Uli Weber

Die sogenannte „Schneeball-Erde“ wird üblicherweise als impliziter Beweis für den sogenannten „natürlichen atmosphärischen Treibhauseffekt“ herangezogen, ist aber gleichzeitig auch ein nachdrückliches Beispiel dafür, dass man in jeglichem Studienfach bestenfalls die Inhalte der Pflichtvorlesungen als gegebenen Wissensstand voraussetzen kann. Eine solche gefrorene Schneeball-Erde soll im Präkambrium bei mehreren globalen Vereisungen existiert haben. In einer auf WARNSIGNAL KLIMA zusammengefassten Arbeit von Henrik Rother und Martin Meschede (2015 – Universität Greifswald) wird diese Schneeball-Erde als Beweis für die Abhängigkeit der Temperatur vom atmosphärischem Kohlenstoffdioxidgehalt (CO2) auf unserer Erde beschrieben, Zitat:

Als primärer Auslöser für die Schneeball-Erde Vereisungen wird eine drastische Verringerung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentration angenommen, wobei die resultierende Vergletscherung durch zahlreiche Rückkopplungseffekte weiter verstärkt wurde.

Zusätzlich führte die spätproterozoische Konzentration kontinentaler Landmassen in tropischen Breitengraden zu einer Intensivierung der chemischen Silikatverwitterung, wodurch der globalen Atmosphäre große Mengen des klimawirksamen Treibhausgases Kohlendioxid entzogen wurden.

Hinzu kommt, dass diese Landmassen einen wesentlich größeren Teil der intensiven äquatorialen Solareinstrahlung reflektieren, als dies bei offenen Meeresflächen der Fall gewesen wäre (Albedoeffekt).“

Wikipedia hilft uns dann gerne weiter, um die diese vorgeblich globale Vereisung in einen zeitlichen geologischen Rahmen einzuordnen, Zitat:

Mindestens vier Vereisungen im späten Proterozoikum vor 750 bis 580 Millionen Jahren lassen sich in fast allen Gegenden der Erde nachweisen.[3] Eine Gesamtvereisung der Erde wird für mindestens zwei dieser Vereisungen, die Sturtische Eiszeit (vor ca. 717 bis 660 Millionen Jahren[5]) und die Marinoische Eiszeit (vor ca. 650[5] bis 635 Millionen Jahren), vermutet.[6] Darüber hinaus finden sich Spuren noch deutlich früherer Vereisungen..“

Wir halten fest [1]: Eine mögliche „Schneeball-Erde“ existierte vor 750 bis 580 Millionen Jahren.

Vor etwa 580 Millionen Jahren, im Neoproterozoikum, existierte der Superkontinent Gondwana. Erkundigen wir uns jetzt also einmal über diesen Gondwana-Kontinent, zu dem sich die kontinen­talen Schollen vor 580 Millionen Jahren zusammengeballt hatten, und weil Opa uns dabei aus seiner Erinnerung heraus auch nicht groß weiterhelfen kann, fragen wir besser wieder Wikipedia, Zitat:

Gondwana umfasste die damals in einer Landmasse vereinigten Kontinente beziehungsweise Kratone von Südamerika, Afrika, Antarktika, Australien, Arabien, Madagaskar, Neuguinea, Zealandia und Indien.

Der Kontinent entstand im späten Neoproterozoikum (System Ediacarium) vor rund 600 Millionen Jahren durch die Kollision von Ost- und Westgondwana bzw. aus den fragmentierten Landmassen des nach erdgeschichtlichem Maßstab „kurzlebigen“ Superkontinents Pannotia im Zuge der Pan-Afrikanischen Orogenese. Lange Zeit in Südpolnähe liegend, verschmolz Gondwana im Oberkarbon (vor ca. 310 Millionen Jahren) aufgrund einer nordwärts verlaufenden Drift mit dem damaligen nordamerikanisch-skandinavischen Kontinent Laurussia und dem Kraton Asiens zum Superkontinent Pangaea.“

Die paläogeografische Lage von Kontinentalschollen wird durch die Messung der bei Abkühlung von magnetithaltigen Gesteinsschmelzen „eingefrorenen“ Richtung des Erdmagnetfeldes bestimmt. Die früheste Rekonstruktion der kontinentalen Schollen, die in nachvollziehbarer Sukzession im Internet zu finden war, betrifft den Urkontinent Pangaea in der Zeit vor 230 Millionen Jahren und stammt aus einer Animation vom GFZ Potsdam. Das reicht natürlich nicht, denn da fehlen noch mal 350 Millionen Jahre. Auch zwischen der Abbildung von Rother & Meschede und einer paleogeografischen Karte von Gondwana aus dem mittleren Ordovizium (458 Mio. Jahre) bestehen erhebliche Zeitdifferenzen:

