Von der Ökostrom-Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz über den Atomausstieg bis hin zu den Kohle-Ausstiegsplänen hat Deutschland seine Energiewende bislang stets im Alleingang, ohne vorherige Konsultationen der europäischen Nachbarn, betrieben. Die bauen inzwischen teure Phasenschieber an die Netzknoten ihrer Grenzen zu Deutschland, um sich vor dem Flatterstrom zu schützen, der aus Deutschland bei Sonne und Wind in ihre Netze überläuft und deren Stabilität gefährdet.

Was haben die teuren Jahre der Energiewende für das Weltklima gebracht? Zielerreichung unrealistisch. Ein Energiewende-Index betrachtet seit 2012 alle sechs Monate den Status der Energiewende in Deutschland im Hinblick auf die Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks: Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Vor dem Zieljahr 2020 legte kürzlich das Beratungshaus McKinsey seinen Bericht zur Energiewende vor. Der Bericht zieht eine ernüchternde Bilanz: die meisten Ziele krachend verfehlt und potenzielle Risiken in allen drei Dimensionen der Energiewirtschaft. Und niemand kommt auf die naheliegende Idee, dass die viel höher gesteckten Ziele der folgenden Jahre noch viel schwieriger und teurer zu erreichen sind, wenn schon die Erreichung der Ziele für 2020 unrealistisch Ist.

McKinsey: Der Energiewende-Index mit seinen 14 Indikatoren hat sich seit der vorigen Erhebung im Herbst 2018 nicht verbessert: Weiterhin sind nur sechs Indikatoren in ihrer Zielerreichung als realistisch eingestuft: die Zahl der Arbeitsplätze sowohl in erneuerbaren Energien als auch in stromintensiven Industrien, der Anteil an Stromerzeugung aus den Erneuerbaren insgesamt sowie trotz zuletzt eines leichten Anstiegs der Stromausfälle der Indikator „Ausfall Stromversorgung“ und „Gesicherte Reservemarge“.

Kritische Situationen im deutschen Stromnetz

Eigentlich könnte es eine gute Nachricht für die Energiewende sein: Vergangenes Jahr ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung nach ersten Schätzungen des Think Tanks Agora Energiewende um weitere zwei Prozentpunkte gestiegen und erreicht mit 38,2 Prozent ein neues Rekordhoch. Damit eilt Deutschland den politisch gesetzten Stromausbeute-Zielen der Energiewende weiter voraus. Klingt gut, zeigt aber auch, dass nicht die Installation neuer Solarpaneele und Windräder das Problem der Energiewende ist – es wird ja weit mehr als geplant Sonnen- und Windstrom produziert – sondern die Unzuverlässigkeit dieser Stromerzeugung. Und die ändert sich auch nicht, wenn man noch viel mehr Windräder installiert – wenn kein Wind ist, gehen sie alle nicht. Also muss nach wie vor bei Flaute und Dunkelheit auf Kohlestrom zurückgegriffen werden.

Damit wird das Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis 2020 auf 750 Millionen Tonnen zu verringern, deutlich verfehlt. Im vergangenen Jahr wurden 866 Millionen Tonnen ausgestoßen. Nur gut 60 Prozent des Einsparziels wurden erreicht. Im Energiewende-Index erreichte das Kriterium „CO2-Ausstoß“ seit Beginn der Erhebung kein einziges Mal die „100 Prozent Zielerreichung“.

Auch die Indikatoren zum Primärenergie-Verbrauch – lediglich 59 Prozent und der Stromverbrauchseinsparung mit 31 Prozent rauschen bei der Zielerreichung weit an den politisch gesetzten 2020er-Zielen vorbei. Auch bei den Haushaltstrompreisen mit 38 Prozent, bei der EEG-Umlage, beim Ausbau der Transportnetze mit 35 Prozent verfehlt die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele um Größenordnungen.

Inzwischen zweifeln die Berater sogar an der Zuverlässigkeit der Stromversorgung: „Selbst bei der Versorgungssicherheit – in Deutschland über Jahrzehnte auf sehr hohem Niveau – beginnt sich das Blatt zu wenden“, warnt McKinsey: „Im Juni dieses Jahres kam es wiederholt zu kritischen Situationen im deutschen Stromnetz: An drei Tagen wurden starke Unterspeisungen festgestellt.“

So hätten in der Spitze sechs Gigawatt Kraftwerksleistung gefehlt – also ungefähr sechs Großkraftwerke, bilanzieren die Gutachter. „Nur kurzfristige Importe aus den Nachbarländern konnten das Netz stabilisieren.“ Und dabei will die Politik bis 2022 weitere sechs große Kernkraftwerke und zusätzlich weitere Kohleblöcke stilllegen. Insgesamt sollen 17,7 Gigawatt gesicherte Leistung stillgelegt werden.

