von Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

Die NZZ ist inzwischen dafür bekannt, dem Haltungsjournalismus zu folgen. Was dabei herauskommt, ist im Beitrag der deutschen Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann in der NZZ-Ausgabe vom 12.6.2023 nachzulesen (hier). Sie bezeichnet sich im Artikel als „oberste“ Befürworterin des Kapitalismus. Ob wohl noch jemand anderes als sie sich selber auf diesem Platz sieht? Nun will sie also das kapitalistische System radikal ändern. Rund 250 Jahre nach Beginn der Industrialisierung sei höchste Zeit, Abschied vom Kapitalismus zu nehmen. Wir wollen nicht unhöflich sein, erlauben uns aber die Vermutung, dass dieses Vorhaben vielleicht eine Nummer zu groß für diese tapfere Dame ist.

Gemäss Herrmann faule das kapitalistische System in seinem Inneren: Der Kapitalismus benötige Wachstum, um stabil zu bleiben. Es könne in einer endlichen Welt nichts unendlich wachsen. Und der Kern des Systems sei die Technik – so Frau Hermann. Der Technik und damit dem Kapitalismus seien aber zwei absolute Grenzen gesetzt – sie nennt Rohstoff- und Umweltgrenzen. Natürlich ist diese sensationelle Erkenntnis nicht auf ihrem Mist gewachsen, sondern beim uralten Club of Rome nachzulesen. Dummerweise folgten diese Prophezeiungen niemals auch nur ansatzweise der Realität. Der eigentliche Urheber dieser Erzählung war noch früher der britische Ökonom Thomas Robert Malthus (1766-1834), der eine Katastrophe auf Grund des zu starken globalen Bevölkerungswachstums und der dadurch bedingten Verknappung an Nahrungsmitteln vorhersagte (hier) und schon damals falsch lag.

Kein vernünftiger Mensch stützt sich heute noch auf Malthus oder gar den Club of Rome, weil sich die Realität beharrlich weigert, diesen Spekulationen zu folgen. Das Einzige, womit Frau Herrmann richtig liegt, ist der primäre Stellenwert von Energie.

Was ist aber nun der Kardinalfehler von Malthus, dem Club of Rome und ihren unbelehrbaren Adepten wie Frau Herrmann? Die Ressourcen an fossilen Brennstoffen sind zwar riesig, aber tatsächlich endlich. Das bestreitet niemand. Daher muss man zuerst einmal mit ihnen prinzipiell sparsam umgehen. Bereits das kaufmännische Prinzip fordert äußerste Energiesparsamkeit. Es fordert aber keine komplette Umkehr hin zur Energieknappheit, wie Frau Herrmann. Dies liegt an einem grundlegenden Fehler von Malthus, dem Club of Rome und schließlich auch der jüngsten Bewegung hin zu „erneuerbaren“ Energien, oder gar zum Energieverzicht.

Der Fehler kann anschaulich an einer Begebenheit des 15. Jahrhunderts in Nordfrankreich erläutert werden. Es handelte sich um die Schlacht bei Azincourt am 25. Oktober 1415, in der das französische Ritterheer von einer zahlenmäßig kleineren englischen Armee fast vollständig vernichtet wurde. Entscheidend für die französische Niederlage waren englische Langbogen, deren Pfeile zum ersten Male zuverlässig Ritterrüstungen durchschlugen. Die Langbogen wurden aus dem sehr langsam wachsenden Eibenholz gefertigt.

Die kriegsentscheidende Ressource „Eibenholz“ war den Engländern so wichtig, dass auf Eibenholz-Frevel schwerste Strafen standen. All diese Maßnahmen der Ressourcenschonung waren jedoch vergebliche Mühe. Als nämlich das langsam herangewachsene Eibenholz für die Herstellung neuer Langbogen zur Verfügung stand, waren bereits die effizienteren Feuerwaffen einsatzbereit. Die Ressource Eibenholz war obsolet geworden.

Dieser „Azincourt-Effekt“ traf und trifft bis heute zuverlässig bei jedem drohenden Auslaufen einer Ressource ein. Die wirkliche Ressource ist nur der menschliche Erfindungsgeist, nicht eine bestimmte Menge an Kohle, Öl, Gas, Erz, irgendeinem Mineral, Nahrung etc. Bei nüchterner Beurteilung bleibt daher bei „Ressourcenschonung“ nur wieder die kaufmännische Sparsamkeit übrig. Würde der menschliche Erfindungsgeist tatsächlich einmal endgültig versagen, wäre dies das Ende der Menschheit in ihrer heutigen technisch-zivilisierten Form. Ressourceneinsparung würde dieses Ende nur um ein qualvolles Zeitstück verlängern – das wäre dann das Ende der Geschichte.

