von Hans Hofmann-Reinecke
Der deutsche Kanzler besuchte kürzlich den Ministerpräsidenten Kanadas, um mit ihm erste Vereinbarungen über die Lieferung von grünem Wasserstoff zu treffen. Kurzfristig – für diesen oder den nächsten Winter – wir das sicherlich noch nicht greifen. Aber ist es mittel- oder langfristig die Lösung unserer Energieprobleme?
Dreimal so groß wie NRW
Grüne Projekte zeichnen sich dadurch aus, daß man auf Studien der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit verzichtet und gleich mit der Realisierung beginnt. So wird es dann manchmal ziemlich teuer, dafür ist der Nutzen umso geringer. Da kostet die Energiewende dann etwas mehr als eine Kugel Eis, und statt Strom aus Kohle und Atom gibt es Frieren für den Frieden. Es gibt also ausreichend Anlass, sich die Sache mit dem kanadischen Wasserstoff genauer anzuschauen.
Vor dem kanadischen Festland liegt die Insel Neufundland, dreimal so groß wie NRW aber mit weniger Einwohnern als Düsseldorf. In dieser dünn besiedelten Region wehen angeblich stetige und starke Winde, was sie zu einem idealen Standort für Turbinen zur Erzeugung von Elektrizität macht. Wer aber soll den Strom abnehmen? Die nächsten erwähnenswerten Städte liegen zu weit entfernt, um dahin Leitungen zu legen. Also verpackt man die Energie so, dass man sie besser exportieren kann.
Man lässt den Strom durch Wasser laufen und erzeugt dabei Wasserstoff, und weil der aus sauberer Windenergie stammt, heißt er „grüner Wasserstoff“. Ein Kilogramm davon enthält die Energie von 33 kWh, das ist etwa das Fünffache dessen, was in einem Kilogramm Kohle steckt. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass ein Kilogramm Wasserstoff ein Volumen von elf Kubikmetern beansprucht, es würde gerade mal in einen sehr großen Kleiderschrank passen.
Saukalt
Dank dieser geringen Dichte hat man früher Luftschiffe mit Wasserstoff gefüllt; die wurden dadurch leichter als die Luft. Jetzt aber wollen wir keine Passagiere transportieren, sondern den Wasserstoff selbst. Dazu nutzt man den Effekt, dass Gase bei niedrigen Temperaturen flüssig werden. Je kleiner die Moleküle, desto kälter muss es sein. Methan etwa, CH4, wird bei -164°C flüssig und Wasserstoff H2 bei -253°C. Das ist verdammt kalt, nur 20°C über absolut Null. Die Maschinen für diese Verflüssigung verbrauchen denn auch 12 kWh pro kg H2, das ist mehr als ein Drittel von dessen Energiegehalt. Und noch eine schlechte Nachricht: auch ein kg flüssiger Wasserstoff (LH2) hat immer noch ein Volumen von 14 Litern! Das macht es sehr unhandlich für den Transport, ganz abgesehen davon, dass es auf der Reise immer bei 20°C über absolut Null gehalten werden muss. Kann man also den Wasserstoff gar nicht, wie geplant, von Kanada nach Deutschland verschiffen?
Von Australien nach Japan
Seit einem halben Jahrhundert pflügen LNG-Schiffe, beladen mit Liquid Natural Gas, d.h. mit verflüssigtem Methan durch die Weltmeere; das sind diese riesigen Kähne mit einem halben Dutzend Kuppeln an Deck. Könnte man die nicht auch für grünen Wasserstoff verwenden?
Nein – aus zwei Gründen nicht. Der Unterschied zwischen -164°C und -253°C ist in unserer Vorstellung nicht signifikant – beides ist saukalt. Physikalisch gesehen ist der der Unterschied zwischen 20 Kelvin für LH2 und 109 Kelvin für LNG gewaltig. Da müssen die Isolationssysteme anders sein, ebenso die Kühlaggregate, die für die niedrigen Temperaturen sorgen.
Es gibt aber noch einen zweiten, den wirtschaftlichen Aspekt. In jedem Kubikmeter Tank befördert so ein Schiff 440 kg LNG, würde aber nur 71 kg LH2 befördern, also nur ein Sechstel. Bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung geht natürlich das Verhältnis Transportkosten zu Wert der Fracht mit ein, und das ist bei LH2 sehr ungünstig.
Gibt es also gar keine machbare Transportmöglichkeit für LH2 von Kanada nach Deutschland? Das wäre doch Voraussetzung für den kanadischen Deal!
Die weltweit erste Fahrt dieser Art, inklusive Be- und Entladung von LH2, machte die Suiso Frontier von Victoria, Australien nach in Kobe, Japan, Ankunft im Mai 2022. Es war ein hochgradig subventioniertes Projekt zur Demonstration der technischen Machbarkeit.
