Wer vor zehn Jahren fragte, wo der Strom nach Atom- und Kohleausstieg bei Dunkelheit und Windstille herkomme, bekam die Antwort: Wir werden moderne, hocheffektive Gaskraftwerke haben. Nun bedarf es fossiler Reserven auf Basis des Kraftwerkssicherheitsgesetzes. Und für die Bürger wird es noch teurer. 

Von Frank Hennig

Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG)

Anfang Juli einigte sich das Kabinett in Berlin auf ein neues Gesetz. Waren vor kurzem offenbar nur Windkraftanlagen im öffentlichen Interesse, sogar wichtig für die nationale Sicherheit, braucht es jetzt Sicherheit durch fossile Kraftwerke. Das ist im Grunde logisch. Wer vor zehn Jahren fragte, wo der Strom nach Atom- und Kohleausstieg bei Dunkelheit und Windstille herkomme, bekam die Standardantwort im Brustton tiefster Überzeugung: Wir werden moderne, hocheffektive Gaskraftwerke haben.

Passiert ist in dieser Hinsicht in den vergangenen zehn Jahren allerdings so gut wie nichts. Die zur Legitimation des Atomausstiegs geschaffene und überwiegend mit fachlichen Laien besetzte Ethikkommission sprach 2011 noch von hochmodernen Kohlekraftwerken, die als Ersatz neu zu bauen wären. Dieser Gedanke wurde von steigenden Zertifikatepreisen für CO2 und der einsetzenden Klimapanik bald beiseite gewischt.

Die „Kommission für Wirtschaft, Strukturwandel und Beschäftigung“, besser bekannt als „Kohlekommission“, wurde zur Legitimation des Kohleausstiegs geschaffen und ebenfalls überwiegend mit fachlichen Laien besetzt. Im Abschlussbericht vom Januar 2019 findet sich der Hinweis auf neu zu bauende Gaskraftwerke. Mehr als fünf Jahre später ist auch hier so gut wie nichts passiert. Eine „Kraftwerksstrategie“ sollte dies dann regeln und bis Sommer 2023 aufgelegt werden. Es dauerte bis Februar 2024, bis zwar nicht die Strategie, aber die Eckpunkte dazu veröffentlicht wurden. Konkret wird es nun erst Ende 2024/Anfang 2025. Nach vorliegenden Erfahrungen eher später.

Nun bedarf es fossiler Reserven auf Basis des oben genannten Kraftwerkssicherheitsgesetzes. Gleichzeitig kündigt Habeck den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 offiziell auf. Das ist ein Frontalangriff auf die grüne Energiewende-Ideologie, die bisher unterstellte, Versorgungssicherheit auch durch „Säulen“ wie Sonne und Wind herstellen zu können. Es galt die These, man könne quasi sofort aus der Kohle raus.

„Die Wissenschaft“ irrt

Noch vor zwei Jahren war das DIW selbstgewiss, dass der Kohleausstieg bis 2030 möglich bliebe. „Erneuerbare Energien können genauso versorgungssicher wie die alten, ineffizienten und unflexiblen Kraftwerke sein“, liest man sogar im DIW-Wochenbericht 18 des aktuellen Jahres 2024. Etwas schräg die weiteren Erkenntnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung unter Federführung der Universalwissenschaftlerin Professorin Kemfert: Die Versorgung ohne Kohle und Kernkraft im Jahr 2030 sei sicher. Der Ausstieg aus Kohle und Gas solle beschleunigt werden. Die Preisspitzen beim Strom seien im Übrigen auf die französischen Kernkraftwerke zurückzuführen.

Vermutlich befolgte hier Minister Habeck die „follow-the-science“-Forderung, ohne allerdings andere Wissenschaftler oder die Praktiker bei Netzbetreibern und Versorgern anzuhören. Er wird sich vom grünen Fußvolk peinliche Fragen anhören müssen, galt doch der im Koalitionsvertrag genannte vorgezogene Kohleausstieg als ein in Aussicht stehender Triumph nach dem erreichten Atomausstieg.

Habeck ist nicht nur von der Wirklichkeit umzingelt, sondern steht auch mit dem Rücken zur Wand. Er will „voll ins Risiko gehen – vielleicht gelingt es ja auch“. Eine Vorstellung von der Bedeutung kritischer Infrastruktur scheint er nicht zu haben. Was passiert, wenn es nicht gelingt, sagt er nicht. Er ist ein Zocker, der nach eigenem Bekunden mit Deutschland nichts anzufangen weiß, von Unternehmern aber Standortpatriotismus verlangt. Er benutzt einen Gesetzentwurf (des Gebäudeenergiegesetzes), um zu testen, wie weit er seine grünen Allmachtsphantasien ausleben kann. Die Menschen im Land als Laborratten der Grünen. Einem Drehbuchschreiber wäre so etwas nur im Fantasy-Genre eingefallen.

