Edgar L. Gärtner
Das in den letzten Jahren in Mode gekommene Fact Checking hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Denn spätestens seit Immanuel Kant (1724-1804) sollten wir wissen, dass isolierte Beobachtungsdaten nichts besagen. Aussagekraft bekommen sie erst als Bestandteil eines nachvollziehbaren Erklärungsversuchs. Durch Real- und Gedankenexperimente testen und vergleichen können wir nur unterschiedliche Hypothesen bzw. Modelle über reale Zusammenhänge. Wir haben, außer in der begnadeten Mystik, keinen direkten Zugang zur objektiven Realität.
In der nüchternen wissenschaftlichen Forschung arbeiten wir stattdessen mit mehr oder weniger übersichtlichen Modellen. Das können schlichte Gedanken-Konstrukte, aber auch mathematische Formeln, Versuchstiere oder Computersimulation sein, die mithilfe von Gedanken- und/oder physischen Experimenten überprüft werden können. Dabei geht es nicht primär um die naive Gegenüberstellung von Modell und Beobachtungsdaten, sondern um den Vergleich verschiedener Erklärungsversuche. Es kommen dann Kriterien wie Einfachheit, Eleganz, Kohärenz und Plausibilität ins Spiel. Man kann das schön illustrieren an Hand der historischen Kontroverse zwischen den Vertretern des ptolemäischen Sonnensystems mit der Erde im Mittelpunkt und den Vertretern des heliozentrischen Systems von Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543). Das Modell des Claudius Ptolemäus aus Alexandrien (etwa 100 – 170 n.Chr.) entsprach mit seinen komplizierten Hyperzyklen den Beobachtungsdaten weit besser den Beobachtungsdaten als das Modell des Kopernikus, in dem die Erde mit den anderen Planeten um die Sonne kreist.
Allein mithilfe des „Fact Checking“ wäre es also nicht zur „kopernikanischen Wende“ gekommen. Denn beide Modelle erwiesen sich als falsch. Das kopernikanische Modell wurde aber letztendlich als weniger falsch eingeschätzt als das konkurrierende ptolemäische. Warum? Der als Ketzer verurteilte Franziskanermönch Wilhelm von Ockham (1287-1347) hatte gelehrt, dass bei strittigen Sachverhalten der einfachsten Erklärung den Vorzug zu geben sei. Nach diesem bis heute als „Ockhams Rasiermesser“ oder KISS-Prinzip („Keep it short and simple!“) bekannten Kriterium hatte das kopernikanische Modell größere Chancen, anerkannt zu werden. Dieses mit den Beobachtungen in Einklang zu bringen, gelang aber erst dem Astronomen Johannes Kepler (1571-1630), indem er nachwies, dass die Planeten die Sonne nicht auf kreisförmigen, sondern auf elliptischen Bahnen umrunden.
Damit ist schon angedeutet, dass es eine Standard-Methode, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, nicht gibt. Die Arbeit ehrlicher Wissenschaftler ähnelt der von Detektiven, die flexibel zwischen verschiedenen Suchverfahren wechseln und neben formalisierbaren Etappen ihrer Recherche auch der unkontrollierbaren Intuition Platz einräumen sollten. Aus diesem Grund berufen sich nicht wenige Forscher, sofern sie überhaupt methodisch interessiert sind, auf die anarchistische Erkenntnistheorie des österreichischen Philosophen Paul Feyerabend (1924-1994). Ohnehin hatte auch schon der weniger umstrittene Sir Karl R. Popper ((1902-1994) hegeleitet, dass wissenschaftliche Forschung nur in der Lage ist, provisorische Teilwahrheiten aufzuspüren und in Form nachvollziehbarer Hypothesen der Kritik auszusetzen. Kritik daran kann auch nur in Form ebenfalls kritisierbarer Gegen-Hypothesen formuliert werden, denn es kann keinen neutralen Standpunkt mit einem privilegierten Zugang zur Wahrheit geben. Die oft aus obskuren Quellen finanzierten „Faktenchecker“ wähnen sich stattdessen gerade in dieser ebenso arroganten wie lächerlichen Position. Uns Menschen fehlt aber schlicht die übernatürliche Fähigkeit, die wissenschaftliche Seriosität einer Hypothese à priori einzuschätzen. Popper verlangt deshalb in aller Bescheidenheit nur, dass die Hypothesen so klar formuliert werden müssen, dass sie für Gegenargumente angreifbar werden. Die Faktenprüfer (soziologisch gesehen, oft verkrachte Existenzen) wähnen sich hingegen in einer privilegierten Position – konkret: in der Machtposition amtlicher Zensoren.
