Teil 6: Die Entwicklung der Windgeschwindigkeit in Bayern und am Nordrand der Alpen: Unsichere Zunahmen

Endlich gefunden: Ein Bundesland mit Windzunahme!

Windsprung aufwärts“ in Bayern?

Stefan Kämpfe

Bislang wurden in dieser Serie zur Entwicklung der Windgeschwindigkeit nur Regionen Deutschlands besprochen, welche Windabnahmen oder wenigstens Stagnation aufwiesen. Nun ist das wegen seiner Verweigerungshaltung gegen den Windkraftausbau so scharf kritisierte Bayern an der Reihe. Sollen die ehrgeizigen Ziele der deutschen Energiewende erreicht werden, geht das nicht ohne einen weiteren, massiven Windkraft-Ausbau. Doch in der Nordhälfte sind die besten Standorte an Land belegt, und selbst der Stellvertretende Ministerpräsident Bayerns, Hubert Aiwanger, fordert nun für sein Bundesland mehr Windkraft. Aber in den Niederungen der Energiewende-Politik lauert schon das Kubische Gesetz.

Einführung

Weil an den Alpen und in deren Vorland (etwa 35 bis 60 Km Entfernung) an ruhigen Tagen kräftige Ausgleichswinde wehen, wird dieser Streifen, der sich vom Bodensee bis nach Österreich erstreckt, unter Einbeziehung weniger österreichischer Stationen (erst ab 1999 und nur bis 2022 verfügbar), hier gesondert und das übrige Bayern extra behandelt. Hoch- und Gipfellagen über etwa 600 Meter Höhenlage werden später betrachtet. In Bayern gab es leider viele fehlerhafte Daten und teils zeitliche Einschränkungen.

Mehr Windkraftnutzung in Bayern – (k)eine gute Idee?

Es ist sicher kein Geheimnis – in Bayern werden, von wenigen Gipfel- und Hochlagen einmal abgesehen, die Windgeschwindigkeiten Norddeutschlands nicht erreicht, siehe auch Teil 1. Ein Vergleich Bayerns mit dem Nordwestdeutschen Binnen-Tiefland (siehe Teil 4) illustriert das sehr eindrücklich.

Abbildung 1: Entwicklung der Jahresmittelwerte der Windgeschwindigkeit in Nordwestdeutschland (ohne Küste, rot) und in Bayern ohne Alpenrand und Gipfel (dunkelgrün). Im Nordwesten ist die Windgeschwindigkeit etwa 1,3-mal höher, als in Bayern

Am Alpenrand (hier ausgeklammert) weht der Wind mit etwa nur 2,2 m/s noch deutlich schwächer. Auf den ersten Blick scheint der Unterschied zwischen Bayern und NW-Deutschland gering. Aber das 1,3-fache an Windgeschwindigkeit bedeutet nach dem Kubischen Gesetz gut die doppelte Energiemenge, welche der Wind im Nordwesten liefert! Es müsste also, gleiche Bezugsfläche und Anlagentypen vorausgesetzt, mindestens die doppelte Anlagenanzahl in Bayern aufgestellt werden! Ob das aus purer Verzweiflung über den nach Kernkraft-Ausstieg, Gas-Embargo und geplantem Kohle-Ausstieg drohenden Energiemangel sinnvoll ist, müssen die Politiker und deren Wähler entscheiden. Sicher ist: Bayerische Windenergie wird sehr ineffizient sein und die astronomisch hohen Strompreise eher noch weiter steigen lassen.

Unsichere Windzunahme in Bayern – warum?

Um es vorweg zu nehmen: Die Bayerischen Winddaten waren besonders rar und von schlechter Qualität; seit 1988 verlegungsfreie Stationen fehlten völlig. Wie immer in dieser Serie, als erstes das Bayern-Mittel inklusive nachweislich fehlerhafter Stationen. Eine (vielleicht fehlerhafte) Windabnahme hatte nur Hof ganz im Norden Bayerns. Straubing und der Flughafen München blieben fast ohne Trend; alle übrigen Stationen zeigten mehr oder weniger deutliche Zunahmen, wobei die Zunahme in Bad Kissingen (1,7 m/s) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Verlegungsfehler ist – siehe Teil 1.

