einer teils starken Erwärmung. Man beachte, dass Südlagen im Winter nur in höheren Luftschichten markant zu warm ausfallen; die nördlichen Lagen fallen besonders in höheren Luftschichten zu kalt aus.

Und während in den anderen Jahreszeiten, besonders im Sommerhalbjahr, die stark zunehmende Sonnenscheindauer vielleicht noch eine gewisse Erwärmung zulässt (falls es noch sonniger werden sollte), bewirkt mehr Sonnenschein keine winterliche Temperaturzunahme:

Abbildung 5: Keine Erwärmungswirkung der tief stehenden, kurz scheinenden Wintersonne in Potsdam. Die geringe negative Korrelation ist nicht signifikant; doch kann die schwache Wintersonne die Wärmeverluste der langen, klaren Winternächte nicht völlig kompensieren (negative Strahlungsbilanz).

Der Wärmeinseleffekt im Winter

Als Wärmeinseleffekte (WI-Effekte) bezeichnet man alle durch die menschliche Siedlungs- und Nutzungstätigkeit bewirkten Temperaturerhöhungen. Sie sind fast unmöglich genau zu quantifizieren und keinesfalls nur auf Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsanlagen beschränkt, deshalb ist der Begriff der „Wärmeinsel“ irreführend. Die durch Siedlungen bewirkte Erwärmung, der so genannte UHI-Effekt („Urban Heat Island Effect“), lässt sich jedoch als Teilmenge des gesamten WI-Effektes zumindest grob durch den Vergleich benachbarter städtischer und ländlicher Wetterstationen abschätzen und ergab, dass in Ostdeutschland die Großstädte gegenwärtig ein um etwa 0,6K höheres winterliches Temperaturniveau als ländliche Orte mit ähnlicher Höhenlage aufweisen:

Abbildung 6a und 6b: Zwei Stadt-/Umland-Vergleiche ergaben für den Raum Berlin (oben, 5a) als auch für ein Stationspaar in Thüringen einen aktuellen, winterlichen UHI von etwa 0,6K (höhenbereinigt). Man beachte, dass jedoch auch an ländlichen Stationen WI-Effekte auftreten, und zwar ebenfalls durch Bautätigkeit, vor allem aber durch Meliorationen und andere landwirtschaftliche Nutzungsänderungen; neuerdings verstärkt durch die erwärmende Wirkung von Wind- und Solarparks.

Auch, weil sich die Bebauung und die landwirtschaftliche Nutzungsintensität in Deutschland seit 1881 stark ausdehnten, wurde es also allmählich wärmer; dieser Effekt hält im Zuge der verstärkten Nutzung von Wind- und Solarenergie besonders in ländlichen Regionen momentan an; allerdings dürfte er in den kommenden Jahrzehnten wohl nur eine winterliche Erwärmung von wenigen Zehntelgrad bewirken können. Der menschenerzeugte Wärmeinseleffekt bei einer Station erhöht die Temperaturen in der Regel umso mehr, je länger die Zeitreihe ist, und je stärker die Einwohnerdichte und der Bebauungsgrad zunehmen.

Um über einen längeren Zeitraum den Temperaturzuwachs aufgrund des nahezu überall steigenden Wärmeinseleffektes in den Temperaturreihen möglichst zu eliminieren, greifen wir gleich auf eine Einzelstation in freier Landschaft zurück. In diesem Artikel ist das die DWD-Station 482 bei Mittenwald auf 981 m Höhe in den deutschen Alpen. Sie befindet sich seit 2008 in den Buckelwiesen nördlich des Ortes. Wir betonen, die Wetterstation Mittenwald hat in den letzten 70 Jahren seit ihrer Einrichtung sicherlich ihren Platz getauscht wie alle anderen deutschen Stationen, bzw. die Umgebung der Station hat in den Alpen eine natürliche menschengemachte wärmende Umgebungsveränderung erfahren wie alle anderen deutschen Stationen.

Betrachtungsbeginn bei einer Alpenstation:

Wir wählen das Jahr 1958, da die CO2-Messungen am Mauna Loa genau in diesem Jahr begannen und inzwischen um 100 ppm angestiegen sind, Grafik siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Keeling-Kurve

Abbildung 7a: Die Keeling-Kurve mit den Messwerten des atmosphärischen Gehalts an Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre, gemessen am Mauna Loa.

Abbildung 7b: Unbedeutender Anstieg der Wintertemperaturen seit 1958 (63 Winter), trotz starkem Anstieg der CO2-Konzentrationen in diesem Zeitraum.

Man kann den Winterverlauf der DWD-Klimastation Mittenwald in zwei Teile aufteilen: Kein Anstieg der Temperaturen bis 1987, Temperatursprung ab 1988, seit 1988 ein höheres Niveau, wobei die Temperaturen seitdem wieder fallen und das Ausgangsniveau fast erreicht haben.