Der Staatsplan

Im Kraftwerkssicherheitsgesetz stehen, wie zu erwarten war, kleinteilige staatsplanerische Vorgaben, die offenbar wieder ohne jegliche Plausibilitätsprüfung gemacht wurden.

Noch bis Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten sollen Ausschreibungen veröffentlicht werden für 12,5 Gigawatt (GW) Gaskraftwerksleistung, also etwa 25 Anlagen. Zeitnah sollen auch fünf GW H2-ready (also vorbereitet für den Betrieb mit Wasserstoff) und zwei GW auf Wasserstoff umzubauende Anlagen ausgeschrieben werden. Dazu 0,5 GW sofort H2-fähige Kraftwerke (die es technisch, zumindest hinsichtlich von Gasturbinen, noch gar nicht gibt) und 0,5 GW Speicherleistung. Diese ist allerdings relativ uninteressant, entscheidend ist die Kapazität in Gigawattstunden (GWh).

In einer zweiten Phase sollen bis 2045 weitere fünf GW „klimaneutrale“ Kraftwerke dazu kommen. Treffender hätte man sie emissionsfrei nennen können, aber der Klimabegriff muss immer mit rein.

Vor allem im „netztechnischen Süden“, von mir früher als Südzone bezeichnet, sollen diese Kraftwerke errichtet werden, um die hohen Redispatchkosten zu senken. Die Südzone unterscheidet sich vom geographischen Süden durch eine Zonengrenze, die annähernd der Mainlinie entspricht. Sie hätte sich mit Sicherheit in Richtung NRW verschoben, wenn dort der vorgezogene Kohleausstieg 2030 erfolgen würde, was nun vom Tisch ist.

Ab 2028 soll der noch mit der EU-Wettbewerbskommission zu vereinbarende Kapazitätsmarkt greifen, der auch die neu in Reserve stehenden Kraftwerke vergütet. Mit den Ausschreibungen macht das Ministerium wieder einmal den zweiten Schritt vor dem ersten. Investoren, die sich auf die Ausschreibungen bewerben, wissen nicht, wie sie die Reservestellung ihrer künftigen Gaskraftwerke vergütet bekommen. Das ist aber eine wichtige Kalkulationsgrundlage, denn die Vollastbetriebsstunden, in denen Strom am Markt verkauft werden kann, schätzt man auf nur 800 – von 8.760 Jahresstunden.

Auch mit diesem Gesetz soll wieder den Bürgern in die Tasche gegriffen werden. Ab 2030 stellt man eine neue Umlage auf den Strompreis in Aussicht in Höhe einer „Nachkommastelle“. Verivox schätzt die zusätzliche Belastung für einen Normal-Haushalt auf ein bis drei Euro pro Monat. Das wäre vergleichsweise jetzt so viel wie eine Kugel Eis. Diesen Vergleich hatten wir schon mal.

Es geht um die Sicherheit, wozu es Gaskraftwerke braucht. Nebenbei wird auch der Klimaschutz noch ein bisschen mehr kosten. Landwirtschaftsminister Özdemir hält eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch auf neun oder zehn Prozent für geboten. Das sei zumutbar und die Kunden würden es kaum merken. Am Ende zählt für die Bevölkerung die Summe der verschiedenen Eiskugeln. Überbezahlte Politiker werden es in der Tat kaum bemerken.

Fazit

Die ausgeschriebenen Kapazitäten werden absehbar nicht ausreichen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) geht von 25 GW bis 2030 aus. Auch eine Umlage als Nachkommastelle wird nicht reichen. Derzeit machen Umlagen 31 Prozent des Strompreises aus, 30 Prozent die Netzentgelte. Beim Netzausbau jongliert man inzwischen mit dreistelligen Milliardenbeiträgen, dass einem schwindlig wird. Es lässt sich auch nicht mehr verschleiern, dass der grüne Zufallsstrom die Ursache setzt. Das steht nun sogar in der „Frankfurter Rundschau“:

„Damit vor allem im Norden produzierter Windstrom in die großen Verbrauchszentren kommt, sollen Tausende Kilometer neue Stromtrassen gebaut werden. Das ist allerdings sehr teuer.“

Die Energiepolitik der Ampel trägt wesentlich zur Krise des Staatshaushalts bei. Die Energiewende wird am Geldmangel verhungern.

Inzwischen nehmen die Schwankungen des eingespeisten Ökostroms weiter zu. Am 16. Juli 2024 wurde mit 325 Stunden negativer Preise bereits der Wert des Gesamtjahres 2023 erreicht. Die täglichen Preisschwankungen an der Börse nehmen weiter zu. Es ist eine Frage der Zeit, wann sich auch physische Folgen zeigen.

Es zeichnet sich ab, dass künftig viele Gesetze geändert werden müssen. Herr Habeck wird dann, mit einer gesicherten Altersversorgung im Rücken, wieder Kinderbücher schreiben können.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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