Die Zufallsentdeckung eines Agrarwissenschaftlers aus Münster deutet nun an, dass der Regen in Deutschland und anderen Teilen Europas in gewissen Monaten einem bislang verborgen gebliebenen Muster folgt. Im Rahmen der Agrarberatung durchforstete Ludger Laurenz die jahrzehntelangen Niederschlagsaufzeichnungen der Wetterstation Münster, wobei ihm besonders im Februar ein ständiges Auf und Ab im 11-Jahresrythmus auffiel. Nach eingehender Prüfung war klar, dass der Rhythmus eng mit der Aktivität der Sonne korrelierte, dem gut dokumentierten 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus.
Laurenz tat sich daraufhin mit zwei Kollegen zusammen, um zu überprüfen, inwieweit das beobachtete Muster aus Münster in anderen Teilen Deutschlands und Europas reproduzierbar ist und ob das Phänomen auch in anderen Monaten existiert. Horst-Joachim Lüdecke von der Hochschule HTW des Saarlandes besorgte sich daraufhin die gesammelten Niederschlagsdaten Europas seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Der emeritierte Physiker entwickelte einen Rechner-Algorithmus, mithilfe dessen die Ähnlichkeit der Veränderungen im Regen und der Sonnenaktivität bestimmt wurde. Alle 39 europäischen Länder und alle 12 Monate eines Jahres wurden über insgesamt 115 Jahre anhand mathematischer Korrelationen quantifiziert.
Um mögliche Verzögerungseffekte mit einzuschließen, wurden die Datenreihen von Regen und Sonnenflecken dabei auch systematisch auf Verschiebungen hin überprüft. Dazu wurden die Zeitreihen wie Kämme zeitlich gegeneinander schrittweise verschoben und die jeweilige Veränderung des Korrelationsmaßes notiert. Die auf diese Weise erhaltenen mehrdimensionalen Daten wurden vom Geowissenschaftler Sebastian Lüning auf systematische Trends hin ausgewertet und kartographisch visualisiert. Lüning ist mit dem schweizerischen Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK) assoziiert und hat sich auf die Erforschung solarer Klimaeffekte spezialisiert.
Die auskartierten Ergebnisse zeigen, dass die ursprünglich in Münster entdeckte Verknüpfung von Februar-Niederschlägen und der Sonnenaktivität für weite Teile Mitteleuropas und Nordeuropas Gültigkeit und dort sehr hohe statistische Signifikanz besitzt. In Richtung Südeuropa schwächt sich die Korrelation hingegen deutlich ab. Die statistische Untersuchung konnte zudem systematische Phasenverschiebungen über den Kontinent hinweg nachweisen. In Deutschland und Nachbarländern waren die Februar-Niederschläge jeweils besonders gering, wenn die Sonne vier Jahre zuvor sehr stark war. Die Verzögerung scheint über die langsame Tiefenzirkulation des Atlantiks zustande zu kommen, wie frühere Arbeiten andeuten. Auf Basis des statistisch-empirisch ermittelten Zusammenhangs lässt sich nun auch der besonders niederschlagsarme Februar 2018 in Deutschland erklären, der einer besonders hohen Intensitätsspitze der Sonnenaktivität Anfang 2014 folgte.
Ähnliche Zusammenhänge zwischen Regen und Sonnenaktivität ließen sich in abgeschwächter Weise auch in einigen anderen Monaten feststellen, insbesondere im April, Juni und Juli, was einen Großteil der Vegetationsperiode in Mitteleuropa ausmacht. Es entstand ein komplexes Bild des Zusammenspiels von Sonne und Regen in Europa, welches deutliche Trends über 1000 km hinweg erkennen ließ und von Monat zu Monat teils stark variierte. Die Studie erhärtet damit das Konzept einer solaren Beteiligung an der europäischen hydroklimatischen Entwicklung, was sich bereits aus einer ganzen Reihe von lokalen Fallstudien anderer Autoren angedeutet hatte. Der genaue Mechanismus, mit dem das Sonnensignal Einfluss auf die Niederschläge nimmt, ist jedoch noch weitgehend unklar und erfordert weitere Forschungsbemühungen.