Im Folgenden sollen noch die Einzelmonate der DWD-Wetterstation Mittenwald für den Winter nachgereicht werden. Zur Erinnerung: Wir wählen als Anfangsjahr 1958, weil damals die CO2-Messungen am Mouna Loa starteten, siehe Grafik 7a.

Abbildung 8: Der Wintermonat Dezember wurde auch bei der Station Mittenwald wärmer, ähnlich wie die Gesamtzahl der DWD- Stationen.

Der Monat Januar

Abbildung 9: Der Januar zeigt aufgrund der kalten Januare Anfang der 60er Jahre eine ausgeglichene Regressionslinie. Anstieg bis 1988, danach Rückgang.

Der Monat Februar:

Abbildung 10: Der Wintermonat Februar wurde im Betrachtungszeitraum im Raum Mittenwald leicht kälter. Wir erkennen wieder den Temperatursprung 1988/89/90 und seitdem einen Rückgang. Mit der CO2-Grafkkurve Abb.6 zeigt sich keinerlei Übereinstimmung. Vielleicht ein Hinweis, dass sich auch in den Alpen die Winter weiter verspäten werden?

Nun könnte man meinen, die Wärmeinselproblematik sei auf Europa beschränkt. Doch weit gefehlt, unsere noch laufenden Untersuchungen zeigen auch im Nordosten der USA eine wesentlich stärkere winterliche Erwärmung in den Städten; ländliche Regionen erwärmten sich kaum oder kühlten gar leicht ab.

Abbildung 11: Geringe winterliche Erwärmung in der US-Hauptstadt Washington D.C; leichte Abkühlung im ländlichen Dale Enterprise. Die Daten des Winters 2019/20 liegen noch nicht vor.

Zusammenfassung:

1) Einen weiteren, “katastrophalen“ Temperaturanstieg wird es zumindest im Winter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Mitteleuropa nicht mehr geben können; alle möglichen, plausiblen Erwärmungsfaktoren sind in den Mildwintern 2006/07 und 2019/20 schon nahezu ausgereizt gewesen. Der wesentlichste Erwärmungsfaktor, die Häufigkeit und Intensität der Westlagen, würde bei einer Abnahme gar zu einem Temperaturrückgang führen; zumal die in den anderen Jahreszeiten stark erwärmende Zunahme der Sonnenscheindauer im Winter unwirksam ist. Allenfalls die Wärmeinseleffekte können – sofern alle anderen Einflussfaktoren konstant bleiben, noch eine leichte Erwärmung bewirken; aber mehr als allerhöchstens etwa 5,5°C sind im DWD-Mittel wohl auch langfristig unmöglich zu erreichen.

2) Trotz einer enormen „touristischen Entwicklung“ des Alpenraumes (Zunahme des Wärmeinseleffektes in den Zentren) und trotz des milden letzten Winters haben sich die Wintertemperaturen seit 1958 in der freien Fläche außerhalb der Ortschaften in den Alpen kaum geändert. Das zeigt uns die Trendlinie der DWD-Station Mittenwald.

3) Im gleichen Betrachtungszeitraum der letzten 63 Winter haben die CO2-Konzentrationen der Atmosphäre jedoch um 100 ppm zugenommen.

4) Wieder einmal konnten wir anhand der Grafiken zeigen, dass der Temperaturverlauf und die CO2-Konzentration unabhängig voneinander verlaufen. CO2 hat somit gar keinen oder kaum einen Einfluss auf die Temperaturen.

5) Der menschenerzeugte Wärmeinseleffekt in der Umgebung der DWD-Wetterstationen und natürliche Wetterursachen bestimmen das Klimaverhalten und die Klimaänderungen in einer Region.

6) Ein angeblicher CO2-Treibhauseffekt müsste überall zu Erwärmungen führen. Schon allein die Tatsache, dass sich einzelne Monate und Jahreszeiten unterschiedlich bei allen Wetterstationen über die letzten 30 Jahre verhalten, ist mit dem CO2-Erwärmungsglauben nicht vereinbar.

Fazit: Es wird endlich Zeit, dass Natur- und Umweltschutz in den Mittelpunkt politischen Handelns gestellt werden, und nicht das Geschäftsmodell Klimaschutz. Die ständige weitere Bebauung und Versiegelung einst freier natürlicher Flächen führt bei den meisten Wetterstationen zu einer schleichenden Erwärmung, die je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich ausfallen kann. Im Winter ist eine weitere, angeblich bevorstehende, „katastrophale Klimaerwärmung“ aufgrund der Erwärmungsursachen (Großwetterlagenhäufigkeiten, Sonnenscheindauer, AMO und WI-Effekte) sehr unwahrscheinlich.

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