Es ist infolgedessen auch völlig überflüssig, fossile Ressourcen durch Energieeffizienz von elektrischen Gebrauchsgegenständen oder Maßnahmen der Gebäudeisolation und weiteren Zwangsmaßnahmen mit gesetzlichen Vorschriften schützen zu wollen. Der freie Markt erledigt diese Aufgabe am effizientesten von alleine, und zwar über den Preis der Ressource und damit über den Energiepreis. Wird Energie auf dem freien Markt zu teuer, wird die Menschheit neue Wege finden, um den Kostennachteil durch neue Verfahren oder neue Ressourcen zu beseitigen. Staatliche Eingriffe dagegen basieren auf unbegründetem Pessimismus und Angst vor der Zukunft, oder sie zielen wie es heute geschieht auf die Einführung einer kommunistische Diktatur. Sie sind Planwirtschaft, die sich stets als katastrophal erwiesen hat. Planwirtschaft schränkt die Freiheit der Bürger ein und schafft niemals eine gut funktionierende Wirtschaft. Beispiele gefällig? Nordkorea, Venezuela, Kuba, DDR, die heutige Bundesrepublik bei weiterer Fortsetzung von Planwirtschaft und Verboten sinnvoller Technik zum Zweck der „weltweiten Klimarettung“, …

Und noch einen weiteren positiven Effekt liefert uns der freie Markt. Erst durch ihn sind genug Energie-Ressourcen vorhanden, um die von Frau Herrmann zu Recht beklagten Umweltschäden der zunehmenden Weltbevölkerung zu beseitigen. Die umweltschädlichsten Länder sind nämlich genau diejenigen, welche mit den fragwürdigen Vorschlägen Herrmanns „gesegnet“ sind – nämlich mit Energieknappheit und ungenügender Technik. Effektiven Umweltschutz können sich nur energiereiche Länder mit modernster Technik leisten, und sie tun dies auch. Man muss sich dazu nur einmal anschauen, welche Ozeanstrände und Binnengewässer unserer Welt am stärksten versaut sind. Das beste Beispiel für ein modernes Land, das sich heute infolge ausreichender Energie sehr viel Umweltschutz leisten kann und auch wirklich leistet, ist heute China. Seine Aufforstungsbemühungen sind mustergültig.

Die „Rettung der Welt“, ähnlich wie von Frau Herrmann vorgeschlagen, war immer nur ein Vorwand zur „Beherrschung der Welt“. Auch bei Kohle, Erdöl und Gas wird das reale Versiegen schon sehr lange vorher wegen zu hoher Preise beendet sein. Es werden neue Ressourcen und neue Verfahren die fossilen Brennstoffe ersetzen, und die Energieeffizienz wird sich ein weiteres Mal steigern. Diese neuen Ressourcen sind schon lange bekannt und haben sich bewährt. Es sind Uran und Thorium, Brennstoffe, die der Menschheit über unüberschaubare Zeiten von vielen Millionen Jahre erhalten bleiben. Dies klingt zunächst nach „Science Fiction“ ist aber dennoch nüchterne Realität [1]. Die fernere Zukunft in 50 bis 150 Jahren wird in der Einführung der bereits mehrere Jahrzehnte im Pilotstadium laufenden Brutreaktoren der Generation IV in weltweitem Maßstab bestehen.

Die hier vorgetragene Lobpreisung der freien Marktwirtschaft und technischer Vernunft ist sich sehr wohl bewusst, dass nicht nur Planwirtschaft, sondern umgekehrt auch ein schrankenloser Kapitalismus sehr schädliche Folgen haben kann. Wie stets im Leben ist ein möglichst optimaler Mittelweg anzustreben – so viel Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle wie nötig. Diesen Weg kann die Demokratie finden. Mit der sozialen Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard ist dies bereits schon einmal in unserem Land gelungen. Heute ist dies infolge einer bereits ins Absurde gesteigerte Klima-Ideologie nicht mehr möglich, die sogar bereit ist, ganz Deutschland in den wirtschaftlichen Abgrund zu reißen. Auch dem Kapitalismus sind Zügel anzulegen wie beispielsweise die Mindestreserven von Banken gesetzlich so hoch zu halten, dass Zusammenbrüche ausgeschlossen sind u.w.m. Auch eine Bundesanstalt für Finanzdienstungsaufsicht (BaFin) muss ihren Pflichten nachkommen und darf nicht wie bei Wirecard oder anderweitigen Betrügereien komplett versagen usw.

Zurück zu den Fantastereien von Frau Herrmann. Sie mögen dem heute noch herrschenden Mainstream des „Klima-Untergangs“ vielleicht entgegenkommen, das Ende dieser Verrücktheiten ist aber abzusehen. Wer hat Frau Herrmann eingeflüstert „Wenn wir immer weiter emittieren, dann sind wir am Ende des Jahrhunderts bei plus sechs Grad“? In den IPCC-AR-Sachstandsberichten ist diese steile Behauptung nicht zu finden. Etwas realistischere Klima-Infos finden sich (hier).

Schade um die NZZ, eine Empfehlung für dieses Blatt ist der hier besprochene Beitrag nicht. Sein Niveau erinnert an einen Stuhlkreis strickender Gutmenschen ohne geringste technisch-naturwissenschaftliche Allgemeinbildung. Sogar in deutschen Gymnasien des vorigen Jahrhunderts wurden oft bereits bessere Schulaufsätze als dieser unterirdische NZZ-Artikel verfasst.

Quellen

[1] Götz Ruprecht und Horst-Joachim Lüdecke: Kernenergie, der Weg in die Zukunft, Europäisches Institut für Klima und Energie, 2018.

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