Das „Wärmeplanungsgesetz“ macht eine Wärmeplanung für Kommunen zur Pflicht. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als der staatlich verordnete Abbau der Gas-Infrastruktur. Allein in Mannheim sollen über 50.000 Kunden abgeklemmt werden.

 

Von Frank Bothmann.

Das „Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze“ oder auch „Wärmeplanungsgesetz“ (WPG) ist seit dem 1. Januar 2024 in Kraft. Mit diesem Gesetz wird für Kommunen eine Pflicht zur Wärmeplanung erstmals ins Leben gerufen und die Grundlage für die „Transformation von Gasverteilnetzen“ (§26 WPG) geschaffen.

Das WPG bildet aus der Sicht der Erfinder zusammen mit dem Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) und einschlägigen Verordnungen seitens der EU-Kommission einen stringenten Ordnungsrahmen, der durch rechtliche und verordnungstechnische Vorgaben erhebliche Zwänge für alle Menschen mit sich bringt, die ein Haus oder eine Wohnung besitzen oder nutzen. Bisher hat es zu keinem der Gesetze und Verordnungen eine Vorberatung oder Einbeziehung der Bürger gegeben, um den grundsätzlichen Bedarf für solche Regelungen zu ermitteln.

Beratungsfirmen und Fördergelder

Die kommunale Selbstverwaltung ist im Artikel 28 des Grundgesetzes festgeschrieben, in dem  „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln sind“. Im Rahmen der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben obliegt es unter anderem den Städten und Kommunen, die Energie- und Wasserversorgung den örtlichen Bedürfnissen entsprechend zu organisieren und durchzuführen.

Das WPG missachtet das Subsidiaritätsprinzip, da es mit den erheblichen Verfahrensvorgaben und -inhalten die Selbstverwaltung der ortsangepassten Wärmeversorgung infrage stellt und ein neues Handlungsfeld für die Kommunen einführt. Das Gesetz enthält keine Angaben, wie diese zusätzliche Aufgabe durch die Kommunen finanziert werden soll. Dies erfolgt mit den notwendigen Landesgesetzen, in denen teilweise Finanzierungsangebote gemacht werden.

Dieser Umstand ist den Erfindern des WPG natürlich bewusst, weshalb das Gesetz mit dem Zugang zu 500 Millionen Euro Fördergeldern gekoppelt wurde. Mit dieser 100-Prozent-Förderung werden die Kommunen geködert, um die neue Aufgabe der Wärmeplanung umzusetzen. Da es hierzu natürlich in den Kommunen keine personellen Kapazitäten gibt, werden die sogenannten „Wärmepläne“ durch eine Heerschar von Beratungsfirmen erarbeitet, die durch das viele Fördergeld finanziert werden.

Vermeidung politischer und demokratischer Mitwirkung

Das WPG ist eine Neuerfindung und hat mit der Realität nichts zu tun. Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass im § 3 WPG insgesamt 49 Begriffe definiert werden oder bestehende Begriffe im Sinne des WPG umgedeutet werden. Hierunter finden sich Begriffe wie „blauer / türkiser / orangener Wasserstoff“, „planungsverantwortliche Stelle“, „Wärmenetzgebiete“, „Wärmeplan“, „Zieljahr“ oder „unvermeidbare Abwärme“. Für das Handlungsfeld der „kommunalen Wärmeplanung“, die es noch nie gegeben hat und noch nie vermisst wurde, muss also erst aufwändig ein Ordnungsrahmen erfunden werden.

Die jeweiligen Adressaten des WPG sind die Energieversorgungsunternehmen auf der kommunalen Ebene. Im gesamten detailliert festgelegten Procedere der „Wärmeplanung“ findet jedoch in keiner Phase eine aktive Beteiligung der Stadtteilbewohner oder eine Pflicht zur Bedürfnisermittlung der Bürger statt. Es wird ausschließlich eine Offenlegung der Ergebnisse der jeweiligen Verfahrensschritte bestimmt, bei der eine Einsichtnahme ermöglicht wird und Stellungnahmen abgegeben werden können (§ 13 WPG). Wie mit bürgerschaftlichen Anregungen und Bedenken umzugehen ist, bleibt jedoch ungenannt.

