Stefan Kämpfe

Nach dem zwar insgesamt sehr warmen, aber wechselhaften Sommer 2023 scheint der September nun alle Rekorde in Sachen Sonne und Wärme zu brechen. Könnte das schon ein erster Hinweis auf einen erneut sehr milden Winter sein?

Viel Sonne und viel Südwetter heizten dem Scheiding ordentlich ein

An der Bewertung des Septembers kann man Optimisten und Pessimisten unterscheiden: „Noch Sommer!“ sagen Erstere. „Schon Herbst!“ Letztere. Die Meteorologen haben sich da aber eindeutig positioniert – für sie gehört der gesamte „Scheiding“ (weil die warme Zeit des Jahres nun endet) zum Herbst. September kann jedoch Vieles: Hochsommer mit Sonne satt und zeitweise noch um oder über 30°C (1947, 1961, 1982, 1999, 2006, 2016 und 2023), aber auch Kälte, Regen und kaum noch Sonne (1986, 1990, 1996, 2001, 2007), mitunter schon zähen Nebel oder auch schon erste Boden- und Nachtfröste. Sonnenstand und die astronomisch mögliche Sonnenscheindauer fallen vom Niveau des mittleren Aprils auf das des mittleren März zurück. Für sehr hohe Lufttemperaturen bedarf es daher neben einer maximalen Besonnung stets einer intensiven, von Wind unterstützten Warmluftzufuhr aus dem Süden; Beides war in den ersten zwei Septemberdekaden 2023 der Fall. Zwar gehört der September zu den klassischen „Schönwettermonaten“ im Jahresverlauf, denn er wird oft von Hochdruckwetterlagen dominiert. Aber erstens kommt es auf die Position des Hochdruckgebietes an – liegt es westlich oder nördlich von Deutschland, so profitieren meist nur West- und Norddeutschland davon, und das Temperaturniveau ist schon recht verhalten. Zweitens werden die beiden septemberlichen Schönwetterphasen, der Spätsommer am Monatsanfang und der Altweibersommer im letzten Monatsdrittel, mitunter durch eine mehr oder weniger intensive Tiefdruckwetterphase um die Monatsmitte unterbrochen (2013, 2010, 2003, 2023 war diese nur schwach entwickelt). Auch, wenn sich für die letzte Septemberdekade etwas wechselhafteres, nicht mehr ganz so sommerliches Wetter andeutet – dieser September hat das Zeug, zum wärmsten aller Zeiten zu werden, denn schon bis zum 16. September waren 95% des gesamtmonatlichen Sonnenscheinmittels „eingefahren“, und die Monatsmitteltemperatur entsprach bis zu diesem Zeitpunkt der eines Hochsommermonats.

Abbildung 1: Kurz nach der Monatsmitte war schon das Sonnenschein-Soll für den gesamten September fast erfüllt. Bildquelle: bernd-hussing.de

Abbildung 2: Bis über die Monatsmitte hinaus herrschte ein hochsommerliches Temperaturniveau – Herbstwetter gab es nur sporadisch. Bildquelle: bernd-hussing.de

Abbildung 3: Eine für Septemberhitze typische Luftdruckverteilung am 9. September 2023. Hohem Luftdruck über Osteuropa steht tiefer über Westeuropa und dem Nordatlantik gegenüber, man erkennt einen von hochreichender Warmluft angefüllten langwelligen Höhenrücken über Mitteleuropa, der von langwelligen Trögen über Osteuropa und dem Ostatlantik flankiert wird. Eine solche Wetterlage ist gerade im Herbst oft sehr stabil. Bildquelle: wetterzentrale.de

