Stefan Kämpfe

Dem ersten Teil (klimatologische Einordnung des Winters 2022/23 in Deutschland) folgt nun die internationale Betrachtung: Wie stark war die Erwärmungstendenz im Zeitraum Dezember bis Februar?

Weltweit langfristig nur eine moderate und seit über acht Jahren gar keine Erwärmung

Anhand der satellitengestützten Messungen lässt sich die Entwicklung der nicht unumstrittenen Globaltemperatur seit den späten 1970er Jahren gut verfolgen – der Start der Reihe fällt aber ausgerechnet in eine weltweite Kaltphase. Zunächst gab es eine starke Erwärmung; welche aber nun erst einmal eine gut achtjährige Pause eingelegt hat – es bedarf wohl erst eines stärkeren El Nino-Ereignisses, um sie wieder in Gang zu setzen. Somit waren auch die Monate von Dezember 2022 bis zum Februar 2023 im globalen Maßstab kaum zu warm.

Abbildung 1: Die Entwicklung der globalen Temperaturabweichungen, bezogen auf die CLINO-Periode 1991 bis 2020, monatsweise seit 1979. Im Februar 2023 lag die globale Abweichung nur um 0,08 Kelvin (1K=1°C) über dem Mittelwert. Bildquelle

Eurasien: Langfristig eher leicht wachsende Winter-Schneebedeckung

Der schneelose, extrem milde Jahreswechsel 2022/23 in Deutschland und im Alpenraum ließ wieder einmal die Panik vor der Klimaerwärmung aufleben. Doch Mitteleuropa muss man auf einer Eurasien-Karte mit der Lupe suchen. Betrachtet man den gesamten Super-Kontinent, so vergrößerte sich die im Winter mit Schnee bedeckte Fläche seit der Ermittlung flächengestützter Satelliten-Daten im Jahre 1966 sogar ein wenig – der Winterschnee wird also so schnell nicht verschwinden.

Abbildung 2: Die Entwicklung der im Winter mit Schnee bedeckten Fläche auf der größten Landmasse der Erde – Eurasien. Man erkennt bei enormen Schwankungen eine leichte, nicht signifikante Zunahme der schneebedeckten Fläche, auch wenn der Winter 2022/23 leicht unternormal verlief

Was sagt uns die lange Reihe aus Zentralengland?

Für Zentralengland mit seinem ozeanischen Klima liegt eine der weltweit längsten Messreihen der Lufttemperaturen vor – sie startet in etwa auf dem Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ im späten 17. Jahrhundert. Mit 5,0°C schloss dort der Winter 2022/23 lediglich etwas zu mild ab; betrachtet man nur die letzten einhundert Jahre, so schaffte er es nicht unter die dreißig mildesten, und ähnlich wie in Deutschland, gab es einige markante Kälteeinbrüche. Betrachten wir zunächst die gesamte Reihe, so ergibt sich für diese 364 Winter eine Erwärmung von 1,5 K (°C), was schon wegen des Starts der Reihe in der Kleinen Eiszeit, als mitunter gar Messen und Feste auf der zugefrorenen Themse abgehalten wurden, erstaunlich wenig ist.

Abbildung 3: Die langfristige Entwicklung der Wintertemperaturen in Zentralengland (Midlands). Sehr milde Winter mit über 5°C traten dort schon immer auf; selbst während des Höhepunktes der Kleinen Eiszeit fehlten sie nicht völlig. Der bislang mildeste Winter (1868/69) erreichte dort 6,8°C und liegt nun schon mehr als 150 Jahre zurück. Auch bei dieser Reihe könnte der nicht bereinigte Wärmeinseleffekt (WI) einen Teil der Erwärmung verursacht haben. In der Kaltphase der 1880er Jahre startet übrigens die DWD-Deutschlandreihe.

Und wie sah es in den letzten 36 Jahren aus?

Abbildung 4: Betrachtet man nur die letzten 36 Winter, so war der von 2022/23 in Zentralengland normal. Die minimale Erwärmung von knapp 0,2 K ist kaum erkennbar und nicht signifikant.

