geschrieben von Chris Frey | 29. Dezember 2023
Ein vorläufiges Ende der regen Tiefdrucktätigkeit und der intensiven Westwetterlagen zeichnet sich ab
Stefan Kämpfe
„Alle Jahre wieder“ – das unbeliebte Weihnachtstauwetter hatte uns auch 2023 fest im Griff. Nach winterlichem Auftakt verlief der Winter 2023/24 bislang leider so, wie es nach dem sehr warmen September zu erwarten war, nämlich viel zu mild. Selbst wenn die ganz große Kälte vermutlich auch im Hochwinter 2024 ausbleiben wird, sollte man den Winter noch nicht völlig abschreiben, denn einige Anzeichen deuten diesmal auf seine mögliche Auferstehung hin.
Die statistischen Gegebenheiten
Abbildung 1: Positiver, freilich nur mäßiger Zusammenhang zwischen dem Temperaturmittel aus September und Dezember und dem des folgenden Hochwinters (Januar und Februar). Immerhin 12,5% der Temperaturvariabilität des Hochwinters wird vom Temperaturmittel aus September und Dezember bestimmt, was freilich noch reichlich Spielraum für mögliche Variationen lässt. Verliefen September und Dezember allerdings sehr mild, wie 1947, 1982, 1999, 2006 und 2016, so folgte niemals ein zu kalter Hochwinter
Dieser Dezember 2023 fiel durch seinen Regenreichtum auf, doch lassen sich daraus keine eindeutigen Rückschlüsse auf die weitere Winterwitterung ziehen.
Die anhaltende spätherbstliche und frühwinterliche Kälte in Nordeuropa
windy.com, Blautöne zeigen Temperaturen von 0°C abwärts, je heller, desto kälter):
Abbildung 2: Temperatur- und Luftdruckverteilung bei der Westlage am 13. November 2023, später Nachmittag. Während in Nordeuropa Dauerfrost, kenntlich an den blauen Farbtönen, herrschte, blieben die Regionen südlich des 60. Breitengrades frostfrei. Bildquelle: windy.com
Weil die Tiefdruckgebiete, welche uns das stürmische, nasse Dezemberwetter brachten, relativ weit südlich ostwärts zogen, konnte die Kaltluft auch im Verlaufe des Dezembers nicht dauerhaft aus Nordeuropa verdrängt werden. Sie könnte uns also durchaus erneut erreichen. Wegen der frühen Kälte kann auch diesmal die Dreikönigstagsregel „War bis Dreikönigstag (6. Januar) kein Winter, so folgt auch keiner mehr dahinter“ nicht angewendet werden.
Zirkulationsverhältnisse: Bevorstehender Zusammenbruch der Westwetterlagen, relativ schwacher Polarwirbel und der Übergang zu einer negativen NAO-Phase
Abbildung 3: Verlauf der NAO seit Anfang September und mit Vorhersage bis etwa 10. Januar. Bildquelle: NOAA (Amerikanischer Wetterdienst)
Abbildung 4: Polarwirbelvorhersage im 10 hPa-Niveau für den 12. Januar 2024 (noch sehr unsicher). Bildquelle: meteociel.fr
Die Vorhersagemodelle
Es gibt diverse Vorhersagemodelle für den Lang- und den mittelfristigen Vorhersagezeitraum. Das gebräuchlichste für langfristige Zeiträume ist das amerikanische CFSv2-Modell. Momentan (Stand bis einschließlich 25. Dezember) geht dieses von einem sehr milden Januar und Februar in Mitteleuropa aus.
Abbildungen 5a und 5b: Vorhergesagte Temperaturabweichungen über Europa für den Januar (oben) und den Februar 2024 (unten). Beide Monate sollen demnach in weiten Teilen Europas zu warm ausfallen – aber in Skandinavien, Spitzbergen Island und Grönland werden normale bis unternormale Wintertemperaturen erwartet. Bildquellen: NOAA (Amerikanischer Wetterdienst)
Schauen wir noch kurz auf ein gebräuchliches Mittelfrist-Modell.
Abbildung 6: Ensemble-Prognose vom 27.12.2023 für den 11.01.2024 (Europa). Hohem Luftdruck über dem Ostatlantik steht tiefer nördlich von Skandinavien gegenüber. Für Mitteleuropa wäre relativ kühles, nur leicht unbeständiges Januar-Wetter zu erwarten. Bildquelle: NOAA (Amerikanischer Wetterdienst)
Alle diese „Vorhersagen“ sind jedoch sehr unsicher.
Fazit
Bislang wurde der laufende Winter grob richtig eingeschätzt. Der Winter 2023/24 könnte uns aber zumindest vorübergehend noch einzelne, kalte Überraschungen bescheren. Im Verlauf der ersten Januar-Dekade wird der Westwind abflauen, und die Temperaturen werden mehr oder weniger stark fallen. Wie kalt es wird, und ob die milden Westlagen später zurückkehren, bleibt freilich unklar. Und die Februar-Witterung kann dann erst anhand der Tendenz und des Charakters der Witterung zum Monatswechsel Januar/Februar grob abgeschätzt werden. Trotz aller Unsicherheiten muss aber gegenwärtig von einem insgesamt eher zu milden Hochwinter 2024 ausgegangen werden.
Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher