Eine aktuelle Buchbesprechung

von Edgar L. Gärtner

Burghart Schmidt hat bis 2008 über 30 Jahre lang das Forschungslabor für Dendrochronologie und Dendro-Klimatologie am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln geleitet. Zusammen mit dem bekannten Technik-Journalisten Holger Douglas hat er nun im Stuttgarter Neusatz-Verlag einen gut ausgestatteten Bildband veröffentlicht, in dem er seine zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Instituten erzielten Forschungsergebnisse veröffentlicht. Diese bestätigen die meisten Erkenntnisse anderer Natur- und Kulturwissenschaftler über die Entwicklung des europäischen Klimas in den letzten 10.000 Jahren und erlauben darüber hinaus einen globalen Vergleich der Ergebnisse physikalischer und biologischer Datierungsmethoden.

Die heutige Großstadt Köln entstand linksrheinisch auf dem Platz des Oppidum Ubiorum, das heißt auf dem Gebiet des Germanenstammes der Ubier. Sie erhielt im Jahre 50 n.Chr. die Stadtrechte und nannte sich fürderhin Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA). Die Stadtgründung fiel in die Zeit eines starken demografischen Wachstums – vor allem durch den Zuzug von Siedlern aus dem Süden, der durch ein mildes Klima begünstigt wurde. Die florierende Großstadt Köln erwies sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinen Tiefbau-Großbaustellen für die Errichtung einer unterirdischen Nord-Süd-Verbindung, der Philharmonie und des Walraff-Richartz-Museums als beinahe ideales Versuchsfeld für den Einsatz der Dendrochronologie für die Erforschung der Klima- und Kulturentwicklung in den letzten Jahrtausenden. Dabei nutzen die Forscher die bekannte Tatsache, dass die Breite der Jahrringe mit dem Wetter schwankt. Mithilfe von Referenz-Jahrring-Sequenzen konnten die Forscher das genaue Jahr des Baus einer Hafenanlage zwischen dem Rheinufer und der vorgelagerten Insel sowie die geografische Herkunft der dort für die Errichtung von Spundwänden benutzten Eichenstämme ermitteln.

Im Jahre 89 n.Chr. erhielt die CCAA den Status der Provinzhauptstadt Niedergermaniens. Dadurch verwandelte sich das Rheinufer in eine Großbaustelle. Der Bau einer vier Kilometer langen Stadtmauer aus Stein und Beton wurde in Angriff genommen. Die dabei verwendeten langen Tannen-Schalbretter blieben im feuchten Boden und überdauerten dort zwei Jahrtausende. So konnte deren genaues Alter und Herkunft beim Bau der Philharmonie und der U-Bahn mithilfe der Dendrochronologie bestimmt werden. Das Einrammen der Pfähle für den Bau einer Stützmauer, einer Brücke zur Insel und die Anlage einer Mole aus Eichenpfählen konnte nur bei Niedrigwasser durchgeführt werden. Das war im Jahr 49 der Fall, als Germanien offenbar einen „Jahrhundertsommer“ erlebte. Deshalb begannen die Arbeiten, die im Bauboom von 89 gipfelten, schon in diesem Jahr. Insgesamt brauchten die römischen Baumeister für die urbanistischen Projekte des Jahres 89 etwa 2.500 mächtige Traubeneichen aus dem Bergischen Land und anderen deutschen Mittelgebirgen bzw. 1.000 Tannen aus dem Schwarzwald. Die Baumstämme wurden mithilfe von Plattboden-Lastkähnen (Prahms) auf dem Rhein transportiert oder geflößt. Eine vollständig erhaltene Prahm von 23 Metern Länge wurde auf dem Grund der Fahrrinne zwischen der Insel und der Stadt ausgegraben.