Dale Enterprise (USA): Keine langfristige Winter-Erwärmung

In den Ausläufern der Appalachen, westlich der Bundeshauptstadt Washington, liegt die Wetterstation Dale Enterprise, deren Aufzeichnungen reichen immerhin so lange zurück, wie das DWD-Flächenmittel. Aber anders als dieses, erwärmten sich die Winter dort seit den 1880er Jahren fast gar nicht.

Abbildung 5: Entwicklung der Wintertemperaturen an der in den mittleren Appalachen gelegenen USA-Station Dale Enterprise. Zum Vergleich ist das in Teil 1 besprochene DWD-Mittel ebenfalls mit Trend in Orange ergänzt. Dieses holte das ursprünglich wärmere Dale Enterprise im Verlaufe der letzten 140 Jahre nahezu ein.

Seit 1988 zeigte Dale Enterprise übrigens annähernd dasselbe Verhalten wie Zentralengland – kaum winterliche Erwärmung.

Einige Trends aus Nord- und Ostasien

Zunächst ein Blick in den russischen Kühlschrank Asiens – das riesige Sibirien. Zwei Stationen, welche auf die Schnelle ermittelt werden konnten, zeigen natürlich nicht alles; aber es gibt dort seit über vier Jahrzehnten keinerlei Winter-Erwärmung. Omsk im Südwesten Sibiriens hat dabei noch recht gemäßigte Wintertemperaturen; es ist eine der ganz wenigen Stationen mit einer längeren Sonnenscheinreihe.

Abbildung 6: In Omsk, wo die Daten seit 1978 vorliegen, kühlten sich die Winter bei wachsender Besonnung geringfügig (nicht signifikant) ab. Umrechnung der Sonnenscheindauer in Indexwerte, um sie mit der Lufttemperatur in einer Grafik darstellen zu können.

Das berüchtigte Oimjakon in Ostsibirien, angeblich der kälteste, dauerhaft bewohnte Ort der Welt (in der kälteren Antarktis leben nur Wissenschaftler) zeigt auch keinerlei Erwärmung; der abgelaufene Winter war dort der kälteste seit über 30 Jahren.

Abbildung 7: Keine Winter-Erwärmung im eiskalten Oimjakon/Ostsibirien.

Südkorea liegt zwar auf der Breite Nordafrikas, aber zirkulationsbedingt ähneln die dortigen Winter im Temperaturmittel denen Deutschlands. Eine merkliche Erwärmung fehlt auch dort.

Abbildung 8: In Südkorea gab es seit den späten 1980er Jahren keine Winter-Erwärmung.

Auch Japan leidet immer wieder unter kalten, schneereichen Wintern, besonders im Nordteil. Die alte Winterolympia-Stadt Sapporo auf Hokkaido zeigt gar eine leichte Winter-Abkühlung.

Abbildung 9: Geringe (nicht signifikante) Winter-Abkühlung in Sapporo.

Auch bei den asiatischen Stationen sind gewisse WI-Effekte wahrscheinlich. Da keine einzige der in diesem Beitrag gezeigten Stationen völlig WI-frei ist, kann eine etwas stärkere Winter-Abkühlung nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Winter auf der Nordhalbkugel – „Sommer“ in der Antarktis!

Die Antarktis erlebte gerade einen recht kalten Südsommer 2022/23. Auch langfristig fehlt dort eine Sommer-Erwärmung.

Abbildung 10: Langfristig gar minimale (nicht signifikante) Sommer-Abkühlung an der deutschen Neumayer-Station.

Weil wir ja den Winter betrachten, sei hier auch nochmals der sich stark abkühlende Winter an der Neumayer-Station gezeigt.

Abbildung 11: Deutliche (signifikante) Winter-Abkühlung in Neumayer. Der Winter 2021 war der kälteste seit dem Vorliegen lückenloser Aufzeichnungen (1985).

Vielleicht fahren unsere Kleber-Mädels der Letzten Generation ja mal in die Antarktis, um gegen die „böse“ Erderwärmung zu protestieren. Kleber benötigen sie dort keinen – einfach Wasser auf’s Eis gießen, Hände drauf – und sie kleben fester, als es der beste Sekundenkleber je vermag.

Zurück nach Europa: Meist Winter-Erwärmung, doch nicht überall

Über die ausgebliebene Winter-Erwärmung in Zentralengland sprachen wir bereits. Dafür wurde es in Ungarn zirkulationsbedingt merklich milder.

