Pünktlich zum Konferenzstart kramte die Tagesschau Klimaalarm aus dem armen Indien hervor, der einerseits das biblische Bild der Sintflut bedient, andererseits auch die Idee fördert, dass der reiche Westen durch ungezügelte Exzesse den armen Ländern das Leben zur Hölle macht. Die Tagesschau.de berichtete am 2.12.2018:(hier die gesicherte Version)

Folgen des Klimawandels: Die Insel, die im Meer versinkt

Die indische Insel Ghoramara ist knapp fünf Quadratkilometer groß – noch. Denn Ghoramara ist von den Folgen des Klimawandels unmittelbar betroffen. Seit den 1980er-Jahren ist sie um die Hälfte geschrumpft. Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, wird es eng für die Bewohner der kleinen Insel Ghoramara vor der indischen Küste im Golf von Bengalen. Schon jetzt werden ihre Felder und Häuser bei Stürmen und heftigem Regen regelmäßig überflutet.

Ein Bewohner erläutert, dass er sein Haus bereits mehrfach von der Küste weg ins Inland habe umsetzen musste, da der alte Platz bei Stürmen überflutet worden sei. Auslandskorrespondent Bernd Musch-Borowska vom ARD-Studio Neu-Delhi lässt keinen Zweifel daran, wer hier der Schuldige ist, nämlich letztendlich der Tagesschau-Zuschauer selber. Das meint er als studierter Politologe ganz genau zu wissen:

Das Leben auf der kleinen Insel südlich der Millionen-Stadt Kalkutta, ist sehr spartanisch und genau genommen ökologisch vorbildlich. Ohne Strom und ohne Autos tragen die Inselbewohner kaum zum CO2-Ausstoß in die Atmosphäre bei – und doch sind sie die Leidtragenden des Klimawandels.

Die Verkleinerung der Insel hat auch dazu geführt, dass sich die Inselbevölkerung in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Es würden dringend höhere Deiche gebraucht. Kurioserweise werden dann Wissenschaftler zitiert, deren Expertise mehr im Bereich Erneuerbare Energien als auf bei Küstendynamik oder Klimawandel liegt:

Auch Wissenschaftler halten eine Umsiedlung der Bewohner von Ghoramara für unausweichlich. Die Regierung tue zu wenig, klagt Suruchi Bhadwal, vom Institut für Energie- und Entwicklungsforschung TERI in Delhi, das sich mit erneuerbaren Energiequellen befasst. “Diese Inseln wird es irgendwann nicht mehr geben. Die sind ja nur knapp eineinhalb Meter hoch. Und für die Menschen, die dort leben, man muss sich schnell etwas überlegen. Man muss sie umsiedeln. Die Regierung muss sich jetzt wirklich damit befassen”, fordert Bhadwal.

Das TERI-Institut wurde lange vom IPCC-Vorsitzenden Rajendra Pachauri geleitet, der wegen sexueller Belästigungs-Vorwürfe zurücktreten musste. Zu Beginn des Korrespondentenbeitrags wird der Meeresspiegelanstieg als einziger Faktor genannt. Dies wird am Ende des Beitrags von Musch-Borowska wie folgt ergänzt:

Der Golf von Bengalen, mit Küstenabschnitten in Indien, Bangladesch und Myanmar, gehört nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu den Regionen, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffenen sein werden. Hier könnten Millionen Menschen ihren Lebensraum verlieren, sagt Peteri Taalas, der Generaldirektor der UN-Organisation für Meteorologie.

Merken Sie es auch: Verwendung des Futur (“betroffen sein werden”) und Konjunktiv (“könnten”). Inwiefern ist die Verkleinerung der Insel nun wirklich ein bereits eingetretener Klimawandelschaden? Musch-Borowska schreibt:

[Peter Taalas] findet den Begriff Erderwärmung etwas irreführend. Denn “die größten Auswirkungen des Klimawandels werden die Veränderungen bei den weltweiten Niederschlägen sein, mit Überflutungen und Dürreperioden. Und das wiederum wird sich auf die Lebensmittelproduktion auswirken”. Vor allem für die Küstenregionen mit ihren Millionenstädten stelle der Anstieg des Meeresspiegels eine Gefahr dar. Insbesondere in Indien und China, wo selbst große Städte davon betroffen seien, so Taalas.