LH2–Abgabe
Ist damit also die Realisierbarkeit des LH2 Imports aus Kanada erwiesen? Die technische Möglichkeit mag gegeben sein. Die Wirtschaftlichkeit ist aber mehr als fraglich. Wenn man die ganze Lieferkette betrachtet: Windenergie – Elektrizität – Elektrolyse – Verflüssigung – Schiffstransport – Verteilung – Speicherung – Verstromung in Brennstoffzellen – Einspeisung ins Netz – dann muss man sehr skeptisch sein. Es würde mörderisch teuer. Vielleicht wird ja dann in Deutschland die LH2-Abgabe eingeführt und die Kilowattstunde kostet letztlich einen Euro.
Hoffen wir, daß eines Tages die Einsicht die Oberhand gewinnt, daß nicht die Bürger dafür da sind, die absurden Energiepläne der Grünen zu finanzieren, sondern daß die Energiepolitik dazu da ist, den Bürgern die Lebensqualität zu sichern, die sie sich erarbeitet haben, und der Wirtschaft eine Infrastruktur zu bieten, in der sie konkurrenzfähig operieren kann.
Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.
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Unfassbar, welche Experten, in diesem Fall ein Philosoph, Filmemacher, Schriftsteller und Fotograph in einer Person, über die Welt, so wie sie uns gefällt (copyright Pippi Langstrumpf), leider sogar außerhalb der Mainstream-Blase, aufklären und weiterbilden:
https://www.youtube.com/watch?v=d5MZRnGG6QY
„Grüne Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass man auf Studien der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit verzichtet und gleich mit der Realisierung beginnt.“
Kemfert&Co werden es uns erklären: „Grüner Wasserstoff“, das sind uns die Grünen schuldig, unterliegt grüner Physik, ganz anders als der ideologisch unerwünschte graue. Und Politik für die Bürger, wo kommen wir da hin? Wo es doch um Klima-„Weltrettung“ geht? Wofür jedweder Ruin in Kauf genommen werden muss!
In meiner Tageszeitung war zu lesen, dass in Deutschland 14TWh Wasserstoff p.a. erzeugt werden soll. Ich habe daraufhin mal errechnet, wieviel Wasser hierzu nötig ist. Preisfrage: wievielmal ist es der Inhalt der Möhnetalsperre? Ach ja, ich soll kein Baumwoll-T-shirt mehr kaufen und auch kein Steak mehr essen, da hierbei zuviel Wasser verbraucht wird. Klingt interessant, isses aber nicht.
Nicht zu vergessen, dass selbst normaler Stahl für Wasserstoff durchlässig ist wie ein Sieb und bei Kontakt innert kürzester Zeit versprödet.
Nun langweilen Sie doch unsere derzeitigen Politiker nicht mit Physik, die haben ihre eigene „Gender-Physik“ entwickelt und deren Gesetzmäßigkeiten werden im Parlament, im Spiegel oder bei Anne Will bestimmt.
Und im schlimmsten Fall haut der Herr Trittin noch ein paar Kugeln Eis drauf!
Es gibt dort auch eine Menge „grüne“ Atomkraft. Ich wette, dass sich EIKE bald PRO diesem Projekt positionieren wird…
Die Kanadier werden ein paar Pilotprojekte starten, solange die Deutschen das bezahlen („stupid german money“).
Wenn das Ganze dann floppt, wird es stillschweigend beerdigt – so wie Desertec.
Früher konnte ein Landesfürst die Scharlatane noch vom Hof entfernen lassen. Heute sind Fürsten und Scharlatane zumeist in Personalunion vereint.
Gem. Zeitungsberichten soll der grüne Wasserstoff ab 2025 in Form von Ammoniak NH3 in großen Mengen über den Atlantik kommen. Also nicht tiefgekühlt und explosionsgefährlich.
Wenn man dann neuerlich reinen Wasserstoff benötigt, muß man ihn zuerst wieder aus dem Ammoniak zurückgewinnen.
Das Verfahren, aus Wasserstoff Ammoniak zu machen, wurde von den Herren Haber und Bosch vor über 100 Jahren bei der BASF entwickelt und hat seitdem die Landwirtschaft revolutioniert und es ermöglicht, über 7 Mia Menschen zu ernähren. Auch Kriege haben seitdem länger gedauert.
Ein Ingenieur von der BASF könnte uns genauestens informieren über den Produktionsgang, den Wirkungsgrad und die Kosten. Forschung ist da überflüssig.