Aus dem hier Gesagten geht hervor, dass Wissenschaft (mit oder ohne Fact Checking) allein nicht in der Lage ist, irgendeine Politik (und schon gar nicht „Klimapolitik“) zu begründen. Es ist ohnehin schwierig, Poppers Falsifikationstheorie auf die wenig exakten Sozialwissenschaften und generell auf polykausale Zusammenhänge wie das Wettergeschehen, die Wirtschaftsentwicklung oder den Verlauf von Krankheiten anzuwenden und daraus Prognosen abzuleiten. Der österreichische Wirtschafts-Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek (1899-1992) setzte deshalb auf die menschliche Fähigkeit, Muster von historischen und biografischen Ereignissen zu erkennen und daraus Prognosen abzuleiten. Neben mehr oder weniger exakten Messverfahren kommt hier (wie in guter Medizin!) die Intuition ins Spiel. Kriterium für deren Aussagekraft ist dann die Isomorphie zwischen Mustern. (Ich habe darauf in meiner Besprechung des Buches „Kritizistische Wissenschaftstheorie“ des Trierer Philosophen Hardy Bouillon hier bei EIKE hingewiesen.) Ausgerechnet die menschliche Fähigkeit der Intuition soll aber nach den Vorstellungen des „Transhumanismus“ durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt werden.
Im Grunde geht es bei der Erforschung komplexer Sachverhalte in Natur und Gesellschaft immer auch um religiöse Fragen. Dass die „Klima-Bewegung“ längst religiöse Züge angenommen hat, liegt ja auf der Hand. Die Verfechter einer „Klimapolitik“ geben das auch implizit zu, indem sie ein bestimmtes „Narrativ“ verteidigen. Darin erscheint die industrielle Revolution, der wir unseren materiellen Wohlstand verdanken, als grundlegender Sündenfall. Nur aus diesem Grund wurde Kohlenstoffdioxid vom Lebenselixier zum gefährlichen Schadstoff umdefiniert. Außer der Tatsache, dass der CO2-Gehalt der Luft steigt, gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Man könnte daraus genauso gut eine optimistische Geschichte basteln, wenn man den CO2-Anstieg als Indikator der wirtschaftlichen Aktivität interpretiert. Dennoch hat sich das pessimistische Narrativ durchgesetzt. Das massive Trommelfeuer der Massemedien zur Verbreitung der Erzählung vom menschengemachten Klimawandel liefert keine hinreichende Erklärung dafür. Der Glaube, mithilfe der Wissenschaft die Zukunft vorhersagen zu können, muss schon vorher vorhanden gewesen sein. Er geht auf das mechanistische Weltbild der europäischen Aufklärung zurück. Dieses hat sich offenbar trotz der Aufwertung von Ungewissheit und Zufall durch die Quantenphysik in den Köpfen vieler Zeitgenossen gehalten. Aber das ist ein anderes Thema…
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
In den letzten Tage gab es immer wieder kritische Sendungen zum Thema LNG Importe bzw. Lage der Energieversorgung allgemein.
Die Intention solcher Sendungen ist zwar eine andere, nämlich zu betonen, daß eigentlich sehr schnell Wind und PV gebaut werden sollte statt LNG-Terminals, um CO2 zu vermeiden.
