Wir hören von den kiribatischen Inseln recht wenig hier in Deutschland, deshalb möchte ich das Thema mal ein wenig erhellen. Wer die Zeitschrift MARE liest, hat vielleicht schon von der Matrosenberufsschule MTC (Marine Training Center) etwas gehört, dort war ich 1997 bis 1999 als Ausbilder tätig.

Am 16. November 2012 verzapften klimabewegte Journalisten in der ZEIT und dem Tagesspiegel, ich nenne hier nur Christiane Oelrich stellvertetend, völlig synchron Beiträge über Kiribati. Darin wird der Eindruck erweckt, daß die Inseln von Kiribati bald untergehen würden. Am 11.September 2016 legt der Tagesspiegel nochmal nach, für alle Nachzügler und solche die es schon wieder vergessen haben, diesmal von Dagmar Dehmer.

Irgendwelche Typen vom PIK haben das Gerücht in die Welt gesetzt, die Insel Bikeman wäre aufgrund des Klimawandels schon untergegangen. Das hat mir einen Lachanfall beschert und klar gemacht, wie wenig man der Presse noch trauen kann. Diese Story ist nichts weiter als eine Ente, die aber den Alarmisten gut in den Kram passt. Sie glauben, niemand in Deutschland kann das beurteilen, aber nun haben sie mich geärgert, und ich stelle das mal richtig. Also klären wir jetzt mal schnell, was Bikeman ist, und was dort passiert ist. (Die Wirklichkeit ist sogar mehrfach interessanter als die PIK – Ente.)

Das Atoll von Tarawa hat eine dreieckige Form. Es besteht aus einigen ca. 500m breiten Inseln, die aus weißem Korallengestein bestehen, und sich ca. 29 km in Ost-West-Richtung erstrecken. An der Ostecke ist das Atoll am höchsten und am massivsten, dort befindet sich im Boden auch der Rest des Vulkankegels, erkennbar an der schwarzen Färbung. Weitere schmale bewohnte Inseln erstrecken sich von dort aus in etwa gerader Linie etwa 36 km nach Nord-Nordwest. Jeder kann sich das heute auf Google Earth ansehen.

Die Westseite der Lagune wird nur durch Korallenriffe gebildet, dort gibt es kein Land. Im Riff sind jedoch Lücken, durch die auch größere Schiffe in die Lagune fahren können.

Bikeman ist als Name doppelt vergeben, ein kleines Dorf auf der Lagunenseite der zweiten Insel der Ost-West Kette von Tarawa heißt so, dessen kleiner Hafen zeigt zur Nordseite in die Lagune und liegt auf 1°20‘30“ N und 173°01‘35“ O. Ein Korallenriff in der Lagune, das dem Dorf gegenüber liegt, heißt auch ähnlich: Bikerman.

Früher gab es keine durchgehende Straße auf der Ost-West Kette, und man musste einige Zwischenräume mit Fähren überbrücken. Das war aufwendig. Schließlich wurden Dämme in das Watt geschüttet und eine durchgehende Straße gebaut, die von Betio im Westen bis zum Flugplatz in Bairiki an der Ostecke reicht. Das änderte die Strömungen in der Lagune, und die Insel Bikerman wurde ca. 1980 durch Erosion ihres Bodens beraubt und verlor ihre Vegetation, heute sieht man bei Ebbe die nackten Korallen. Wer das genauer wissen möchte, aber mindestens Dagmar Dehmer und Christiane Oelrich, soll sich das Video von Simon Donner anschauen: „The Lesson of Bikeman“. Dort werden auch geologische Grundkenntnisse zu den Atollen anwendungsreif vermittelt.

Um die Dörfer auf dem nach Nordosten gelegenen Schenkel des Atolls zu besuchen, muss man auch heute noch auf Ebbe warten und kann dann an den Durchlässen zwischen den Inseln durch das Watt laufen.

Der gesamte Ost-West Inselverkehr wird auf der Straße abgewickelt. Für den Personentransport fahren zwischen Betio und Bairiki ständig 10-20 Kleinbusse hin und her, die dort halten wo jemand den Daumen hebt oder aussteigen möchte. Die Verteilung der Personen quer zur Straße erfolgt zu Fuß, das ist auch nicht sonderlich anstrengend bei maximal 500 m Weg. Die Insel kauft Gebrauchtwagen aus Japan oder Australien, und benutzt sie, bis sie auseinanderfallen. Leider hat man dadurch sehr viele verschiedene Typen am Laufen, und die Ersatzteilbeschaffung und Unterhaltung der Fahrzeuge ist ein großes Problem. Davon zeugt der riesige Autofriedhof, wo die Karossen hinter einem Zaun vierstöckig liegen und langsam zusammenrosten.