Abbildung: Die Schneeball-Erde (links) und die Lage des Gondwana Kontinents (rechts)

Links: Rother & Meschede Abb. 2.2-2: Entwicklung des Schneeball-Erde-Zustandes und des Temperaturverlaufes am Ende der Sturtischen Vereisungsphase im späten Proterozoikum vor ca. 660 Mill. Jahren (nach Pierrehumbert 2002, Fairchild & Kennedy 2007)

Rechts: Karte von Gondwana aus dem mittleren Ordovizium (458 Mio. Jahre) – mit Quelle

Das ist jetzt ziemlich blöd gelaufen, denn vom Gondwana Kontinent ist keine anschauliche Kartendarstellung aus der Zeit vor 580 Millionen Jahren aufzufinden. Beide Grafiken leiden vielmehr unter Unschärfen und Widersprüchen. Rother & Meschede (links) stellen den Schwerpunkt der Kontinentverteilung um den Tropengürtel herum dar, allerdings für die Zeit vor 660 Mio. Jahren, während für eine bis in die Tropen reichende Schneeball-Erde eher eine Verteilung unter Einschluss beider Pole zu erwarten gewesen wäre. Die Grafik von Gondwana vor 458 Mio. Jahren (rechts) datiert wiederum 120 Mio. Jahre zu spät, stellt aber auch die in der Gondwana-Auflistung fehlenden Nordkontinente dar.

Wir halten fest [2]: Der Urkontinent Gondwana entstand zwischen etwa 660 Mio. und 580 Mio. Jahren aus einer Zusammen­ballung aller heutigen südlichen Kontinental­schollen in Südpolnähe.

Gondwana lag zur Zeit der „Schneeball-Erde“ also dort, wo sich heute Antarktika befindet. Machen wir an dieser Stelle mal einen Sprung in die Gegenwart. Antarktika ist eine Landmasse, die im Bereich des südlichen Polarkreises durch das Südpolarmeer begrenzt wird. Dieses Südpolarmeer stellt einen zirkumantarktischen Wärmespeicher dar, der eine weitere Nordverbreitung der antarktischen Gletscher verhindert. Ganz anders sähe es aus, wenn sich diese Landmasse nach Norden fortsetzen würde, wie wir das umgekehrt in der Südfortsetzung der Arktis betrachten können. Die Arktis stellt bezüglich der Land-Meer-Verteilung nämlich eine ziemlich gute geografische Inversion der Antarktis dar, denn ihr Zentralgebiet besteht aus dem Nordpolarmeer, das im Bereich des Polarkreises von kontinentalen Küstengebieten umrahmt wird:

Abbildung: Satellitenansicht vom Nord- und Südpol – Quelle: Wikipedia – Autor: NASA gemeinfrei

Wir stellen also fest, dass eine dauerhafte Schnee- und Eisbedeckung eng mit der Land-Meer-Verteilung zusammenhängt. Die Polarmeere mit einer Temperatur von wenigen Minusgraden stellen gegenüber den kontinentalpolaren Wintertemperaturen einen Hotspot dar. Die antarktische Eismasse ist daher nicht in der Lage, sich hinter der Küstenlinie über eine Meeresfläche mit ozeanischer Kruste hinweg nach Norden auszubreiten. Vielmehr brechen die Gletscherströme spätestens am kontinentalen Schelfrand ab und schmelzen dann auf ihrer ozeanischen Drift [ERKENNTNIS A]. Die nördliche Polkappe wird dagegen durch das zentral gelegene Nordpolarmeer „beheizt“, das im Bereich des Polarkreises von den angrenzenden Nordkontinenten umschlossen wird. In diesen nordpolaren Küstengebieten, teilweise bis weit ins südlich anschließende Landesinnere hinein, finden wir Permafrostböden, die in Tiefen über 1.000 Meter reichen können:

Abbildung: Nördliche Polkalotte mit Permafrostzonen und winterlicher Schnee- & Eisbedeckung

Links: Verteilung und Temperatur des Permafrosts auf der Nordhalbkugel – Screenshot SCINEXX