Detailliert beschrieben ist jedoch, welche „Wärmeproduzenten“, Betreiber von Energieversorgungsnetzen oder Wärmegroßverbraucher zu beteiligen sind. Ausdrücklich nicht genannt sind die Bürger, die in den von der Wärmeplanung betroffenen Gebieten wohnen. Deshalb unterbleibt nach den umfangreichen Verfahrensregeln der „Wärmeplanung“ eine Bedarfsermittlung auf der Nutzerseite, also den Bürgern.

Das WPG wird den Kommunen über eine Bundes- und Landesgesetzgebung aufgenötigt. Die umfangreich definierten Verfahrensschritte sehen keine politische oder demokratische Befassung der Wärmeplanung im Vorfeld vor. Es besteht also vorerst keine Möglichkeit, im parlamentarischen Raum eine Diskussion über die grundsätzliche Notwendigkeit und den Umfang einer „Wärmeplanung“ zu führen. Zusammen mit der nicht vorgegebenen bürgerlichen Mitwirkung ist dies ein Kennzeichen einer technokratischen Gesetzgebung.

Erneuerbare Energien werden zur Pflicht

Wie am Ende des technokratisch bestimmten Verfahrens eine politische Beschlussfassung in den jeweiligen Gremien einer Stadt stattfinden soll, ist im Gesetz nicht geregelt. Mit dem Ende des Verfahrens und in Verbindung mit dem Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) erlangt die sogenannte „Wärmeplanung“ eine rechtliche Verbindlichkeit.

Der Begriff „Wärmeplanung“ ist irreführend, weil nur bestimmte Formen der Wärmeproduktion (siehe die umfangreiche Begriffsdefinitionen) überhaupt in den Fokus genommen wird. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist die Reduzierung der Gasinfrastruktur, die sich unter dem Begriff „Dekarbonisierung“ versteckt. Hierzu sollen „Dekarbonisierungspfade“ und eine räumliche Abgrenzung von definierten Wärmeangeboten im Stadtgebiet mit der Wärmeplanung dargestellt werden (§ 23 WPG).

Außerdem heißt es im Gesetz: „Die jährliche Nettowärmeerzeugung muss für jedes Wärmenetz ab den genannten Zeitpunkten aus den folgenden Wärmequellen gespeist werden: 1. ab dem 1. Januar 2030 zu einem Anteil von mindestens 30 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus, 2. ab dem 1. Januar 2040 zu einem Anteil von mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination hieraus.“

Ziel des Gesetzes: Rückbau der Gasnetze

Unabhängig von der tatsächlichen Situation präjudiziert das Gesetz eine Reduzierung des Erdgasbedarfs und des -verbrauchs. Dies wird abgeleitet aus anderen Gesetzen und einer steigenden ebenfalls ordnungspolitisch vorgegebenen CO2-Bepreisung. Das ist jedoch als politisches Ziel in einer Demokratie nicht in „Stein gemeißelt“. Eine Gesetzgebung, die versucht, „im Vorgriff“ auf erwartete, aber veränderbare politische Rahmenbedingungen Infrastruktur nachhaltig zu zerstören, muss deshalb als übergriffig gewertet werden.

Die kommunalen Gasnetze stellen ein großes, sehr wertvollen öffentliches Gemeineigentum dar. Sie werden im Rahmen der kommunalen Pflichtaufgabe zur Organisation der Wasser- und Energieversorgung erbaut und unterhalten sowie über die von den Bürgern und Unternehmen erbrachten Nutzungsentgelte auch gemeinschaftlich finanziert. Deshalb ist der gleichzeitige Abbau bestehender und der Neubau neuartiger Netzinfrastruktur extrem teuer und kann nur in einem gesellschaftlichen Konsens umgesetzt werden. Mit dem WPG und dem „Heizungsgesetz“ soll dies jedoch in einem Top-Down-Verfahren auf der Verordnungsebene umgesetzt werden.