Aber insgesamt zeigen solche Sendungen, wie die Wirklichkeit tatsächlich ist. Die Wirklichkeit wird nämlich durch die Physik bestimmt und nicht durch Ideen westlicher Politiker oder ideologisch gepolter „Experten“. Leider erkennt aber offenbar eben aufgrund von Ideologie niemand, wie die ursächlichen Zusammenhänge wirklich sind.
Häufig wird dabei dann auf eine Zukunft mit Wasserstoff verwiesen. Wasserstoff soll also in Zukunft Kreuzfahrschiffe und Schiffe überhaupt antreiben, die Luftfahrt, die Eisenproduktion, viele chemische Prozesse bis hin zur Eisenbahn und dem Autoverkehr. Daß man diesen Wasserstoff erst mit ganz miesem Wirkungsgrad elektrisch herstellen muß, wird allgemein ignoriert. Und wo diese Elektrizität bei Abschaltung aller Backups herkommen soll, weiß offenbar auch niemand.
Mein Fazit: Planwirtschaft ohne Plan, Blinde ereifern sich obergescheit über Farbnuancen! Und auf die Physik wird sowieso gepfiffen. Hauptsache Deutschland glaubt fest daran, die Welt im Alleingang retten zu können, in typisch deutscher Bescheidenheit eben …
Wer bei solchen Sendungen mit ein wenig Sinn für die Tatsachen zwischen den Zeilen lesen kann, bleibt erschüttert zurück, ob der vielen Fehleinschätzungen, auf die unsere Zukunft momentan aufgebaut wird. Davor sollten die Jungen Angst haben, nicht vor einem Molekül CO2 mehr auf 10.000 Luft!
Mit Religion hat all das eigentlich nichts zu tun, eher mit Realitätsverweigerung!
OMV: „Der Nettogewinn fiel mit 5,175 Mrd. Euro um 85 Prozent höher aus als im Vorjahr.“ [ORF]
Das Geld, das dem Normalsterblichen für Kraftstoff, Gas- oder Ölheizung abgezockt wird und ihn an den Rand des finanziellen Ruins treibt, ist natürlich nicht weg, es hat nur wer anderer, nämlich in diesem Fall die österreichische OMV.
Allen Beteuerungen der grünen Politik entgegen, setzen die sog. Fossilen zum Höhenflug an. Spritpreise um 2€ je Liter füllen die Kassen von OMV und Konsorten prall und praller. Das ist die Wirklichkeit. Die dazu nicht passende grüne Propaganda wird zwar täglich mehrmals in allen Medien als Gehirnwäsche verbreitet. Ganz offensichtlich betreiben Medien und Politik hier aber krasse Realitätsverweigerung, oder etwa nicht?
https://orf.at/stories/3303629/
Die LNG-Terminals in D werden derzeit mit mindestens 15 Jahren Laufzeit aus dem Boden gestampft. Unmengen an Steuergeld fließen in diese „Errungenschaften“.
ja gut geschrieben!
Aber um was geht es genau?
Die These vom menschgemachten Klimawandel ist nichts anderes , als die
Behauptung , wir Menschen können mit paar CO2 Molekülenn dei Erdtemperatur regeln!
Und das ist nun absoluter mittelalterlicher Aberglaube, der nur mit mystischen Wundern zu begründen ist!
Siehe „die Regentrude“ von T. Storm oder Hexenverbrennungen und „Dietzes Wunder“ nicht zu vergesswen!!
Ursache und Wirkung – bis heute nicht klar aufgezeigt!
Eine falsche Diagnose führt fast immer zur falschen Therapie!
Dekarbonisierung ist die absolut falscheste Therapie!
Werden die Menschen auch bald merken, etwas gutes zerstören um es dann wieder mühsam aufzubauen, liegt wohl in der Natur des Menschen, vor allem, wenn es ihm zu gut geht!