Abbildung 2: Windmittel aller ab 1988 verfügbaren Stationen. Ein 1990er-Windsprung aufwärts und ein sehr windreiches Jahr 2007 fallen ins Auge.

Ohne Bad Kissingen dann folgendes Bild:

Abbildung 3: Ohne die nachweislich fehlerhafte Station Bad Kissingen wird die Windzunahme merklich schwächer. Ab den späten 1990ern gab es praktisch kaum noch Windzunahme.

Ab 1997 war dann mit Fürstenzell wenigstens noch eine weitere Station verfügbar.

Abbildung 4: Mit Fürstenzell und dem fehlerhaften Bad Kissingen kein signifikanter Trend der Windgeschwindigkeit in Bayern ab 1997.

Nun stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser (mutmaßlich) anderen Entwicklung in Bayern (in einem späteren Teil werden wir aber noch sehen, dass Bayerns Gipfel-Stationen, der Große Arber und die Zugspitze, leichte Windabnahmen zeigten). Bayern, größtenteils südlich des 50. Breitengrades liegend, ist schwächer vom Nachlassen der Westwetterlagen betroffen, als Norddeutschland. Auch hier bot sich an, das Luftdruckgefälle nach Norden zu analysieren; leider war es beim NOAA nur für den 12,5ten Längengrad verfügbar (11° wären besser gewesen). Es nahm über Bayern, anders als über Norddeutschland, ein wenig zu, aber weit unter Signifikanzniveau, und war, anders als dort, sogar leicht negativ. Damit kann es die leichte Windzunahme nicht erklären.

 

Abbildung 5: Jährliches Luftdruckgefälle nach Norden und Windgeschwindigkeitsmittel in Bayern ohne Alpenrand und Gipfel 1988 bis 2023.

Bayern weist, gemeinsam mit Baden-Württemberg, die geringste Dichte an Windkraftanlagen aller Flächenländer auf. Dort sind nur etwa 15% der Nennleistung Brandenburgs installiert (Stand: Ende 2023). Das natürliche Windverhalten blieb dort also noch weitgehend ungestört. Eine andere Erklärung wäre die in Bayern besonders stark zunehmende Sonnenscheindauer. Diese könnte im nirgendwo völlig ebenen Bayern sommerliche Lokalwinde beschleunigt haben (diese dominieren bei geringem großräumigem Luftdruckgefälle).

Abbildung 6: Im Sommer nahm die Sonnenscheindauer in allen Regionen Deutschlands zu, besonders aber in Bayern.

Doch in Bayern zeigte sich die geringe Windzunahme in allen Jahreszeiten – eine endgültige Erklärung für das Windverhalten steht also noch aus.

Alpenrand: Zunahme mit höchster Unsicherheit

Weil nur drei bayerische Stationen vorlagen, mussten Konstanz (Baden-Württemberg), Kufstein, Salzburg und Kremsmünster (Österreich) einbezogen werden, was den Untersuchungszeitraum auf 1990 bis 2022 einengte. Die hohe Windzunahme von 0,91 m/s in Garmisch-Partenkirchen konnte nicht geklärt werden, die noch höhere von 1,25 m/s in Oberstdorf resultiert mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer Verlagerung 1994. In Konstanz und Kempten gab es merkliche Zunahmen, in Salzburg eine schwache, und im Widerspruch dazu in Kufstein und Kremsmünster mit über 0,5 m/s merkliche Geschwindigkeitsabnahmen. Es wird daher nur die Entwicklung aller sieben Alpenrand-Stationen gezeigt; eine Ursachenforschung blieb ergebnislos; doch könnten außer Stationsfehlern unterschiedlichste Lokaleffekte für das uneinheitliche Verhalten verantwortlich sein.

Abbildung 7: Unsichere Windzunahme am Alpenrand 1990 bis 2022. Anders, als im restlichen Bayern, gab es dort einen späteren Windsprung (2000er). Trotz dieser Zunahme weht der Wind dort noch merklich schwächer, als im übrigen Bayern oder gar in Norddeutschland.

Trotz vieler Unsicherheiten – in Bayern und am Alpenrand wurde es in den letzten Jahrzehnten vermutlich etwas windiger.

(wird später fortgesetzt)

Stefan Kämpfe, Diplom- Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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