Clever. Da die Erwärmung sich in den letzten 15 Jahren stark verlangsamt hat, will man von der “Klimaerwärmung” lieber erst mal nicht mehr hören. Stattdessen werden “Fluten” und “Dürren” angedroht. Soweit der ARD-Beitrag. Interessant ist dabei vor allem, was NICHT im Beitrag stand. Zunächst die Lage der Insel. Wikipedia weiß:

Ghoramara liegt 150 km südlich von Kalkutta im indischen Bundesstaat Westbengalen, in den Sundarbans im Golf von Bengalen. Die Insel liegt im Mündungsbereich des Flusses Hugli, einem Mündungsarm des Ganges. Sie liegt nur einen Meter über dem Meer und hat eine Fläche von rund 4,7 km².

Ein Blick auf Google Maps (Zoom-Ansicht hier) reicht, um den Charakter der Insel zu erkennen: Inseln in Flussdeltas unterliegen ständigen Veränderungen. Strömungen ändern sich, Erosion setzt den Inseln zu, an anderer Stelle entstehen neue Inseln. Es herrscht eine extrem hohe natürliche Küstendynamik in solchen Gebieten. Insofern hätten die Bewohner gar nicht erst auf dem flachen ständig gefährdeten Eiland siedeln dürfen. Nachzulesen z.B. auf Jana et al. 2012:

Studie morphologischer Änderungen von Ghoramara Island in Ostindien mittels Multi-Temporal-Satellite-Data

Ghomara Island liegt etwa 18,36 nautische Meilen von der Küste Ostindiens entfernt. Es handelt sich um eine wie ein Rhombus geformte Insel mit einer Fläche von etwa 4,8 km² mit einer etwa 8,5 km langen Küstenlinie. Dieses dünn besiedelte Ökosystem ändert seine Morphologie rapide infolge extensiver Küstenerosion an der nordwestlichen Küste und marginaler Landzunahme auf der südöstlichen Seite. Der Abbau des Systems infolge natürlicher und anthropogener Gründe führt insgesamt zu einem Landverlust der Insel. Es gibt große Verluste an landwirtschaftlichen Flächen und von Fischgründen. Die beiden Inseln Lohachara und Suprihanga südwestlich von Ghoramara sind bereits verschwunden. Um die Verwundbarkeit und Stabilität der Insel machen sich die Bewohner größte Sorgen. In dieser Studie wurden hochauflösende Satellitenbilder mit verschiedenen Zeitabständen des Landsat-Satelliten herangezogen, um die Verteilung von Erosion und Landzuwachs der Insel während der letzten vier Jahrzehnte (1972 bis 2010) zu verstehen. Die Rate der Änderungen der Küstenlinie wurden abgeschätzt mittels statistischer linearer Regression und anderer Verfahren. Es konnte gezeigt werden, dass die Insel mit der Zeit fortwährend kleiner wird und bereits 50% seiner Landfläche verloren hat.

Bereits Ghosh et al. 2003 haben Satellitenbilder ausgewertet und prognostizierten, dass sich die Insel allmählich nach Osten verlagert und in mittlerer Zukunft mit dem Festland verschmelzen wird:

Es wurde nachgewiesen, dass ohne Schutzmaßnahmen die Ostküste während der nächsten 25 Jahre mit dem Indischen Festland verschmelzen wird, während der westliche Teil vollständig erodiert werden wird.

Ähnliche Prozesse spielen sich übrigens an der deutschen Nordseeküste ab. Die Ostfriesischen Inseln sind ständig in Bewegung und verlagern sich, angetrieben von Strömungen und Sandumlagerungen.