Die Ost-West Kette hat auch ein Stromnetz und eine Wasserleitung, die einigermaßen funktionieren. Zur Stromerzeugung dient ein kleines Kraftwerk mit Dieselmotoren in Betio, Wasser wird aus flachen Brunnen gewonnen und per Hauptleitung verteilt. Die Wassergewinnung ist ein Engpass, weil man die Brunnen nicht tiefer als 2-3 m bohren kann, dann kommt man vom versickerten Regenwasser in das Salzwasser.

Die gesamte Zufuhr von Energie zum Atoll erfolgt mit einem kleinen Tanker, der dort alle 14 Tage Dieselöl und Benzin anlandet, welches in einem Tanklager in Betio gespeichert wird. Da der Strom mit teurem Dieselöl erzeugt werden muss, sind die Stromrechnungen für die Einheimischen ziemlich happig. Die Dörfer auf dem Nordflügel des Atolls sind nicht an das Stromnetz angeschlossen, und arbeiten dezentral mit Solarzellen und Akkus. In den Tropen ist ja immer pünktlich 18 Uhr Sonnentergang, mit ihren Akkus hatten die Bewohner im Jahre 1999 am Abend noch etwa bis 21 Uhr Licht.

Man muß zugeben, daß der Transport auf dem Atoll ziemlich teuer ist, denn der Gebrauchtwagenpark macht viele Scherereien und hat große Ausfallzeiten, und das Benzin muss über See herangeschippert werden. Mit meinen damaligen Lehrerkollegen gab es auch oft Diskussionen darüber, doch deren Unzufriedenheit hielt sich erstaunlich in Grenzen. Das hatte zwei Gründe: erstens hatten Sie keinen Vergleich, was die Kosten woanders anbelangt, und zweitens machte ihnen das Autofahren Spaß.

Aus reiner Freude am Fabulieren hatten wir damals schon mal eine Platte „Nachhaltigkeit“ aufgelegt, und uns folgendes Konzept ausgedacht: Parallel zur Straße wird eine schmalspuriges Gleis gebaut, und es werden elektrische Züge eingesetzt. Um die Oberleitung zu sparen, werden Akkus benutzt, die an den Endhaltestellen getauscht werden. Die Aufladung erfolgt mit Solarzellen, denn nichts scheint zuverlässiger als die Sonne auf Kiribati, exakt von 6 Uhr morgens bis 18 abends das ganze Jahr, denn Winter gibt es am Äquator nur im Kalender. Durch die Nutzung von Eisenbahntechnik und die fehlenden Steigungen auf dem flachen Atoll kann man mit sehr kleinen Motorleistungen auskommen, verglichen mit den Kleinbussen. Die Bedingungen auf Tarawa sind die besten auf der Welt, um einen öffentlichen Personenverkehr mit Solarantrieb aufzubauen. Falls der Strom an den wenigen Regentagen mal nicht reicht, muss man eben ein wenig Strom vom Dieselkraftwerk abnehmen. Wenn das Konzept hier nicht geht, dann geht es nirgendwo auf der Welt.

Weil der damalige Verkehrsminister im Haus neben mir wohnte, konnte ich die Idee mal bei einem Bier äußern. Aber das Autofahren als Hauptvergnügen war den Kiribatis so wichtig, daß meine Idee glatt verworfen wurde. Verständlich, denn außer ein paar lokalen Fußballspielen und zwei Videotheken war nicht viel los. Am Wochenende fuhr man mit Lastwagen quer über die Insel, auf der Ladefläche sitzend, singend, und grillte schließlich an einem Strand, der weit weg vom eigenen Haus gelegen war, damit die Autofahrt nicht zu kurz geriet und man sich im Fahrtwind abkühlen konnte. Mit einer elektrischen Eisenbahn wäre das vielleicht nur halb so schön. Ich denke, solange hier der Spaß noch im Vordergrund steht, sollte man nicht versuchen, den Kiribatis vorzuschreiben, wie sie ihre Transporte organisieren sollen.

Wenn man den Beitrag von Simon Donner aufmerksam angeschaut hat, weiß man nun: die Inseln können weder durch ihr eigenes Absinken noch durch aktuelle Anstiege des Pegels untergehen, weil Korallen 15 mm pro Jahr in die Höhe mitwachsen.

Alle wirklichen Probleme, also der teure Strom und Transport und das knappe Wasser, resultieren nur aus der Überbevölkerung des Hauptstadt-Atolls, wegen der Konzentrierung der kiribatischen Bevölkerung auf Tarawa. Das hat einen sozialen Hintergrund: Die jungen Leute nutzen jeden noch so seichten Grund, von anderen Inseln nach Tarawa zu reisen, und so lange wie möglich dort zu bleiben, um ihren Häuptlingen zuhause zu entkommen. Auf den sogenannten „Outer Islands“ herrscht nämlich ein strengeres Regime.

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