Seit nicht nur der Kollege Maxeiner in der „Welt“ vom 14. Mai und an dieser Stelle, sondern am Tag darauf auch der Kollege Winand von Petersdorff in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 15. Mai 2011 im neuen WBGU-Gutachten „Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ klar Schritte in Richtung auf eine „herzliche Ökodiktatur“ ausgemacht haben, fühlen sich die Mitglieder des WBGU, deren Ansichten in den „Qualitätsmedien“ längst zum Mainstream geworden sind, offenbar unter Rechtfertigungsdruck. Niemand wolle eine Ökodiktatur, beteuert Leggewie, denn dieser Begriff komme im genannten Gutachten gar nicht vor. Wie beruhigend!

Notorische Leugner des Klimawandels, bekennende Autonarren und verwirrte Berufspolemiker ließen ihren Vorurteilen freien Lauf, wenn sie im WBGU-Gutachten eine totalitäre Verschwörung wittern, meint Leggewie.

 

Prof. Dr. Claus Leggewie; Mitglied des WBGU

Demgegenüber will er klarstellen: „Der von uns entworfene Gesellschaftsvertrag sieht deutlich mehr, nicht weniger Demokratie vor. Der gestaltende Staat, der den Primat erneuerbarer Energien mit parlamentarischer Mehrheit und transparenter Gesetzgebung durchsetzen soll, muss sich durch erweiterte Bürgerbeteiligung Legitimation verschaffen.“ Doch gerade das hatte der Kollege von Petersdorff als Beleg für die in Deutschland heraufziehende Ökodiktatur gewertet, indem er den englischen Liberalen Lord Action zitierte, der einmal bemerkte: „Es ist schlimm, von einer Minderheit unterdrückt zu werden, aber es ist schlimmer, von einer Mehrheit unterdrückt zu werden.“ Von Petersdorff listet eine ganze Reihe von Beispielen grüner Zwangsmaßnahmen von der Einführung von Biosprit über die Verpflichtung der Verbraucher zur Abnahme von überteuertem Öko-Strom bis zur gesundheitlich bedenklichen Wärmedämmung von Wohngebäuden auf und stellt fest: „Es wächst eine Ökotyrannei in Deutschland, sie stützt sich auf eine große Mehrheit. Und die Bundesregierung steht an der Spitze.“

Ich vermute, dass Leggewie als Politikwissenschaftler die gängigen Definitionen von Totalitarismus geläufig sind. Eine davon lautet: „Massenmobilisierung für unerreichbare Ziele.“ Diese Massenmobilisierung setzt keine Verschwörung voraus, wohl aber eine auf einer eingängigen Fiktion beruhende diesseitige Heilslehre. Um eine solche handelt es sich bei der vom IPCC vertretenen „Klimawissenschaft“ zweifelsohne. Wir wissen über das Zusammenspiel möglicher Ursachen des Klimawandels so wenig, dass jeglicher Versuch, ihn mithilfe einer „Klimapolitik“ systematisch zu bekämpfen, auf einer Fiktion aufbauen muss. Um die Fiktion aufrecht zu erhalten, müssen abweichende Meinungen bekämpft, Skeptiker kaltgestellt und mit gesellschaftlicher Isolierung bestraft werden. Wie der „gestaltende Staat“ das erreichen kann, hat der WBGU in seinem Gutachten detailliert aufgezeigt.

Totalitäre Bewegungen finden, wie Hannah Arendt in ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ gezeigt hat, ihr Ende nicht durch eine wissenschaftliche Widerlegung, sondern an der Wand. Dieses Ende zeichnet sich auch für die in Deutschland von einer breiten Mehrheit getragene „Energiewende“ ab. Der vom WBGU-Gutachten empfohlene gleichzeitige Ausstieg aus der der Nutzung der Kern- und der Kohleenergie stört nicht nur, wie Leggewie meint, die „buchhalterische Bedenkenträgerei“ einiger „schlecht gelaunter Spießer“, sondern widerspricht, wie ausländische Beobachter leicht feststellen konnten, dem kleinen Einmaleins.

Edgar L. Gärtner (EIKE) 

Website von Claus Leggewie mit ausgewählten Forschungsschwerpunkten

„FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE“ von Leggewie

KlimaKultur: Kulturelle Voraussetzungen der Anpassung moderner Gesellschaften an die Auswirkungen des Klimawandels; InterKultur: Voraussetzungen und Folgen der kulturellen und religiösen Globalisierung; ErinnerungsKultur: Europäische Erinnerungskonflikte und Geschichtspolitiken. Ferner: Politische und wissenschaftliche Kommunikation via digitale Medien, Demokratisierung nichtwestlicher Gesellschaften.

Update: Essay von Fritz Vahrenholt in Die Welt vom 27.5.11

Ökodiktatur pur

http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article13397280/Oekodiktatur-pur.html

Auszug:

…..Der WBGU vergleicht die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft mit der Neolithischen und der Industriellen Revolution. Er liegt nicht richtig mit der Aussage, eine bewusst geplante, radikale Umgestaltung ökonomischer und sozialer Großsysteme sei ohne geschichtliches Vorbild. Zumindest partielle Vorbilder hierfür sind die Industrialisierung der UdSSR in den 20er- und 30er-Jahren oder der „Große Sprung nach vorne“ sowie die „Kulturrevolution“ im China Maos.

Ob geplant oder nicht – revolutionäre Transformationen wirtschaftlicher Großsysteme sind immer mit Entbehrungen für die Generation verbunden, die sie gerade erlebt. Bestehende produktive Wirtschaftsstrukturen werden eingerissen und ganz neue erst aufgebaut werden. Der Preis für den utopischen Klima-Jakobinismus des WBGU ist zu hoch. Demokratische Institutionen, die Freiheit der Lebensführung und das Recht auf materiellen Wohlstand dürfen ihm nicht geopfert werden. Vernünftig ist es, den Weg in die klimafreundliche Wirtschaft der Zukunft über eine ausreichend lange Brücke zu gehen, die von sicher verfügbarer und bewährter Technologie sowie von Marktmechanismen gestützt wird. So bleibt Klimaschutz selbst demokratisch zustimmungsfähig. Dabei mehren sich ohnehin die Zeichen, dass das Antriebsmoment für die „Große Transformation“ erlahmen wird, da die Klimaerwärmung seit 12 Jahren zum Stillstand gekommen ist und sich die wissenschaftlichen Stimmen (außerhalb des WGBU und des Potsdam-Institutes) mehren, dass wir vor einer langjährigen Abkühlungsphase des Klimas stehen.

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