Es grenzt schon an Satire

Wie soll das funktionieren, wenn schon heute zeitweise sechs Gigawatt fehlen? Wenn nicht 17 neue Gaskraftwerke bis 2022 gebaut werden, dann fehlen im Netz 16,6 Gigawatt. Und ganz nebenbei fordert die Politik die Deutschen Nachbarn auf, ihre grenznahen Kernkraftwerke stillzulegen – genau die, von denen Deutschland im Ernstfall abhängig ist. Es grenzt schon an Satire, dass Armin Laschet den Belgiern als Ersatz dafür deutschen Strom liefern und eine extra Stromleitung nach Belgien bauen will.

Der Wirtschaftsredakteur der Welt Daniel Wetzel schreibt: Dass die Sicherheit der Stromversorgung inzwischen wackelig geworden ist, legt auch die Preisentwicklung für Regelenergie nahe. Dieser Ausgleichsstrom wird von den Netzbetreibern über eine separate Handelsplattform gekauft, um gefährlichen Frequenzschwankungen im Netz kurzfristig begegnen zu können. Während der durchschnittliche Preis für eine Megawattstunde Regelenergie 2017 noch bei 64 Euro lag, katapultierten sich die Kosten dafür in diesem Jahr auf Spitzenwerte von bis zu 37.856 Euro pro Megawattstunde. 

Womöglich könnte Deutschland dann irgendwann seinen Strombedarf noch nicht einmal mehr durch Importe decken, warnt McKinsey: „Mittelfristig besteht das Risiko, dass im gesamten europäischen Verbund nicht mehr ausreichend Versorgungskapazität vorhanden sein wird.“ (Der hervorragende Artikel ist leider hinter der Bezahlschranke versteckt, steht aber anderweitig im Netz)

In diesem Fall müssten große Industriebetriebe oder sogar ganze Siedlungsbereiche vorsorglich vom Netz genommen werden, um einen Blackout zu verhindern. McKinsey diskutiert verschwurbelt eine Lösung, die den Verbrauchern nicht schmecken wird.

Um den Ausbau der erneuerbaren Energien und die weitere Elektrifizierung voranzutreiben, ist es erforderlich, dass ausreichend flexible Erzeugung vorgehalten wird. Länder wie Schweden oder Norwegen können dabei traditionell auf die flexible und CO2-arme Erzeugung aus Pumpspeicherkraftwerken zurückgreifen. Regionen mit eingeschränktem Zugang zur Wasserkraft hingegen – wie Deutschland oder das Vereinigte Königreich – müssen ihre Energieerzeugung über flexible konventionelle Kraftwerke, Speicherlösungen oder eine Flexibilisierung der Nachfrage sicherstellen. Die Bereitstellung von Flexibilität auf der Erzeugungs- wie auf der Verbrauchsseite steht somit besonders im Fokus“.

Was sind denn in der Energiewende „flexible konventionelle Kraftwerke“? Gemeint sind Gaskraftwerke, die schon heute im Subventionsgestrüpp nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können und daher von den Betreibern bei der Netzagentur zur Stilllegung angemeldet werden. Kein Investor, der bei Trost ist, wird ein solches Kraftwerk neu bauen – es sei denn, auf Kosten der Steuerzahler. „Speicherlösungen“ gibt es nicht, jedenfalls keine bezahlbaren großtechnisch Nutzbaren. Was bleibt, ist die „Flexibilisierung der Nachfrage“. Das ist ein neuer Euphemismus, der nichts anderes heißt als: Strom gibt’s bei Sonnenschein und Wind, ansonsten regiert sozialistische Strommangelwirtschaft und Strom auf Marken.

Schlechter als Uruguay und Malaysia

Doch der Energiewende-GAU kommt noch dicker: International schneidet der selbsternannte Vorreiter Deutschland beim Thema Energiewende schlechter ab als beispielsweise Uruguay und Malaysia. Das zeigt der neue globale Energiewende-Index (Energy Transition Index, ETI). McKinsey hat dafür in Zusammenarbeit mit dem WEF den Status der Energiewende in 114 Ländern anhand von 40 Indikatoren ermittelt.

