Bild rechts: Energiefahrrad „Free Electric“. Screenshot aus einem Werbefilm der Organisation Billions in Change

Was hat es mit diesem Gratis-Strom für alle auf sich?

Chip als technikaffine Zeitschrift beschreibt es wie folgt:

Die Strompreise steigen permanent – da kommt eine Erfindung wie diese genau richtig: Ein neu entwickeltes Fahrrad soll in nur einer Stunde so viel Energie erzeugen, dass sich damit ein einfacher Haushalt 24 Stunden betreiben lässt. Die Produktion startet noch in diesem Jahr.
Es klingt fast wie ein (Öko)Traum: Man schwingt sich eine Stunde aufs Fahrrad, verbessert die eigene Fitness, und produziert dabei genügend Strom, um damit den ganzen Haushalt betreiben zu können. Mit dem Bike “Free Electric” der Organisation Billions in Change soll genau das möglich sein. Die Idee dazu ist nicht neu, denn entsprechende Fahrräder sind seit Jahren auf dem Markt. Dennoch gibt es einen großen Unterschied: Die bisherigen Lösungen produzieren genügend Strom, um maximal eine Super-Öko-Energiespar-LED auf Sparflamme anzutreiben. Laut Manoj Bhargava, der hinter Billions in Change steht, soll sein Fahrrad in einer Stunde ausreichend Power für 24 Stunden Strom generieren. Ans Fahrrad angeschlossen ist ein Turbinengenerator, der eine Batterie speist.

Die ersten Geräte sollen im indischen Bundesstaat Uttarakhand getestet werden. Im Laufe des Jahres folgen laut Billions in Change 10.000 weitere Fahrräder, die ebenfalls in Indien zum Einsatz kommen.

Zum Schluss macht Chip ein paar Einschränkungen mit der Energiemenge, die sich so gewinnen lässt – aber an der guten Idee wird nicht gezweifelt.

Etwas Elektrotechnik

Wer auch nur ein bisschen etwas von Elektrotechnik versteht, ist gegenüber der Werbeaussage eher skeptisch. „Bisherige Lösungen“ waren schlecht und die neue ist bahnbrechend? Und das bei einer Technik, welche es seit über 100 Jahren gibt und seit mindestens 10 Jahren auch (Halbleiter-) technologisch praktisch nicht mehr zu verbessern ist – außer eben in der Werbung.

Im Werbefilm zeigt es sich ungewollt realistisch. Die Energie-radelnde Person generiert auf der (ganz kurz gezeigten) Anzeige ca. 11 V und 10 A, also 110 Watt. Wie man damit in einer Stunde mit dem Erradeln von 110 Wh einen „ausreichenden Enrgiebedarf für 24 h generiert, bleibt ein Geheimnis der Innovation.

Bild 2 Energieanzeige beim Energieradeln. Screenshot aus dem Werbefilm der Organisation Billions in Change

Eine einfache Elektrokochplatte für das Camping benötigt 1100 W. Um diese auf voller Leistung zu halten, müssten demnach 10 Personen parallel die Energie erradeln. Leider kann man damit nicht für 10 Personen gleichzeitig kochen, sondern vielleicht für zwei, drei. Also muss man länger radeln und nacheinander für die Radler kochen. Vielleicht sind dann nach ein paar Stunden alle bekocht – bis auf die Kochenden, denn die energieradeln ja nicht -. Wer nun mehrere Stunden ununterbrochen so fest energie-durchgeradelt hat bekommt dadurch aber bestimmt gleich wieder einen gewaltigen Hunger.

Schlimm wird es, wenn die Nacht beginnt. Denn nun muss man auch noch für die Beleuchtung der Kochstelle und des Ruheraumes mitradeln. Und nach einer so schweißtreibenden Öko-Kuli-Radelei will man vielleicht auch duschen. Also für die Duschpumpe noch etwas radeln, und wenn man dazu vielleicht etwas warmes Wasser will, eben noch einmal. Gerade zu ein Glück, dass man zum Schlafen nicht parallel weiter-radeln muss (ausser man stellt dabei so unökologische Ansprüche wie eine Heizung oder Klimaanlage).

