Zweifellos ist dieser Traum mit einer aberwitzig hohen Anzahl von Windturbinen rechnerisch realisierbar. Oder vielleicht doch nicht? Um uns nicht zu verzetteln, lassen wir hilfsweise das größte Problem dieses Traums einmal außer vor – die Fluktuation der Stromlieferung, die die ganze Angelegenheit für eine vernünftige Nutzung ohnehin unbrauchbar macht. Die naturwissenschaftliche Antwort auf die Realisierbarkeitsfrage gibt schließlich eine am 8. Juni 2012 in der Zeitschrift „Earth Dynamic Systems“ der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) veröffentlichte Arbeit der Autoren F. Gans, L.M. Miller und A. Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Ihr Titel lautet

„The problem of the second wind turbine – a note on a common but flawed wind power estimation problem“

Sie ist als pdf unten angefügt. In dieser Arbeit weisen die Autoren nach, dass bei einem zu hohen Windenergieentzug der Atmosphäre die üblichen Annahmen zum nutzbaren Windenergieertrag von Windturbinen um eine Größenordnung (etwa Faktor 10) überschätzt werden. Grund dafür ist die Rückwirkung von übermäßig vielen Windturbinen auf die Strömungs- und Energieverhältnisse in der Atmosphäre. Der Rückwirkungseffekt ist beim gegenwärtigen globalen Energieentzug mit Windrädern zwar nicht spürbar, würde sich aber bei einer starken Ausweitung zunehmend bemerkbar machen. Für Leser, die an den technischen Einzelheiten weniger interessiert sind und es lieber in Deutsch möchten, nachfolgend der „Abstract“ der Arbeit frei übersetzt und zum besseren Verständnis vom Autor mit Ergänzungen versehen.

Abstract

Veröffentlichte Windradenergie-Abschätzungen legen nahe, dass diese „erneuerbare“ Energieform den aktuellen und zukünftigen globalen Energiebedarf ohne Rückwirkung auf die Atmosphäre decken kann. Die entsprechende Schätzmethodik verwendet ausschließlich gemessene Windgeschwindigkeiten in Verbindung mit Spezifikationen über die Größen und zulässigen Anordnungsdichten von Windturbinen.

Erläuterung: Um gegenseitige Beeinflussung von Windturbinen zu vermeiden, müssen Mindestabstände zwischen den Windrädern eingehalten werden (Windparkeffekt). Diese Bedingungen werden sowohl in den angesprochenen Veröffentlichungen als auch in der hier besprochenen Arbeit vorausgesetzt und stehen nicht zur Debatte.

Freilich werden hierbei die Effekte des Impulsentzuges aus der Atmosphäre vernachlässigt, die klimawirksame Auswirkungen außerhalb des unmittelbaren Turbinenbereichs haben. Wir zeigen hier mit einem einfachen Impulserhaltungsmodell der atmosphärischen Grenzschicht (Erläuterung: zur betrachteten Grenzschicht siehe Fig. 1 des Aufsatzes), dass die bisher übliche Schätzmethodik des Windenergiepotentials unrealistisch hohe Zuwächse bei der Erzeugung von kinetischer Energie in der Atmosphäre erfordert. Zuwächse von einer ganzen Größenordnung würden nämlich erforderlich sein, um den Impulserhaltungssatz in der atmosphärischen Grenzschicht zu erfüllen. Im Kontext unseres einfachen Modells vergleichen wir den Effekt von drei unterschiedlichen Annahmen über die Randbedingungen an der Oberkante der atmosphärischen Grenzschicht.

Erläuterung: Annahme 1 ist eine übliche, konstante Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe des Windrads von 80 m. Diese Annahme entspricht der bisher gültigen Vorstellung. Annahme 2 fordert einen festen Impulszufluss von der Grenzschicht-Oberkante auf 2 km Höhe in Richtung Erdboden. Annahme 3 geht von einem konstanten Energiezufluss von der Grenzschicht-Oberkante aus.

Wir führen dann Simulationen mit einem allgemeinen Atmosphären-Zirkulationsmodell durch, welches explizit die Erzeugung kinetischer (Windrad)energie bei Impulserhaltung wiedergibt. Diese Simulationen zeigen, dass die Annahme eines festgelegten Impulstransports in die atmosphärische Grenzschicht das realistische Verhalten im einfachen Modell beschreibt. Dabei kann die Annahme einer vorgeschriebenen Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe des Windrads (Erläuterung: dies war Annahme 1) ausgeschlossen werden.

Erläuterung: Annahme 1, d.h. die bisher übliche Methode, erweist sich bei hohem Windenergieentzug als ungültig. Annahme 2 und 3 sind dagegen gültig und weisen ähnliche Ergebnisse auf.

Wir zeigen zudem, dass alle unsere drei Annahmen ähnliche Abschätzungswerte für die entnommene Windenergie liefern, wenn weniger als 10% des kinetischen Energieflusses der Grenzschicht von den Turbinen extrahiert werden.

Erläuterung: Für weniger als 10% Energieentnahme liefern alle drei Annahmen etwa gleiche Ergebnisse. Oder anders ausgedrückt: Für diesen Fall, der der aktuellen globalen Situation entspricht, ist ein verminderter Energieertrag sowie eine Klimabeeinflussung durch Windräder vernachlässigbar.

Wir folgern draus, dass die übliche Methode das Potential an Windenergie signifikant in einer ganzen Größenordnung überschätzt, wenn man sich am Limit der Windenergieentnahme bewegt. Letztlich setzen daher mehr die natürlichen Einschränkungen der Umwelt der großskaligen Windradnutzung Grenzen als die ingenieurtechnischen Einschränkungen im Windturbinenaufbau und der Standortwahl.

Was am Aufsatz nach Auffassung des Autors am bemerkenswertesten ist:

Der Aufsatz ist natur- und ingenieurwissenschaftlich interessant, aber es wird hier wohl doch ein etwas unrealistisches Szenario angenommen. Die Menschheit wird nicht so verrückt wie Deutschland sein, die Energieversorgung in den "Wind zu schreiben". Es zeichnet sich aber ab, dass sich die Anzahl der installierten Windturbinen global noch weiter erhöht. Der Aufsatz beschäftigt sich neben den Energieerträgen aus Windkraft auch noch mit den Auswirkungen intensiver Windradnutzung auf Klimaparameter. Er zeigt dabei auf, dass bei intensiver Windradnutzung die (schädlichen?) Klimaeinwirkungen zwangsweise zunehmen müssen. Analog zum Biosprit sind also neben den schon bekannten Schäden durch Windturbinen weitere Kollateralschäden zu befürchten. Es sollte sich allmählich herumsprechen: Grüne Energien schädigen massiv die Umwelt!

Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

EIKE Pressesprecher

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