Abbildung 12: Deutlich mildere Winter in der ungarischen Hauptstadt Budapest.

Ähnliche Erwärmungs-Trends gab es in weiten Teilen Südeuropas. Island erlebte gerade den kältesten Winter seit gut 25 Jahren; aber noch ist dort der winterliche Erwärmungstrend ungebrochen. Man fragt sich, wie das bei dem angeblich wegen des Klimawandels zusammenbrechenden Golfstrom möglich war – offenbar schwächt sich der Golfstrom gar nicht ab.

Abbildung 13: Trotz des sehr kalten Winters 2022/23 (noch) merkliche Winter-Erwärmung in Reykjavik/Island.

Ein anderes Verhalten zeigt Mittelskandinavien. Schon seit Jahren fehlt dort jegliche Winter-Erwärmung. Im abgelaufenen Winter verliefen Dezember und Januar recht frostig, der Februar sehr mild; und als Nachschlag folgte dort ein kalter, schneereicher März.

Abbildung 14: Östersund am Ostabhang des Skandinavischen Gebirges in Mittelschweden, regelmäßiger Austragungsort von Biathlon-Wettbewerben, erwärmte sich im Winter nicht.

Zum Schluss noch was für Panikmacher: Wenig vom Meereis bedeckte Fläche in der Arktis

Mit etwa 13,15 Millionen Km² nahm das Arktische Meereis in diesem Winter eine sehr geringe Fläche ein; doch wird dessen Ausdehnung bei weitem nicht nur durch die Lufttemperaturen, sondern auch wesentlich durch die Windverhältnisse bestimmt, welche offenbar in diesem Winter für das Eiswachstum ungünstig waren. Die besonders seit den frühen 1990er Jahren stark rückläufige Eisbedeckung ist eine Folge der momentanen, zyklisch alle etwa 60 bis 80 Jahre auftretenden AMO-Warmphase. In solchen AMO-Warmphasen wird mehr Wärme in die Arktis eingetragen – das Eis zieht sich zurück. Ähnliches wurde schon bei der letzten AMO-Warmphase zur Mitte des 20. Jahrhunderts beobachtet; Näheres dazu hier.

Abbildung 15: Entwicklung der von Meereis bedeckten Fläche auf der Nordhalbkugel (Arktis) im Winter seit Einführung der satellitengestützten Messung. Der aktuelle Rückgang lässt sich statistisch signifikant mit der AMO gut erklären, welche aber ihre momentane Warmphase vermutlich bald beenden wird.

Stefan Kämpfe, Diplom-Agraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

——————————-

Kommentar von Christian Freuer zu diesem Beitrag: Ich bedanke mich ganz herzlich für diese gut recherchierte Fleißarbeit. Dies vor allem, weil sie eine sehr gute Ergänzung und auch ein gutes Gegengewicht meiner Kältereports ist.

In diesen ist ja fast durchweg von Einzelereignissen die Rede, was natürlich nur Wetter und nicht Klima ist. Dabei kann aber leicht der falsche Eindruck entstehen, dass eine „globale Abkühlung“ bereits in vollem Gange ist. Obiger Beitrag zeigt, dass dem nicht so ist.

Im Gegensatz zum Autor des Beitrags recherchiere ich nicht, sondern sammle lediglich die Meldungen. Diese stammen hauptsächlich von Cap Allon, Betreiber des Blogs electroverse. Der meldet aber nur Kalt-Ereignisse. Man kann wohl davon ausgehen, dass es auch Warm-Ereignisse in gleicher Größenordnung gibt, denn in der Natur gleicht sich alles wieder aus. Nur finde ich solche Meldungen nicht – oder nur sehr selten. Daher könnte man Blogger Cap Allon vielleicht ebenfalls als Alarmist bezeichnen, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Immerhin, den Abkühlungstrend in der Antarktis, den Allon immer wieder hervorhebt, findet auch der Autor des Beitrags oben.

Die Kältereports werden aber weiterhin zusammengestellt, denn ein Gegengewicht zur noch viel übertriebeneren Warm-Propaganda sind sie m. E. allemal.

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken