Ein vorläufiges Ende der regen Tiefdrucktätigkeit und der intensiven Westwetterlagen zeichnet sich ab
Stefan Kämpfe
„Alle Jahre wieder“ – das unbeliebte Weihnachtstauwetter hatte uns auch 2023 fest im Griff. Nach winterlichem Auftakt verlief der Winter 2023/24 bislang leider so, wie es nach dem sehr warmen September zu erwarten war, nämlich viel zu mild. Selbst wenn die ganz große Kälte vermutlich auch im Hochwinter 2024 ausbleiben wird, sollte man den Winter noch nicht völlig abschreiben, denn einige Anzeichen deuten diesmal auf seine mögliche Auferstehung hin.
Die statistischen Gegebenheiten
Wie bereits in der Wintervorschau besprochen, deuteten die Vorwitterung und die meisten Anzeichen, besonders der sehr warme September, auf einen insgesamt milden Winter hin. Wenn nun, so wie 2023, September und Dezember zu warm verliefen, so beeinflusst das die Temperaturen des Hochwinters (Januar und Februar) tendenziell positiv; freilich ist der Zusammenhang für seriöse Prognosen zu schwach.
Dieser Dezember 2023 fiel durch seinen Regenreichtum auf, doch lassen sich daraus keine eindeutigen Rückschlüsse auf die weitere Winterwitterung ziehen.
Die anhaltende spätherbstliche und frühwinterliche Kälte in Nordeuropa
Dieses so in den vorangehenden Warmjahren nicht aufgetretene Phänomen könnte unser Winterwetter im Sinne von Kälte beeinflussen, denn Ende November/Anfang Dezember bekamen wir diese erstmals zu spüren, weil die dort lagernde Kaltluft bei einer südlichen Westlage nach Mitteleuropa vorstieß. Anfang Oktober nahmen die Tiefs noch eine relativ nördliche Zugbahn. Mittel- und besonders Süddeutschland kamen dadurch zeitweise noch in den Genuss extrem warmer Sommerluft; nur von kürzeren Vorstößen mäßig kühler Luftmassen unterbrochen. Doch allmählich schlugen die Tiefs eine immer südlichere Zugbahn ein. Am 20./21. November zog dann ein Tief direkt über Deutschland hinweg und leitete den Umschwung zu kaltem Nordwetter ein. Die Einwinterung begann aber etwa nördlich des 61. Breitengrades schon am Ende der ersten Oktoberdekade; ab der Oktobermitte herrschte dort meist Dauerfrost. Als Beispiel sei die Luftdruck- und Temperaturverteilung vom 13. November 2023 gezeigt, man achte auf die südlich des 60. Breitengrades liegenden Tiefzentren (Bildquelle windy.com, Blautöne zeigen Temperaturen von 0°C abwärts, je heller, desto kälter):
Weil die Tiefdruckgebiete, welche uns das stürmische, nasse Dezemberwetter brachten, relativ weit südlich ostwärts zogen, konnte die Kaltluft auch im Verlaufe des Dezembers nicht dauerhaft aus Nordeuropa verdrängt werden. Sie könnte uns also durchaus erneut erreichen. Wegen der frühen Kälte kann auch diesmal die Dreikönigstagsregel „War bis Dreikönigstag (6. Januar) kein Winter, so folgt auch keiner mehr dahinter“ nicht angewendet werden.
Zirkulationsverhältnisse: Bevorstehender Zusammenbruch der Westwetterlagen, relativ schwacher Polarwirbel und der Übergang zu einer negativen NAO-Phase
Die sogenannte QBO (Windverhältnisse in der Stratosphäre der Tropen, die etwa alle 2,2 Jahre zwischen West und Ost pendeln), wechselte 2023 fast in allen Schichten zur Ostwind-Phase, was eher für eine Schwächung der milden Westlagen spricht. Der NAO-Index ist ein Maß für die Intensität der Westströmung über dem Ostatlantik im Vergleich zum Langjährigen Mittel. Positive NAO-Werte bedeuten häufigere und intensivere, im Winter eher milde Westwetterlagen. Bei negativen NAO-Werten schwächt sich die Intensität der Zonalströmung ab, bei stark negativen Werten kann sie gar in eine Ostströmung umschlagen oder meridional verlaufen. Nach einer markanten, positiven Phase der NAO im Dezember wird nun wieder ein Übergang in eine negative Phase erwartet; damit ist ein Ende des stürmischen, milden und nassen Westwetters abzusehen.
In diesem Zusammenhang lohnt aber noch ein Blick auf die mögliche Entwicklung des Polarwirbels. Ein ungestörter, sehr kalter Polarwirbel im 10-hPa-Niveau (gut 25 Km Höhe, Stratosphäre) ist kreisrund und in der Arktis extrem kalt, was Westwetterlagen begünstigt, welche in Deutschland mild sind. Etwa ab Mitte September 2023 bildete sich ein Polarwirbel, welcher im Oktober/November recht kräftig und wenig gestört war, sich dann aber im Frühwinter abschwächte. Für den 12. Januar 2024 wird weiterhin ein gestörter, relativ schwacher Polarwirbel vorhergesagt; in seinem Zentrum über Grönland/Nordmeer sollen nur knapp unter minus 72°C herrschen (Quelle: Französischer Wetterdienst):
Die Vorhersagemodelle
Es gibt diverse Vorhersagemodelle für den Lang- und den mittelfristigen Vorhersagezeitraum. Das gebräuchlichste für langfristige Zeiträume ist das amerikanische CFSv2-Modell. Momentan (Stand bis einschließlich 25. Dezember) geht dieses von einem sehr milden Januar und Februar in Mitteleuropa aus.