Dazu kommt im Fall von Ghoramara noch die Subsidenz. Deltagebiete sind dafür bekannt, dass sie durch die allmähliche Verfestigung ihrer Sedimente – die sogenannte Kompaktion – absinken. Diese Kleinigkeit hat n24 doch glatt ausgelassen. Dabei hatte Nature India zwei Jahre zuvor explizit am 30. April 2013 darauf hingewiesen, dass die Überflutung nicht allein durch den Klimawandel verursacht wird:

Sieben Jahre nach dem ersten Report über die „verschwindenden Inseln“ von Sundarban hat Subhra Privadarshini das fragile Delta in der Bucht von Bengalen erneut untersucht und dabei festegestellt, dass es nicht der Klimawandel ist, welcher die Existenz dieses Welt-Naturerbes mit seinen Mangroven-Wäldern entlang der Grenze zwischen Indien und Bangladesh gefährdet. … Während der letzten 25 Jahre erreichte die Rate des Relativen Meeresspiegel-Anstiegs fast 8 mm pro Jahr, was signifikant höher ist als die Rate von 3,14 mm pro Jahr im Jahrzehnt zuvor. In einem kürzlich erstellten Report, den er als Ko-Autor für den World Wide Fund for Nature (WWF) mitgestaltet hat, sagt Hazra, dass trotz der globalen Erwärmung und der daraus resultierenden thermischen Ausdehnung von Wasser das ziemlich rasche Absinken des Benga-Deltas (2 bis 4 mm pro Jahr), die Verdichtung von Sedimenten und andere lokale Ursachen verantwortlich sein dürften für die außerordentlich hohe Rate des Relativen Meeresspiegel-Anstiegs im Gebiet der indischen Sundarban-Inseln.

Die Wissenschaft hat das Absenkungsproblem bereits intensiv studiert, umso seltsamer, dass die Tagesschau kein Wort über die Ergebnisse verliert. So berichtete 2013 der Geologe Till Hanebuth über Ergebnisse aus dem Deltabereich Bangladeschs. Sein Team fand natürliche Absenkungsraten von mehr als 4 Millimeter pro Jahr. Diese Rate ist deutlich höher als der klimatisch-bedingte Meeresspiegelanstieg. In der Ergebnisbeschreibung des Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft heißt es:

Abschätzung des jüngsten Absinkens des zentralen Küstendeltas von Bangladesh mittels Datierung der versunkenen Salinen

Das dicht besiedelte und tief gelegene Ganges-Brahmaputra-Delta ist hoch gefährdet durch den globalen Meeresspiegel-Anstieg. Um das Absinken des Deltas abzuschätzen, untersuchten wir versunkene Salz erzeugende Stätten an den küstennahen Sundarbans. Diese Salinen wurden unmittelbar über dem Niveau der hohen winterlichen Springflut eingerichtet, liegen jedoch derzeit ~155 cm unter dem korrespondierenden Niveau von heute. Einer optisch angeregten Lumineszenz-Datierung zufolge wurden die Salinen vor rund 300 Jahren von einer Katastrophe betroffen und die Salzgewinnung beendet. Die Katastrophe erfasste die Salinen auf unterschiedlichen Niveaus und Orten. Andere Datierungsverfahren bestätigten die OSL-Daten. Auf der Grundlage der Seehöhe und es Alters ergibt sich eine mittlere Absinkrate über 300 Jahre des Äußeren Deltas von 5,2 ± 1,2 mm pro Jahr, einschließlich 0,8 mm pro Jahr eustatischen Meeresspiegel-Anstiegs. Es liegt nahe anzunehmen, dass die Absinkrate sich während der nächsten paar Jahrzehnte nicht ändern wird, und es muss von der Schätzung des gegenwärtigen Meeresspiegel-Anstiegs von 1,8 bis 3,0 mm pro Jahr oder 2,7 bis 7,1 mm pro Jahr ausgegangen werden, ebenso wie von einem Anstieg des Relativen Meeresspiegels um 6,4 ± 1,7 mm pro Jahr bzw. 8,9 ± 3,3 mm pro Jahr.