Der nun erstmals flächenmäßig über Europa auskartierte solare Niederschlagseffekt eröffnet neue Möglichkeiten für eine verbesserte Mittelfrist-Vorhersage von Niederschlägen. Insbesondere die Landwirtschaft, aber auch die Abwehr von Extremwetterschäden im Zusammenhang mit Starkregen und Dürren könnten davon profitieren. Nächster Schritt bei der Verfeinerung der Vorhersagemethodik ist eine genauere Quantifizierung von Effekten durch atlantische Ozeanzyklen, die für das Regengeschehen speziell in Westeuropa ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Originalpublikation
Ludger Laurenz, Horst-Joachim Lüdecke, Sebastian Lüning: Influence of solar activity on European rainfall. Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 185 (20129) 29-42, doi: 10.1016/j.jastp.2019.01.012
Das pdf kann bis Ende März 2019 kostenlos unter der folgenden URL abgerufen werden: https://authors.elsevier.com/a/1YXWZ4sIlkiVhv
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen online: Institute for Hydrography, Geoecology and Climate Science, Hauptstraße 47, 6315 Ägeri, Schweiz (IFHKG): https://www.ifhgk.org/aktuelle-forschung-science-news/
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Hallo Her Mager,
mag alles so sein und jedes seinen Teil dazu beitragen; ich habe wohlweislich im Konjunktiv geschrieben. Fakt ist allerdings, dass ca. 80% der Extrem-Hochwasser SEIT 1750 an den genannten Flüssen in die sonnenfleckenarmen Zeiten fallen.
@Müller und @Egle
nein, der Svensmarkeffekt ist nicht so gravierend, sondern entscheidend ist der bei schwacher Sonne mäandernde Jetstream, der dann auch Vb Lagen begünstigt und bei quasistationären Rossbywellen dieses Starkwindbandes auch die Tiefs und Hochs an Ort und Stelle hält…dann ist in der einen Region Dürre, in der anderen Regenflut. Es gibt auch einige Ereignisse, die gut mit der Kombi 11jä-Sonnenzyklus (12 x) und 9,3jä-Mondzyklus (14 x)vorherzusagen sind, so gibt es alle 132/133 Jahre einige (meist 4 von 5) sehr regenreiche Jahre , zuletzt 2007-2010,2012, wenn ich recht erinnere und sollte an 1876-79,1881 anknüpfen. Müßte man mal weiter rückwärts prüfen, um 1745-50 war ja auch einiges an Hochwässern…(die Idee kam von Piers Corbyn, weatheraction.com, vor 10 Jahren und er behielt recht…)
Ich denke (nicht glaube), dass ein gewisser Zusammenhang zu den 11-jährigen Schwabe Zyklen besteht. Eine meiner Ausarbeitungen zeigt eine deutliche Aussage, und zwar fallen ca. 80% der Extremhochwässer an Donau, Elbe, Rhein, Amazonas und Mississippi seit 1750 in die sonnenfleckenarmen Zeiten der jeweiligen Schwabe Zyklen. Demzufolge könnte auch der Svensmark Effekt dabei eine Rolle spielen.
Es ist ja seit W.HERSCHEL vor etwa 200 Jahren bekannt, dass die Anzahl der Sonnenflecken Auswirkungen auf die Getreideernten hat; insofern kommt es nicht überraschend, dass sich da Zusammenhänge zur Niederschlagstätigkeit zeigen; auch scheint es in Phasen mit höherer Sonnenaktivität mehr Westwetterlagen über Europa zu geben. Der sehr optimistische Satz „Insbesondere die Landwirtschaft, aber auch die Abwehr von Extremwetterschäden im Zusammenhang mit Starkregen und Dürren könnten davon profitieren“ ist aber mit Vorsicht zu genießen. Denn solche Extrem-Ereignisse wie Unwetter können selbst in Dürre-Jahren wie 2018 auftreten; umgekehrt sind in nassen Jahren auch regional und zeitlich begrenzte Dürreperioden möglich; und sie sind grundsätzlich nicht längerfristig vorhersagbar. Es könnte aber sein, dass eine hohe Sonnensktivität unsere Witterung „mäßigt“, während in Phasen geringerer Aktivität, wie gegenwärtig, mehr Extremwetter auftritt. Und dann bleibt trotz der teils beachtlichen Korrelationskoeffizienten von um 0,5 ja doch ein sehr hoher Zufallsanteil – das Bestimmtheitsmaß beträgt bei r=0,5 nur 25%. Man sollte diese Forschungen, speziell unter Einbeziehung magnetischer Solardaten und von Bewölkungsdaten, unbedingt fortführen.
Die vorliegende Arbeit, eine Schatzkiste für die Research Community, hat dutzendfach den Nutzwert einer nepotistisch-politischen Phantombehörde f. Intervallschiebung u. Konzentrationserfindungen.
Außerdem ist zu sehen, daß Wissenschaft ganz ohne Doomsday Gehirnwäsche zum Radikalisieren von Schulschwänzern auskommt.
„Der genaue Mechanismus, mit dem das Sonnensignal Einfluss auf die Niederschläge nimmt, ist jedoch noch weitgehend unklar und erfordert weitere Forschungsbemühungen.“
Spontan fällt mir dazu die Svensmark-Theorie ein. Wäre doch naheliegend.