Rechts: NOAA Northern Hemisphere Snow & Ice Chart vom 1. März 2025

Die zirkumarktischen Permafrostböden auf den angrenzenden Landmassen beweisen, dass arktische Gletschervorstöße in mittlere Breiten auch heute möglich wären, wenn die Arktis, analog zur Antarktis, auf einer Kontinentalscholle läge und diese Gletscher auf ihrem Weg nach Süden „festen Boden unter den Füßen behalten würden“ [ERKENNTNIS B]. Immerhin reicht die winterliche Schnee- und Eisbedeckung auf den zirkumarktischen Landmassen bis in mittlere geografische Breiten von etwa 45°. Einzige Ausnahme bildet ein vom Golfstrom beheizter Streifen entlang der europäischen Westküste bis hin zum eisfreien russischen Hafen Murmansk. Kein Wunder also, dass ganz Gondwana im Präkambrium dauerhaft mit Schnee und Eis bedeckt war, weil sich beides eben auf dieser Landmasse viel weiter nach Norden ausbreiten konnte, als das heute auf Antarktika der Fall ist. Und wenn wir jetzt noch bedenken, dass die an das Nordpolarmeer angrenzenden Landflächen ja praktisch um einen ozeanischen Hotspot herum gruppiert sind, der nie kälter wird als einige wenige Minusgrade Celsius, dann kann man gedanklich extrapolieren, wie weit der Permafrost um die heutige Antarktis herum gereicht haben mag, als dort anstelle des Südpolarmeeres der Rest von Gondwana gelegen hatte.

Die Äquinoktien stellen den Wechsel von der Polarnacht zum Polartag und umgekehrt dar. In der Polarnacht reduziert sich die solare Einstrahlung schließlich auf null. Am Polartag steigt aufgrund der wachsenden Tageslänge die Energiemenge aus der solaren Einstrahlung auf das globale Maximum zur Sommersonnenwende an. Polare Gletscher können also in der Polarnacht wachsen, müssen aber den Polartag überstehen, um in der folgenden Polarnacht weiterwachsen zu können. Dieses Weiterwachsen erfordert also, dass die polaren Schnee- und Eismassen im Polarsommer nicht den gesamten winterlichen Mengenzuwachs verlieren.

Wenn wir jetzt umgekehrt einmal den heutigen tropischen Ozean betrachten, dann liegen die Temperaturen der oberflächennahen Schicht (SST) dort deutlich über 20°C. Die Sonneneinstrahlung auf der Tagseite hat dort wiederum das Potential, Materie auf über 80°C zu erwärmen. Und außerdem enthalten die Weltmeere nach sehr vorsichtiger Schätzung die Energiemenge von etwa 50.000 Tagen globaler Sonneneinstrahlung. Nachfolgend werden die SST-Temperaturen nach Eschenbach und das maximale Temperaturäquivalent aus einer Stefan-Boltzmann-Inversion im Äquinoktium gegenübergestellt:

Abbildung: Vergleich zwischen der gemessenen und der maximal möglichen Temperatur

Links: Ozeanische Oberflächentemperatur (SST) größer 23°C (Autor W. Eschenbach @ WUWT)

Rechts: Die maximale breitenabhängige temperaturwirksame solare Strahlungsleistung (linke Skala) und das resultierende S-B-Temperaturäquivalent (rechte Skala) über einen 24-Stunden-Tag im Äquinoktium

Linke Skala: MAX (Si) @24h-Tag mit (Si = 1.367W/m²* (1-ALBEDO) * cos PHIi) und (PHIi = örtlicher Zenitwinkel)

Rechte Skala: Maximales örtliches S-B-Temperazuräquivalent( SBTi) zu MAX (Si)

Mit farblich unterlegter Mollweide-Projektion (Copyright L. Rohwedder – Lizenz CC BY-SA 3.0)

Damit können wir feststellen:

Der tropische Ozean hat eine SST von über 25°C (linke Grafik).

Das maximale S-B-Temperaturäquivalent aus der solaren Einstrahlung liegt dort über 70°C.

Das maximale S-B-Temperaturäquivalent aus der solaren Einstrahlung fällt dann von mehr als 70°C sukzessive zu den Polarkreisen unserer Erde auf 0°C ab. Diese Polarkreise liegen auf 66° 33′ 55″ (66,565°) nördlicher und südlicher Breite. Greifen wir uns jetzt einmal Hawaii mit seiner Lage am nördlichen Wendekreis im Pazifischen Ozean als Beispiel heraus, also eine Inselgruppe am Rande der Tropen. Wie, bitte sehr, soll dort bei unveränderter Solarkonstante und ohne einen Anstieg der globalen Albedo die Temperatur jemals unter den Gefrierpunkt fallen?

Eine wasserumschlossene Kontinentalscholle im tropischen Ozean kann unmöglich vereisen.

Vielmehr wäre zwingend eine Landverbindung in eine der Polarregionen zu fordern, um zunächst einmal die örtliche Albedo soweit zu erhöhen, dass die Wirksamkeit der solaren Einstrahlung deutlich reduziert wird. Ob und in wie weit eine solche „Fernabkühlung“ von einer der Polkalotten aus über Landverbindungen bis in die Tropen physikalisch überhaupt möglich ist, bleibt zweifelhaft aber offen.