Die Bäume wachsen am besten in feucht-warmem Klima und erheblich schlechter bei Kälte oder trockener Hitze. Deshalb kann die Jahrring-Breite kein direkter Indikator für die Entwicklung der Durchschnittstemperatur eines Standortes sein. Am leichtesten fällt die Altersbestimmung von Baumscheiben in Perioden mit relativ stabilem Klima. Das war offenbar in den Jahrzehnten um Christi Geburt der Fall. Schwieriger wurde es zwischen den Jahren 200 und 400 n. Chr., als eine Klimaverschlechterung vermutlich zu ersten Barbaren-Einfällen ins Römerreich führte. Und es stellte sich heraus, dass es auch in der vorchristlichen Zeit Perioden mit sehr wechselhaftem Klima gab, in denen Versuche der Altersbestimmung allein nach der Baumringbreite keine befriedigenden Antworten liefern konnten.

Zum Glück steht den Forschern seit dem Jahre 1952 die vom amerikanischen Chemie-Nobelpreisgewinner Willard Frank Libby entwickelte alternative Methode der Altersbestimmung mithilfe des instabilen Kohlenstoff-Isotops C14 zur Verfügung. Normalerweise liegt in der Atmosphäre nur eines von einer Billion Kohlenstoff-Atomen als C14 -Isotop vor. Die Halbwertszeit von C14 beträgt 5570 Jahre. So lässt sich das Verhältnis von C14 zu normalen Kohlenstoff-Atomen (C12) in abgestorbener organischer Substanz für deren Altersbestimmung nutzen. Deshalb wurde die C14-Bestimmung zu einer eminent wichtigen Methode der Geschichtswissenschaft. Infolge dessen musste der Beginn der Jungsteinzeit um mindestens 800 Jahre weiter in die Vergangenheit gelegt werden.

Seit den 1980er Jahren sind die allermeisten der damit befassten Forscher überzeugt, dass die C14-Kurven und die Baumringmuster verschiedenster Standorte die Entwicklung der Sonnenaktivität widerspiegeln. Bei schwacher Sonnenaktivität (ablesbar an der geringen Zahl oder dem völligen Fehlen von Sonnenflecken) steigt der C14-Anteil. Pionierarbeit leistete dabei der kalifornische Physiker Hans Suess. Dieser hatte den Vorteil, dass er seine Baumring- und C14-Kurven an über 2000-jährigen lebenden Mammutbäumen eichen konnte. Burghart Schmidt, der Autor des vorliegenden Bildbandes, entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Physiker Wolfgang Gruhle mithilfe von Korrelationsberechnungen im gleitenden Zeitfenster einen Homogenitäts-Index (HG-Index), der sich besser für die Aufdeckung des Einflusses von Schwankungen der Sonnenaktivität auf die Niederschlagsneigung und das Baumwachstum eignet als die alleinige Untersuchung der Jahrringe. Die Fachwelt spricht von einem „Schmidt-Gruhle-Effekt“.

Ein Bild, das Text, Entwurf, Zeichnung, Handschrift enthält. KI-generierte Inhalte können fehlerhaft sein.

Das gleitende Mittel der Sonnenfleckenzahl zwischen den Jahren 1500 und 2000 (Abbildung oben) stimmt gut mit den bekannten Effekten des Maunder-Minimums (1645 bis 1715) und des Dalton-Minimums (1790 bis 1830) der Sonnenaktivität überein und legt die Existenz eines Zyklus zwischen 50 und 70 Jahren nahe. Verlängert man die Kurve um die 210 Jahre des bekannten Suess-DeVries-Zyklus (siehe die untere Abbildung), dann müsste das nächste Dalton- Minimum zwischen 2030 und 2050 eintreten.

Überflüssig, darauf hinzuweisen, dass der Bildband eindrucksvoll die Forschungsergebnisse unserer Freunde Henrik Svensmark, Nicola Scafetta, Fritz Vahrenholt, Sebastian Lüning und Horst Lüdecke bestätigt. Burghart schätzt, dass die Klimaentwicklung zu über 80 Prozent von den Zyklen der Sonne abhängig ist.

Burghart Schmidt und Holger Douglas: 3000 Jahre Klima-Achterbahn. CO2 ist nur Sündenbock. Neusatz-Verlag, Stuttgart 2025. 126 Seiten. ISBN-13: 978-3-948090-07-4. info@neusatzverlag.de

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken