Von Günter Keil

„Dem deutschen Wald geht es schlecht. Sehr schlecht. Heute wissen wir, der Wald ist in Gefahr.“ Mit diesem Urteil begann ein langer Artikel in der FAZ vom 13.1.2023. Das Waldsterben ist also immer noch da. Es war in der Zeit zwischen 1990 und 2000 ein großes Thema- übrigens nur in diesem Lande – und die damit verbundene Prophezeiung eines Göttinger Professors. Er verkündete 1979 , dass die ersten Wälder schon in fünf Jahren sterben würden; sie seien nicht mehr zu retten. In Frankreich prägte man dafür die Worte „le angst“ und „le waldsterben“ als Schlüsselbegriffe für deutsche Befindlichkeiten.

Ein zentrales Argument war die Luftverunreinigung durch Industrieabgase – besonders Schwefeldioxid SO2 – das in der Tat Pflanzen schädigt. Allerdings ist dieses Thema in Westdeutschland bereits in der Regierungszeit von Ludwig Erhard mit der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) im September 1964 und mit dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz vom 22.3.1974 unter Willy Brandt angepackt worden. Seit 1974 sanken die Schwefeldioxid-Emissionen drastisch – also bereits fünf Jahre vor dem Beginn der damit begründeten Waldsterbepanik. Erst nach der Wiedervereinigung wurden auch in der Ex-DDR deren massive SO2- Emissionen beendet. Die Entschwefelung des Industriequalms war vorher für den wahren Sozialismus einfach zu teuer.

Diese stärkste Begründung für das behauptete Waldsterben, wie es inzwischen genannt wurde, war somit schon lange zuvor weggefallen. Andere Begründungen für das Waldsterben mussten her. Andere Wissenschaftler, die auch etwas zu Waldschäden beizutragen hatten, konzentrierten sich auf die Kronenverlichtungen, also Nadel- und Blattverluste im Herbst, was man auch deutlich sehen konnte, ohne ein Forstexperte zu sein. Allerdings füllten sich die Baumkronen in Frühjahr wieder mit frischem Grün.

Auch witterungsbedingte Trockenzeiten konnten den Wald nicht umbringen. Im Rahmen des Forschungsprogramms „Waldschäden“, das vom Bundesforschungsministeriums BMFT gestartet wurde, wurde diese Frage untersucht – mit Austrocknungsversuchen, wobei Versuchsbäume völlig vom Niederschlag abgeschirmt wurden. Aber sie gingen einfach nicht ein. Die gefundene Erklärung war die Existenz der Bodenpilze (die sog. Mykorrhiza), die in Symbiose mit den Bäumen Wasser aus größerer Tiefe an die Baumwurzeln leiteten. Das hatte die Natur schon vor unendlichen Zeiten mit ihrer Evolution so eingerichtet.

Die Waldsterbe-Argumente wurden eins nach dem anderen widerlegt. Die Panikdebatte wurde schließlich am 2.2.1993 von der hochrangig mit Professoren aller großen forstwissenschaftlichen Institute besetzten BMFT-Gutachtergruppe mit dem Urteil „dass ein Absterben ganzer Wälder in Zukunft nicht zu befürchten sei“, beendet. Das hätte eigentlich das Ende der Waldsterbepanik sein können. Aber das Waldsterben gab es unverändert in der Presse weiter – und erst recht bei den Umweltverbänden und natürlich auch in der Politik. Im Herbst 1996 kam der erwähnte Expertenkreis des Forschungsministeriums zu dem vernichtenden Ergebnis: Abschaffung des jährlichen Berichts „Waldzustandserfassung“ des zuständigen Bundeslandwirtschafts-Ministeriums BML wegen Unbrauchbarkeit. Es nützte nichts. Erst im Sommer 2003 erklärte die BML-Ministerin Renate Künast das Waldsterben für beendet. Aber es gibt bis heute genügend Artikelschreiber, die das Thema am Leben erhalten.

Dem Wald geht es aber dennoch heute wirklich schlecht.

Und zwar eindeutig vom Menschen verursacht. Leider ging der oben genannte Artikel nicht auf die reale, schwerwiegende und zunehmende Schädigung und Bedrohung sowohl des Waldes als auch seiner Tiere ein.

Es handelt sich um die immer brutaler werdende Errichtung riesiger Windkraftanlagen (WKA) in Wäldern. Die Regierung braucht dafür mehr Flächen, was z.B. von dem sonst geschätzten Politiker Boris Palmer mit seiner Befürchtung „Wollte man alle Landschafts- und Naturschutzgebiete, die Mittelgebirgszüge…..von Windrädern freihalten, dann wäre der Ausbau der Windkraft beendet“, verdeutlicht wurde.

Auch der Bundesverband Windenergie beklagte das bereits um 2015 sehr und erklärte „Die heutigen Erfordernisse der Energiestrategie sind mit Windenergie in der Offenlandschaft allein nicht zu erreichen“.

Die FAZ berichtete am 7.7.21, dass der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW „gemahnt“ hat, dass es 1500 neue Windräder pro Jahr braucht, und zwar bis 2030. „Wir brauchen jetzt den Turbo“ und „Die Bundesländer müssten ihre Spielräume ausschöpfen für mehr Fläche“, betonte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Weiter sagte sie: „Wenn wir die Energiewende nicht hinbekommen, werden die negativen Folgen wie Trockenheit der Wälder und andere Klimaveränderungen viele Arten gefährden.“ Dass ihr nur die Trockenheit der Wälder als Bedrohung einfiel, zeigt, dass fehlendes Wissen nicht für Schädigungstheorien eingesetzt werden sollte. Beste Grüße von den Mykorrhiza-Bodenpilzen – siehe die obige Beschreibung des zwar interessanten aber wirkungslosen Austrocknungsexperiments der Forstwissenschaftler. Und was die „anderen Klimaveränderungen“ betrifft, wäre interessant zu erfahren, welche das wohl sein sollten.

In der mittelalterlichen Warmzeit, in der es höhere Temperaturen gab als wie in der jetzigen Warmzeit, gab es kein Waldsterben, sondern eine beträchtliche Stärkung der Vegetation und damit auch der Ernten, was auch dazu führte, dass diese Periode eine Wohltat für die Lebensbedingungen der Menschen wurde.

Die Klagen der Windkraft-Lobbyisten sind verständlich, denn 2020 gab es nur 420 neue Windräder…

Die aktuellen Ankündigungen von Bundeswirtschaftsminister Habeck bezüglich eines enormen (in Deutschland heißt „enorm, riesig, extrem und größenwahnsinnig“ jetzt „ehrgeizig“) beabsichtigten weiteren Ausbaus der Windkraft, und das selbstverständlich nicht nur Offshore , bedeutet nichts anderes, als dass es in den „letzten Flächen“, den Wäldern, dann erst noch richtig losgehen wird. Denn die Offenlandschaft sei ja schon vollgebaut, wie die WKA-Lobby klagte.

Was die Benutzung des Waldes für den WKA-Bau bedeutet, kann man sehen: Es werden Schneisen als Zugangswege für große Transportfahrzeuge und riesige Schwerlastkräne zu den Baustellen geschlagen – mindestens 4 Meter breit. Die Kahlschlagsfläche Baustelle selbst hat die Größe eines Übungs-Fußballplatzes und in deren Zentrum wird ein geradezu ungeheuerlich großes Stahlbeton-Fundament errichtet. Dessen Maße und Gewichte sind bei den großen typischen sogenannten Schwachwind-WKA von z.B. 5,5 Megawatt Maximal-Leistung: Der Durchmesser desFundaments: 30 Meter, seine Tiefe 4 Meter, 1.400 Kubikmeter Beton, 120 Tonnen Stahl. Die Turmhöhe bis zur Nabe (Maschinenhaus) geht bis zu 166 Metern – entsprechend höher müssen die Kräne reichen, um die Rotorflügel, die bis zu 90 Meter lang sein können, zu montieren.

Und davon werden auch noch möglichst mehrere dieser Riesen-WKA als Windpark im Wald zusammengebracht. Das ist rentabler.

Die fest vorgeschriebene Verpflichtung des Betreibers, am Ende der WKA-Lebensdauer die Fundamente zu beseitigen, wird mit staatlicher Erlaubnis ausgehebelt, wenn stattdessen Geld gezahlt wird. Diese Betonmassen bleiben deshalb jetzt ewig im ruinierten Wald.

Diese Schäden sind aber noch lange nicht Alles: Es sind die Auswirkungen der laufenden Windkraft-Riesen auf die Tierwelt. Mehrere Naturschutzverbände (nicht aber der BUND) haben festgestellt, dass WKA Greifvögel, Fledermäuse und Insekten töten. Aus einer sogar vom Bundeswirtschaftsministerium BMWi in Auftrag gegebene Studie berichtete die SZ, dass sowohl der Rotmilan – eine geschützte Art – und der Mäusebussard in ihren Populationen bedroht sind.

Der Verhaltensforscher Oliver Krüger sagte 2016 „die Zahlen zeigten, dass schon der Jetzt-Zustand für den Rotmilan kritisch ist.“ Bereits 2012 verunglückten im Bundesland Brandenburg 3,1% der Rotmilane an den damals 3044 WKA tödlich. Fachleute schätzten damals, dass der Bestand theoretisch noch 4% Verluste verkraften könnte.

Neun Jahre später, also 2021, waren es lt. BDEW 7.864 Anlagen im Lande Brandenburg – also das 2,6-fache von 2015. Wenn heute auch nur noch ein einziges Brutpaar in diesem Bundesland übriggeblieben ist, wäre das wohl ein Wunder.
Zum Mäusebussard erklärte der Nabu-Ornithologe Lachmann in der o.e BMWi-Studie, dass man wenige Standorte finden wird, an denen kein Mäusebussard ist. Fotos von geschredderten Exemplaren gibt es jedenfalls etliche.