Die Abbildung der Schneeball-Erde von Rother & Meschede (2015) mit den um die Tropen gruppierten Kontinentalschollen besitzt jedenfalls nur einen schmalen Zugang von Amazonia aus zum südlichen Polarkreis; allerdings fehlen dort ausgerechnet die polaren Liefergebiete selbst [ERKENNTNIS C]. Von daher sieht es der Autor als höchst unwahrscheinlich an, dass auf diesem Weg überhaupt eine Vergletscherung tropischer Kontinentalschollen erfolgt sein kann. Als erste grobe Abschätzung formuliert der Autor: Das polare Liefergebiet muss größer sein als das äquatoriale Zielgebiet. Genauso sieht es nämlich bei Gondwana aus, wo eine Zusammenballung von Kontinentalschollen um den Südpol über eine Landverbindung sogar Ausläufer bis in die Tropen gespeist haben könnte. Die zusammenhängende kontinentale Restfläche in den Tropen wäre allerdings flächenmäßig zu vernachlässigen, weil keine Verbindung zwischen Gondwana und den Nordkontinenten berichtet wird.

Einen kurzen paläogeografisch-geophysikalischen Exkurs kann ich dem interessierten Leser jetzt nicht ersparen. Die Theorie der Kontinentaldrift von Alfred Wegener kann wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Sie errang Bestätigung durch die Magnetometer-Aufzeichnungen der amerikanischen Begleitzerstörer für die nordatlantischen Schiffskonvois im WK2. Wissenschaftliche Analysen dieser Daten in den 1950-er Jahren ergaben symmetrische magnetische Muster beiderseits des Nordatlan­tischen Rückens, die als Sea-Floor-Spreading die Wegener‘sche Hypothese bestätigten. Später folgten magnetische Labormessungen an terrestrischen Basalten, die bei ihrer einstigen Abkühlung unter den sogenannten Curie-Punkt das örtliche Magnetfeld „eingefroren“ hatten. Daraus ergaben sich in zeitlicher Abfolge der geologischen Proben wiederum sogenannte „Polwanderungs­kurven“, und diese Kurven sahen für unterschiedliche Kontinentalschollen ganz unterschiedlich aus. Nun sind die magnetischen Pole aber gar nicht gewandert. Vielmehr entsteht das erdmagnetische Feld nach der gängigen Theorie durch eine Art zylindersymmetrischen Ringstrom im Erdinneren. Und dessen magnetisches Feld richtet sich wie das Feld eines Stabmagneten etwa in Richtung der Rotationsachse unserer Erde aus. Das „etwa“ bedeutet, dass dieses Erdmagnetfeld mit seinen Polen um den jewei­ligen geografischen Pol „herumeiert“, und zwar mit einer Zeitkonstante von 100 bis 1.000 Jahren. Eine magnetische Polumkehr ändert nichts daran, dass die magnetische und geografische Achse in einer geologischen Betrachtung immer zusammenfallen. Allerdings lässt die Datenqualität jenseits von Pangaea (230 Mio. Jahre) aufgrund tektonischer Überprägungen stark nach.

Wir halten fest [3]: Die magnetischen und geografischen Pole fallen in einer paläogeografischen Betrachtung immer zusammen.

Wenn also die magnetischen und geografischen Pole in einer paläogeografischen Betrachtung immer zusammenfallen, dann werden umgekehrt die sogenannten Polwanderungskurven zu Wanderungs­kurven der jeweiligen Kontinentalschollen. Dabei ist die Bestimmung der paläogeografischen Breite deutlich einfacher als die Bestimmung der Länge, aber das lassen wir hier mal außen vor. Mit [1], [2] und [3] wissen wir jetzt also, dass sich die Kontinentalschollen während der sogenannten Schneeball-Erde um den Südpol gesammelt hatten. Mit der kontinentalen Drift auf ihre heutigen geografischen Positionen haben sie dann ganz einfach die glazialen Informationen aus dem Präkambrium mitge­nommen. Und erst wenn man die paläogeografische Entwicklung unserer Erde aus den vergangenen mindestens 580 Mio. Jahren ignoriert, wird aus diesen Informationen dann eine „Schneeball-Erde“.

ERGO: Mit [A], [B] und [C] war’s dann kein Schneeball, sondern nur eine ganz gewöhnliche Eiszeit:

[ERKENNTNIS C]: Es fehlen in großem Umfang polare Liefergebiete, zumal der einzige südpolare Zwickel von Amazonia deutlich kleiner ist als das äquatoriale Zielgebiet.

[ERKENNTNIS B]: Gletscher benötigen auf ihrem Weg zwingend „Boden unter den Füßen“.

[ERKENNTNIS A]: Gletscherströme enden spätestens am kontinentalen Schelfrand.

 

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