Im ETI-Gesamtranking belegt die Bundesrepublik Platz 16. Im europäischen Vergleich schneiden gleich elf Länder besser ab als Deutschland, darunter der weltweite Spitzenreiter Schweden, Norwegen, die Schweiz, Finnland, Dänemark, Österreich sowie Großbritannien und Frankreich.

Die Ergebnisse sind eine Blamage für die Politiker, die den Energiewende-Mund zu voll genommen haben, eine schallende Ohrfeige für alle selbsternannten Vorreiter und eine Enttäuschung für die Energiewende-Gläubigen. Deshalb haben Sie, liebe Leser, auch kaum etwas von den massiven Zielverfehlungen der Energiewende gehört. Die Jubelpresse hüllt sich in vornehmes Schweigen.

Liest man hingegen den Zielerreichungsbericht der Bundesregierung, müsste man meinen, mit der Energiewende ist alles in bester Ordnung. Besonders gefällt mir der Satz: „Die Energiewende ist kein deutscher Alleingang, sie ist eingebettet in die europäische Energiepolitik und findet inzwischen weltweit statt“. Um so etwas in den öffentlichen zugänglichen Bericht eines Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zu schreiben, muss man sich schon permanent im Berliner Regierungsviertel aufhalten oder permanent ein paar Flaschen Zielerreichungswasser intus haben.

Warum eigentlich muss die Regierung zur Klärung dieser Fragen McKinsey anheuern? Wozu beschäftigen die Ministerien mehr als 20.000 Mitarbeiter? Wozu gibt eine Regierung zur Bewältigung anstehender Aufgaben 800 Millionen Euro für Externe aus, um deren Ratschläge nachher in den Wind zu schlagen?

Kaum Einfluss auf den weltweiten Spurengas-Ausstoß

Obwohl Deutschland nur mit weniger als drei Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, hält die Regierung den deutschen Beitrag zur Weltrettung für essenziell: „Die hoch entwickelten Industrienationen haben eine Verantwortung, Lösungen zu entwickeln“. Meine Frage ist: Warum entwickelt dann Deutschland nicht endlich wenigstens eine einzige „Lösung“, welche die Energiewende voranbringt?

Wenn Deutschland es mit Hilfe der Energiewende schaffen würde, seinen CO2 Ausstoß planmäßig bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken – was mit heutiger Speichertechnologie unmöglich ist – dann würde der weltweite Klimakollaps erst zwei Tage später eintreten – für den Preis von mehreren Billionen Euro deutscher Steuermittel? Zum Preis der De-Industrialisierung Deutschlands auf das Niveau der Entwicklungsländer?

Außerdem: China und Indien haben derartige Steigerungsraten beim CO2-Ausstoß, dass die gesamte deutsche Einsparung bis 2050 binnen eines Jahres kompensiert wird. Sprich – Deutschland hat auf Grund seiner Kleinheit kaum Einfluss auf den weltweiten Spurengas-Ausstoß.

Ich wage mal eine Prognose. Wenn wir nicht vorher einen katastrophalen Blackout hinlegen, dann landen wir in 10 Jahren bei einem Strompreis von 35 Cents pro Kilowattstunde – auch für die vielen Arbeitslosen, die es dann geben wird. Doch dann sind wir nicht nur Europameister, dann sind wir endlich Weltmeister. Zwar nicht im Fußball, aber wenigstens im Strompreis.

Die gute Nachricht zum Schluss: Wenn die Energiewende schon dem Klima nichts nützt, dann wenigstens den Eisdielen. Das für die Energiewende gebrachte Opfer wäre dann für eine deutsche Durchschnittsfamilie so um 4.000 Euro pro Jahr. Das entspricht etwa 1.300 Kugeln bestes Schokoeis von Berthillion in Paris, also mehr als 100 Kugeln im Monat. Nicht zu sprechen von den 3.500 Kugeln Trittineis pro Jahr, weil ja Berthillion bekanntlich überteuert ist. Das wären dann so um 10 Kugeln pro Tag – Bon Appetit.

Im nächsten und letzten Artikel der Serie fasse ich die Ergebnisse der vorherigen Artikel zur Energiewende mit Paukenschlag und Tusch zusammen.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT

 

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