Fledermäusen werden durch die von den WKA-Flügeln erzeugten schlagartigen Druckänderungen die Lungen zerrissen. Ihr Inneres gleiche „blutigem Matsch“.

Eine Studie der Wildtierstiftung nannte vom Autor Klaus Richarz die Zahl von „jährlich 240.000 Fledermäusen, die den Rotoren zum Opfer fallen.

Bereits 2015 hatte diese Stiftung in eine Umfrage die Aussage „Im Zweifelsfall hat der Schutz von Vögeln oder anderen Tieren Vorrang vor dem Bau von Windkraftanlagen“ zur Abstimmung vorgelegt. 64 Prozent der Befragten stimmten dem zu. In einer weiteren von Emnid durchgeführten Umfrage – ebenfalls 2015 – stimmten 79 Prozent folgender Forderung zu: „Für den Ausbau der Windenergie sollten generell keine Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden.“

Das erklärt die immer stärkeren Widerstände der Bewohner in besiedelten Regionen gegen die Errichtung von WKA.

Die Deutschen haben ja bekanntlich eine besonders liebevolle und romantische Beziehung zu ihren Wäldern. Die Absicht der Regierung, große Teile dieser Wälder in Industriewüsten zu verwandeln, könnte auch für sie selbst zu einer Katastrophe werden.

Es ist nicht nur der Wald bedroht, sondern das ganze Ökosystem Wald.

Zum Schluß ein Blick in das Baugesetzbuch – und dessen Bedeutung für die Errichtung von Windenergieanlagen

Es bietet eine Überraschung für logisch denkende Normalbürger, aber wohl kaum für Juristen.

Es geht um den §35 des Baugesetzbuchs “Bauen im Außenbereich“.

Dort steht unter (1): ..“dass ein Vorhaben nur zulässig ist, wenn öffentliche

Belange nicht entgegenstehen und wenn es

Zif.5: „der Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Wind- oder
Wasserenergie dient.“

1. Anmerkung: Diese Bestimmung hat unter den Gegnern des WKA-Ausbaus großen Zorn hervorgerufen, weil damit dieser Ausbau staatlich durch Gesetz grundsätzlich „gesegnet“ wird.

Dieser Ärger ist verständlich, aber wenn man in diesem §35 weiter liest, gelangt man zu (3):

(3): „Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn
das Vorhaben

Ziff.3: „schädliche Umweltauswirkungen hervorrufen kann oder ihnen
ausgesetzt ist;
Ziff.5: „Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege … oder die
natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder das Orts-
und Landschaftsbild verunstaltet.

2. Anmerkung: Diese Nr. (3) ist ein Hammer ! Und gnadenlos deutlich.
Wenn man logisch an die Aussagen in Nr.(1), Ziff.5 einerseits
und dazu an die Aussagen in Nr.(3), Ziff. 3 und 5 herangeht,
bedeutet das doch ganz eindeutig:
o Die Nutzung der Windenergie ist zwar zulässig; das wird jedoch von den
Bestimmungen in Nr.(3) für eine Reihe von Standorten untersagt!
Es zählen: Naturschutz, Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der
Landschaft, Verunstaltung bzw. Verschandelung des Orts- und
Landschaftsbildes.

o Betrachten wir den Fall, dass einmal jemand unter Bezugnahme auf das
Baugesetzbuch die „Nutzung“ der Windenergie durch Vorhaben in Wäldern
(Naturschutz ), in der freien Landschaft (in natürlich erhaltenem Zustand,
in geschützten Landschaften, in Biosphärenreservaten ) und z.B. in
historischen und auch architektonisch bewundernswerten Städten
(Verschandelung) anklagt und die Anwendung dieses Gesetztes einfordert:
Dann könnte es doch eventuell geschehen, dass ein sehr großer Teil der
WKA-Neubauprojekte schlicht verboten wird. Der Nachweis ihrer schädlichen
Auswirkungen dürfte jedenfalls gelingen.
Zu den Ausnahmen würden Industriebrachen, Mülldeponien und ähnliche
Landschaftsteile gehören, die man selbst durch Windräder nicht mehr
verunstalten kann.

Was befürchtete Boris Palmer? „Wollte man alle Landschafts- und
Naturschutzgebiete, ….von Windrädern freihalten, dann wäre der Ausbau
der Windkraft beendet“. Möglicherweise kannte er von §35 des
Baugesetzbuchs die Nr. (3) nicht. Oder es war ihm egal.

o Ob es bereits sich darauf beziehende Klagen gegen einen Neubau von
Windkraftanlangen an Land – und insbesondere den von Windparks – gegeben
hat, und wie das ggf. ausgegangen ist, wäre interessant zu wissen.

Dr.-Ing. Günter Keil, Sankt Augustin

 

 

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