Ähnliche Absenkungsbeträge fanden übrigens auch bereits auch Stanley & Hait (2000). Durch den Bau von zahlreichen Staudämmen im Ganges-Einzugsbereich ist die Sedimentfracht des Flusses gesunken, so dass weniger Material im Delta ankommt, was die dortigen Inseln ebenfalls destabilisiert. Eine Studie von Syvitski et al. 2009 beschreibt die wichtigsten Facetten des Problems:

Absinkende Deltas infolge menschlicher Aktivitäten

Viele der weltgrößten Deltas sind dicht besiedelt und werden intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet. Dennoch werden viele Bewohner derselben zunehmend verwundbar durch Überschwemmungen und Verschwinden ihres Landes im Ozean. Die Verwundbarkeit ist die Folge von Sediment-Verdichtungen infolge der Extraktion von Öl, Gas und Wasser aus den Sedimenten unter den Deltas, das Zurückhalten von Sedimenten in Wasserreservoiren flussaufwärts nebst deren Bewirtschaftung in Kombination mit dem steigenden globalen Meeresspiegel. Hier beschreiben wir eine Abschätzung an 33 Deltas, die für alle derartigen Gebiete weltweit repräsentativ sein sollen. Wir stellen fest, dass im vergangenen Jahrzehnt 85% der Deltas Schauplatz massiver Überschwemmungen waren, was zu einem zeitweiligen Verlust von 260.000 km² Landfläche führte. Wir schätzen konservativ, dass die Fläche bzgl. Verwundbarkeit von Überschwemmungen von Deltas unter den gegenwärtig projizierten Werten des Meeresspiegel-Anstiegs um 50% zunehmen können. Diese Zahl könnte noch steigen, falls das Zurückhalten von Sedimenten flussaufwärts so weitergeht und das Wachstum der Deltas verhindert.

Der Blog Ek Sparsh schilderte 2015 konkrete nichtklimatische anthropogene Gefahren für die Insel Ghoramara:

Dr. Sugarto Hazra, ein Ozeanograph an der University von Calcutta sagt, dass das Problem mehr als nur eine Ursache hat. „Das Abholzen der Mangroven, welche die Insel überzogen, um Platz für Landwirtschaft zu gewinnen, zerstörte die Ökologie. Die Mangroven hielten den Mutterboden fest. Jetzt wird er hinweg gespült. Die Landwirte haben außerdem Gräben zur Süßwasser-Gewinnung angelegt, um ihre Reisfelder zu bewässern. Aber mit der Zeit leerten sich die unterirdischen Reservoire, um anschließend zu kollabieren. Zusätzlich zu all dem steigt der Meeresspiegel hier wie überall als Reaktion auf globale Erwärmung. Das Land sinkt also ab, während gleichzeitig der Meeresspiegel steigt“.

Inselbewohner haben die schützende Mangroven abgehackt, um Ackerland zu gewinnen. Dadurch war der Boden den Sturmwellen schutzlos ausgeliefert. Zudem haben die Bewohner wohl die Grundwasserlinse unter der Insel so stark ausgebeutet, so dass es zu zusätzlicher Subsidenz und Landsenkung kam.

ZUSAMMENFASSUNG:
Die schrumpfende indische Insel Ghoramara liegt in einem Mündungsarm des Ganges. Wie üblich in solchen Deltas, verursachen die Strömungen eine ständige Verlagerung und Umgestaltung der Inseln. Der Bau von Staudämmen im Flussoberlauf des Ganges führte zu einer Redution der im Delta zur Verfügung stehenden Sedimentmenge. Zudem hat die Zerstörung der Mangrovenvegetation die Insel anfällig gegen Bodenerosion während Stürmen gemacht. Die exzessive Entnahme von Grundwasser ließ die Insel absinken, was zur regionalen Bodenabsenkung im Deltabereich dazu zu addieren ist. Die Absenkungsraten sind dabei höher als der globale Meeresspiegelanstieg. Im Tagesschau-Beitrag wird dagegen fälschlicherweise suggeriert, dass der Meeresspiegelanstieg das Hauptproblem sei. Richtig ist vielmehr, dass das Schrumpfen der Insel Ghoramara eine Vielzahl von Ursachen hat, die in natürliche, nicht-klimatisch anthropogene und klimatisch anthropogene unterschieden werden können.

Link: http://diekaltesonne.de/schrumpfende-indische-inseln-fur-klimaalarm-instrumentalisiert-tagesschau-lasst-wichtige-ursachen-unter-den-tisch-fallen/

Anmerkung: Dieser Beitrag ist erstmals im Blog „Die Kalte Sonne“ erschienen.Übersetzung der englischen Passagen von Chris Frey EIKE

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