Fazit: Die Energieradler befinden sich in einem endlosen Energieradel-Hamsterrad (gab es früher im Bergbau, wurde damals aber gelaufen und verschwand wohl deshalb).

Aber immerhin, designerisch erscheint das Energiefahrrad dagegen schon als Innovation.

Wie ist der monetäre Wert des Energieradelns zu bewerten

Der deutsche Mindestlohn beträgt Brutto 8,5 EUR. Somit beträgt der Netto-Energieradel-Abgabepreis einer einzigen KWh bei durchgängiger 100 % Radelleistung ohne auch nur ein Quentchen Gewinn gemacht zu haben abgerundet 77,2 EUR. Selbst wenn 1 EUR-Jobber dafür radeln, kostet die kWh mit 9,1 EUR noch immer viel zu viel. Daran würden sogar unsere Grünen mit dem Wunsch nach einem 1 EUR kWh-Preis nichts ändern.

Kohlestrom und auch jeder andere kostet so um die 4 … 6 ct / kWh, wenn es zwangsweise EEG sein muss aktuell eher 10 … 20 ct / kWh Gestehungskosten. Auch in armen Ländern ist Elektroenergie – so man sie bereitstellen will – nicht wesentlich teurer zu erzeugen.

Damit kann man ahnen, welchen Preis ein Energieradler in der dritten Welt (denn dafür ist die Innovation gedacht) erwirtschaften kann und auf welchem erbärmlichen Niveau damit sein Verdienst liegen wird.

Aber halt, es gibt doch den 100 Milliarden US$ Klimaopferfond. Bestimmt werden die künftigen Energieradler der dritten Welt daraus „versorgt“. Und dann wird daraus eine bewundernswerte, ökologische, nachhaltige, Welt-rettende WIN WIN WIN Situation für alle (werden) – ein innovatives Erfolgsmodell wie es das eben sonst nur noch in (sozialistischen) Märchen gibt.

Wahre Innovation erkennt nicht jeder

Irgend eine ganz besondere, Welt-rettende und vom Normalbürger bisher noch nicht erkannte Eigenschaft muss dem Fahrrad innewohnen. Warum wohl sonst radeln die Chinesen und Inder (und Holländer) so viel? Haben die unsere westliche Zeitrechnung ohne es zu wissen einfach überradelt? Bestimmt ist es kein Zufall, dass sich unsere – damit wieder einmal hoch-innovativ ausweisende – Klimawandel-Fachfrau Dr. Hendricks ebenfalls intensiv damit beschäftigt hat „Aktionsprogramm Klimaschutz – Frau Hendricks fördert Investitionen für Lastfahrräder zur CO2-Minderung“.

Das hat der Autor damals belächelt – eben nur ein Normalbürger und damit Asche aufs Haupt. Wahre Innovationen erkennen wirklich nur ökologisch nachhaltige Außerwählte. Vielleicht würde es auch helfen, Gehirn-Doping einzunehmen wie manche Grünen Politiker.

Ein Glück, dass wir hier nicht die Verhältnisse von Nordkorea haben. Nicht auszudenken was passiert wäre wenn der Autor es da gewagt hätte, eine solch innovative Eingebung einer großen Vorsitzenden nicht gleich als das was es wirklich ist erkannt zu haben.

Nachtrag

In den Zeitungen kam gerade, dass die United Nations Organization (UNO) als Millenniumsziel daran „arbeitet“, die bitterste Armut auf der Welt zu beseitigen. Als bitterarm gilt nach der UNO jemand, wenn er weniger als 1,25 US$ / Tag verdient.

Doch selbst dieses niedrige Einkommen ist durch Energieradeln niemals auch nur entfernt möglich – ein absolut treffendes Beispiel was Energiearmut wirklich bedeutet. Aber wenn Armut zur Klimarettung der Welt notwendig ist, muss man sie positiv sehen und umsetzen – und (in deutschen Medien) auch so publizieren.

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