Die Verzwergung der deutschen Windenergieerzeugung

Bislang tat die Politik wirklich alles, um Deutschland mit Windkraftanlagen (WKA) zu verschandeln. Diese seien notwendig, um CO₂ einzusparen und Deutschland unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen, wird stets argumentiert. In einem Herbstmonat sollte doch reichlich Wind für die gut 30.000 WKA in Deutschland wehen – doch der September 2023 ist eine schallende Ohrfeige für alle Befürworter der Windenergie. Ein Blick auf die Wetterkarte der Abbildung 3 verrät, warum der Wind fehlte – das Luftdruckgefälle über Mitteleuropa war sehr gering, die herbstlichen Sturmtiefs fehlten bislang. Zwar gab es viel Solarenergie, aber im September bereitet sich die Sonne eben schon auf ihre Winterruhe vor, zu den Spitzenlastzeiten am frühen Morgen und am Abend scheint sie, anders als im Sommer, schon nicht mehr. Und so mussten nach der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke jede Menge Kohle und Gas verstromt werden – schlecht für Deutschlands Klimaziele und für unseren Geldbeutel.

Abbildung 4: Stromerzeugung vom 1. bis zum 16. September 2023 in Deutschland. Man achte auf den beschämend geringen Anteil der Windstromerzeugung (hell- und dunkelblaugraue Flächen), die nur kaum 1 bis selten mehr als 15% des Stroms lieferte! Und die viele Solarenergie zur Mittagszeit musste billig ins Ausland „verklappt“ werden – immer, wenn sie die schwarze Lastlinie überragte. Zwischen etwa 19 und 7 Uhr fehlte sie – Strom wurde oft teuer importiert (weiße Flächen unter der Lastlinie). Biomasse (grün) und Wasserkraft (blau) sind in Deutschland nicht mehr wesentlich ausbaufähig. Zur Beachtung: Die hier gezeigte Stromerzeugung erbringt auch nur ein gutes Fünftel des Gesamtenergiebedarfes (Primärenergie) in Deutschland, was das Dilemma der deutschen Energiewende verdeutlicht. Und wenn im Winter die Sonne ganz ausfällt und Flaute herrscht, sieht die Bilanz noch viel düsterer aus. Bildquelle: energy-charts.info

Warmer September 2023 – milder Winter 2023/24?

Auch wenn es für eine Wintervorschau noch zu früh ist, schaut man sich die sehr warmen September in Deutschland an, so folgte diesen nie ein kalter Winter. Freilich waren extrem warme September, solche mit mindestens 15.5°C im Deutschlandmittel, bislang zu selten, um einen sicheren Zusammenhang herzuleiten; 2023 wird erst der elfte Fall seit 1881 sein.

Abbildung 5: Betrachtet man alle September-Folgewinterpaare seit 1881, so ist der Zusammenhang zwischen den September- und den Wintertemperaturen nur schwach positiv. Aber die bislang 10 wärmsten September, welche die senkrechte rote Linie von 15,5°C erreichten oder überschritten, hatten niemals einen Winter von unter 0°C zur Folge; höchstens einzelne kalte Wintermonate oder kältere Abschnitte. Der September 2023 wurde hier vorsichtig auf 17°C im DWD-Mittel geschätzt.

Unklare Oktober-Aussichten

Anders, als im Hochsommer, lassen sich im Herbst aus der Witterung des Vormonats meist keine eindeutigen Schlüsse für den Folgemonat ziehen, weil bei der schnell abnehmenden Tageslänge oft schon eine geringe Umstellung der Großwetterlage ausreicht, um ein völlig anderes Temperaturniveau zu bewirken. So folgten den warmen Septembern 1982, 1999 und 2016 durchwachsene und teils schon recht kühle und/oder nasse Oktoberwochen, während es nach den kalten Septembern 1990, 1995 und 2001 im Oktober zeitweise nochmals spätsommerlich warm wurde. Zwar hat die Erhaltungsneigung (Persistenz) der Witterung um den Monatswechsel September/Oktober eine gewisse Bedeutung, und auch schon der Charakter des Septemberbeginns („Ägidientagsregel“) lässt nicht selten grobe Schlüsse auf den Witterungsverlauf im weiteren Herbst zu. Das wichtigste Langfristmodell, das amerikanische CFSv2-Modell, sieht nach wie vor einen zu warmen Oktober für Mitteleuropa voraus. Weil die Oktobertemperaturen leicht positiv von der aktuellen AMO-Warmphase beeinflusst werden, könnte diese Prognose zutreffen; sicher ist sie keinesfalls.

Stefan Kämpfe, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

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