In vielen Städte wird die Energieversorgung heute von privatwirtschaftlich organisierten GmbHs umgesetzt, die jedoch aus kommunalen Ämtern oder Eigenbetrieben hervorgegangen sind. Es sind also in den Aufbau der Gasnetze auch Steuergelder geflossen.

Mannheim: Aus für die günstige Gasversorgung

In der knapp 320.000 Einwohner zählenden Stadt Mannheim soll nun nach dem Ende der sogenannten Wärmeplanung für 24.400 Haushalte in naher Zukunft das Erdgasangebot eingestellt werden. Es sind rund 56.000 Kunden in der Stadt davon betroffen, dass sie zukünftig gezwungen werden, ihre funktionierende Gaswärmeversorgung mit hohem finanziellen Aufwand auszutauschen.

Insgesamt wurden in Mannheim verfahrensgemäß nur zwei öffentliche Bürgerinformationsveranstaltungen durchgeführt. Nach Verfahrensende bestand die Möglichkeit für die Bevölkerung, schriftlich oder über ein Online-Formular Stellung zu nehmen. In dieser Zeit war der Planentwurf online abrufbar und im Rathaus ausgelegt. Hierbei wurde die Möglichkeit hervorgehoben, dem Wunsch nach Anschluss an die Fernwärme Ausdruck zu verleihen. Von rund 100 Stellungnahmen beschränkten sich rund 90 auf den Anschlusswunsch an die Fernwärme. In Mannheim wurde also ohne eine nennenswerte Bürgerbeteiligung das Aus der günstigen Gasversorgung für einen erheblichen Bevölkerungsteil festgelegt.

Technokratie statt menschlicher Bedürfnisse

Das „Wärmeplanungsgesetz“ ist ein nicht notwendiger neuer Ordnungsrahmen. Er ist technokratisch ausgerichtet und nicht an den Bedürfnissen der Bürger. Es werden politische Zielsetzungen präjudizierend als Normen angesehen. Durch einen Eingriff in die Infrastruktursubstanz sollen die politischen Ziele („Dekarbonisierung“) manifestiert werden.

Nach dem WPG sind ausschließlich das Bundes-Klimaschutzgesetz, Vorgaben der Bundesnetzagentur, das „Heizungsgesetz“ und „Transformationspläne“ als Vorgaben zu beachten (§ 9 WPG). Jeder Bezug zu lokalen sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen bleibt vollkommen unbeachtet. Es werden in dem detaillierten Verfahrensplan keine sozio-ökonomischen Daten erhoben, die die Auswirkungen der teuren Zwangsumbaumaßnahmen auf die Stadtbevölkerung in Betracht ziehen.

Die Energieversorgung in kommunaler Verantwortung hat sich bewährt und reicht in mancher Stadt bis in das 19. Jahrhundert zurück. In Bochum begann die kommunale Gasversorgung beispielsweise im Jahr 1855. Hier ist deshalb im Sinne der Subsidiarität kein weiterer Regelungsbedarf notwendig.

Die Macher des „Wärmeplanungsgesetzes“ gehen davon aus, dass das „Top-Down-Verfahren“ auf der kommunalen Ebene einfach administrativ umgesetzt wird. Dieser gesetzgeberischen Übergriffigkeit muss ein kommunalpolitischer Widerstand entgegengesetzt werden. Dies beinhaltet eine umfassende Information der Bevölkerung über die Folgen der sogenannten „Wärmeplanung“. Politisch ist deshalb eine umfassende Mitwirkung der Bevölkerung zu verlangen. Diese sollte vor und während der Verfahrensdurchführung stattfinden, beispielsweise durch Bürgerbefragungen. Letztlich kann die sogenannte Wärmeplanung nur durch eine Bürgerabstimmung beschlossen oder abgelehnt werden. Diese Forderung ist von allen bürgernahen Kräften in den Kommunen zu stellen. Aus dem Beispiel von Mannheim ist zu lernen, wie es nicht geschehen darf.

 

Frank Bothmann (Jahrgang 1962), Diplom-Geograph, ist als Landschaftsplaner im Ruhrgebiet tätig.

Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier

 

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