Schauen wir noch kurz auf ein gebräuchliches Mittelfrist-Modell.
Alle diese „Vorhersagen“ sind jedoch sehr unsicher.
Fazit
Bislang wurde der laufende Winter grob richtig eingeschätzt. Der Winter 2023/24 könnte uns aber zumindest vorübergehend noch einzelne, kalte Überraschungen bescheren. Im Verlauf der ersten Januar-Dekade wird der Westwind abflauen, und die Temperaturen werden mehr oder weniger stark fallen. Wie kalt es wird, und ob die milden Westlagen später zurückkehren, bleibt freilich unklar. Und die Februar-Witterung kann dann erst anhand der Tendenz und des Charakters der Witterung zum Monatswechsel Januar/Februar grob abgeschätzt werden. Trotz aller Unsicherheiten muss aber gegenwärtig von einem insgesamt eher zu milden Hochwinter 2024 ausgegangen werden.
Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
„gegenwärtig von einem insgesamt eher zu milden Hochwinter 2024 ausgegangen werden.“
Zu mild? Mir ist er immer noch zu kalt.
Was wäre denn nicht „zu mild“?
Was wäre denn nicht „zu mild“?
Einen üblichen, groben Richtwert bietet das „Clino-Mittel“ 1991 bis 2020: Es beträgt (DWD-Flächenmittel Deutschland) für den Dez. 1,8°C, Januar 0,9°C und Feb. 1,5°C. Wegen der relativ großen Streuung der hochwinterlichen Mittelwerte kann man sagen, dass in unserem gegenwärtigen, seit 1988 bestehenden Warmklima Wintermittel von etwa 0,5 bis 2,5°C als normal anzusehen sind. Die gegenwärtigen Tagesmittel von etwa 4 bis 7°C im Flachland liegen da also deutlich drüber – aber Richtung erstes Januar-Wochenende wird es deutlich kühler. Diese Daten sind freilich grobe Mittelwerte und NICHT von Wärmeinsel-Effekten bereinigt – Richtung Südosten und mit zunehmender Höhenlage sind sie merklich niedriger, als im besonders wintermilden Nordwestdeutschland.
DAnke für die Einschätzungen zum Thema Winter, und dem letzten Satz: „Trotz aller Unsicherheiten muss aber gegenwärtig von einem insgesamt eher zu milden Hochwinter 2024 ausgegangen werden.“ stimme ich zu.
Zur Historie: Die Jahreszeit Winter zeigt in den DWD-Aufzeichnungen von Messbeginn bis 1987, also über 100 Jahre überhaupt keine Erwärmung, der Schnitt liegt bei 0 C. Dann erfolgt von 1987 auf 1988 ein gewaltiger Temperatursprung, hervorgerufen durch die Monate Januar und Februar, und seit 1988 bis heute eine leichte Weitererwärmung aufgrund der zunehmenden WI-effekte bei den Wetterstationen. Der Schnitt liegt infolge des Temperatursprunges nun plötzlich bei 1,7 Grad. Es handelte sich damals, also 87/88 um eine Umstellung der Großwetterlagen, die heute noch anhält. Wie lange noch?
Die Existenz von Deichen in den jetzigen Hochwassergebieten belegt, daß man zum Zeitpunkt der Errichtung der Deiche die Gefahr von Hochwasser in diesen Gegenden kannte. Daher wurden die Deiche errichtet, eben um sich zu schützen.
Wenn heute Deiche bei Wasseranstau brechen, ist das nicht ein Beleg für menschgemachten Klimawandel, sondern für eine offenbar in Vergessenheit geratene Hochwassergefahr inkl. entsprechender Pflege der Deiche.
In den nahen Niederlanden reduzieren die vorhandenen und überwachten Deiche und Sperrwerke (z. B. Maeslantkering schloß am Donnerstag vor Weihnachten automatisch) die allgemein bekannte Gefahr erheblich.
Bis nach Silvester bleibt es wohl regnerisch und mild. Hatte ich auch so angenommen, zu Weihnachten das obligatorische Regenwetter und wenn es zu Neujahr kalt wird kann es noch zu Kälte kommen. Ich denke das Regenwetter ist derzeit viel interessanter. Die Deiche werden wohl die nächsten Tage bei uns durchweichen und brechen. Nach den vielen Regentagen. Rahmstorf schreibt, dass genau hätten auch die Klimamodelle vorausgesagt. Wie immer. Ich sag den Grünen in Lilienthal, ihr seid zu viel SUV gefahren und habt das Klima nicht genug geschützt. Das eigentliche Problem. Die Wörpe und Deiche wuchern seit Jahren zu, so das die leicht brechen können und das Regenwasser nicht richtig abfließen kann. War schon im Sommer der Fall. Da standen die Wiesen schon unter Wasser und die Klimaschützer haben noch von Dürre geredet. 1880/81 ist die Wörpe schon an selber Stelle über die Ufer getreten, wie heute. Der grüne Bürgermeister sitzt gleich nebenan.