Explosionen 1921 bei BASF, 2001 in Toulouse, 2015 in Tianjin und 2020 in Beirut haben gezeigt, wie gefährlich Ammoniak sein kann. Ob Ammoniak zur Düngemittel-, Sprengstoff- oder zur grünen Wasserstoff-Herstellung benötigt wird, ist unter dem Aspekt der Energiesicherheit nicht nur eine Frage der Kosten sondern auch der öffentlichen Sicherheit. Ob daraus gewonnener Wasserstoff leicht nutzbares Gas sein könnte, dürfte angesichts der Zeppelin-Katastrophe 1928 von Lakehurst schon beantwortet sein.
Und obendrein ist das ganze kostenmäßig nur vergeichbar, wenn die Energiekosten unserer bisherigen Energiequellen (Kohle und Kernkraft) durch die sogenannte Energiuewende mit staatlichen CO2-Aufschlägen so verteuert werden, daß der viel zu teure grüne Wasserstoff günstiger erscheint.
Die Explosionen in der BASF und in Beirut wurden durch den Kunstdünger Amoniumnitrat NH4NO3 verursacht. Auch der Norweger Breivik benutzte diesen Stoff vor einigen Jahren in Oslo im Regierungsviertel, als registrierter Landwirt konnte er das Zeug legal beschaffen.
@Jürgen F. Matthes:
Die Katastrophe fand am 6. Mai 1937 statt.
Jede (!) Technik funktioniert nur, wenn man sie regelmässig kontrolliert / wartet / aktualisiert / erffs. repariert. Eine Technologie o. dgl. abzulehnen, weil sich bspw. vor 85 Jahren die Katastrophe von Lakehurst ereignet hat, ist m. E. ebenso sinnvoll, wie das, womit das Düstergrüne (in wachsender geistiger Umnachtung) seit mehr als 40 Jahren z. B. Atomkraftwerke verteufelt – das Sauberste, Ökonomischste usw., das existiert.
Es mischt sich ja auch kein Opel Olympia, Baujahr 1940, Seilzugbremse, Winker, Fahrradreifen in ein Hobbyrennen auf dem Nürburgring 2022, an dem sonst nur Autos mit Motoren über 400 PS teilnehmen, gell?
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Lieber Hr. Strasser,
auch wenn sich der Transport des Wasserstoffs bei vorheriger Umwandlung und späterer Rückumwandlung zu Ammoniak leichter und vor allem ohne diese irrsinnig aufwendige Kühlung bis anhe zum absoluten Nullpunkt bewerkstelligen liesse: Der bisher bereits indiskutabel miserable Wirkungsgrad der Power to Gas to Power – Prozesskette von 25 – (30?) Prozent würde damit nochmals weiter verschlechtert, und zwar durch die zweifache chemische Umwandlung. Zudem ist es mit Ammoniak noch nicht getan, denn auch dieses ist unter Normalbedingungen gasförmig. Zwar müsste es für die Verflüssigung lediglich auf unter ca. -33° C heruntergekühlt werden, aber auch das erforderte nochmals technischen, energetischen und auch finanziellen Aufwand, der die Gesamt-Energiebilanz des Power-to-Gas-Verfahrens weiter verschlechtert. Zudem ist Ammoniak auf gut Deutsch ein „Sauzeug“, von dem erhebliche Gefahren für Gesundheit, Leben und die Umwelt ausgehen.
Wie hier auch schon von anderen Kommentatoren erwähnt: Diese Schnapsidee liegt auf einer Linie mit anderen Spinnereien wie Desertec, El Hierro oder Pewllworm. Schade um die Gelder, die dort verbrannt werden, denn so können wir uns an den Scheinen noch nicht einmal im Winter wärmen.
Müller
Mein Posting sollte keine Bewertung des geplanten Vorhabens sein, sondern lediglich einen Kommentar zum Inhalt des Hofmann-Reinecke Artikels abgeben. Alles was Sie über Wirkungsgrad usw. schreiben ist natürlich richtig.
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energieversorgung-scholz-und-trudeau-unterzeichnen-abkommen-ab-2025-soll-wasserstoff-aus-kanada-kommen/28621246.html.
Lieber Hr. Strasser,
ich wollte Ihre Ausführungen lediglich um Betrachtungen zum Unterschied zwischen direktem Transport des Wasserstoffs und einer zwischengeschalteten Umwandlung in Ammoniak nebst Rückumwandlung in Wasserstoff ergänzen. Eine Kritik war nicht beabsichtigt. Grundsätzlich ist immer davon auszugehen, dass jede zusätzlich zwischengeschaltete Umwandlungsstufe die Verluste einer Prozesskette zusätzlich erhöht, ohne dass ich dies jetzt quantifizieren wollte oder könnte.