Die Preisentwicklung an den Energiemärkten hat inzwischen beängstigende Formen angenommen. Wer bisher davor warnte, wurde beschuldigt, Dystopien (Endzeitstimmung) zu verbreiten. Der gegenwärtige Trend hingegen lässt befürchten, dass selbst große Pessimisten zu optimistisch waren.

von Frank Hennig

Die gegenwärtige Preisrallye im Energiegroßhandel führt in apokalyptische Höhen. Eine Verzehnfachung der Gaspreise wird von einer Verdreißigfachung der Strompreise im Großhandel begleitet. Während die Gaskunden bereits über drastisch erhöhte Vorauszahlungen belastet werden, brennt die Lunte am Strompreis noch ohne Wirkung auf die meisten Kunden. Stromversorger kaufen ihre Mengen ein bis drei Jahre im Voraus, das heißt, die jetzigen Haushalts-Strompreise bewegen sich auf dem Niveau aus dieser Zeit der Vergangenheit. Neukunden dagegen landen schon bei fast 60 Cent pro Kilowattstunde (Ct/kWh).

Am Spotmarkt werden derzeit Spitzenpreise von über einem Euro pro Kilowattstunde erzielt, eine Entspannung der Lage ist nicht absehbar. Für 2023 verzeichnet Reuters derzeit für das zweite und dritte Quartal 375 Euro pro Megawattstunde, das entspricht 37,5 Ct/kWh. Das war eine Momentaufnahme von Anfang August. Erfolgt die Preisbildung für die Endkunden nach jetzigem Muster und bleiben diese Komponenten im Wesentlichen unverändert, kommen über Stromsteuer, Umlagen und Abgaben etwa 13 Cent hinzu. Das Ganze, also auch die Stromsteuer, wird dann mit der Umsatzsteuer von 19 Prozent „veredelt“, so dass am Ende mindestens 60 Ct/kWh zu Buche schlagen werden.

Allerdings steigen absehbar sowohl die Netzentgelte durch die teuren Erdkabel der Nord-Süd-Verbindungen, die Offshore-Umlage durch die Umsetzung des „Osterpakets“ als auch die Bezugspreise durch die weitere politisch gewollte Verknappung der CO2-Zertifikate, global steigende Öl- und Gaspreise, die galoppierende Inflation und Investitionen in zu reaktivierende konventionelle Kraftwerke. Mithin sind die 60 Cent eine freundliche untere Schätzung.

Die Lunte am Strompreis droht auch sozialen Sprengstoff zu entzünden. In den vergangenen Jahren wurde 300.000 bis 340.000 Haushalten jährlich der Strom abgestellt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Diese Zahl könnte in die Millionen gehen. Mit Ratenzahlungen ist dann nichts zu retten. Wird die – völlig berechtigte – soziale Forderung umgesetzt, dass niemandem der lebenswichtige Saft abgedreht werden darf, geraten Versorger und Stadtwerke in Insolvenzgefahr und müssen staatlich gerettet werden. Dann sitzen neben Energieriesen wie Uniper und Enercon zahlreiche kleine Versorger und kommunale Betriebe im Rettungsboot, das über Staatsgeld erst aufgeblasen werden muss. Ob dann die Steuern für „reiche“ Normalverdiener steigen oder sich in der Besenkammer des Finanzministeriums noch ein Stapel „Sondervermögen“ findet, ist für den folgenden wirtschaftlichen Niedergang relativ unerheblich.

Primäre Ursache des Desasters ist die Marktverzerrung durch eine nachhaltige Schwächung der Angebotsseite, insbesondere durch die deutsche Abschaltpolitik. Dazu kommen extrem gestiegene Gaspreise, steigende Preise für CO2-Zertifikate, steigende Preise für Steinkohle, Unklarheiten zur künftigen Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke.

Eine „Übergewinnsteuer“ soll die Rettung sein. Man sollte mit dem Nächstliegenden beginnen und die Übergewinne der Wind- und Solarbetreiber einkassieren, eine Differenzbesteuerung nach britischem Vorbild einführen. Jahrzehntelang wurden sie über ein sehr auskömmliches Umlageniveau abgesichert, die gegenwärtigen Windfall-Profite dürfen sie ungeschmälert einstecken. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit gehört der die Umlage übersteigende Gewinn abgeschöpft, um die Verbraucher zu entlasten. Desgleichen ist das inzwischen 17 Milliarden Euro schwere EEG-Umlagekonto aufzulösen und zur Entlastung der Stromkunden einzusetzen. Der Ansatz, mit diesem Geld wiederum die EE-Branche vor steigenden Herstellungskosten der Anlagen zu schützen, ist verfehlt. In der gegenwärtigen Energiekrise wird das Komplettversagen der „Erneuerbaren“, insbesondere von Wind- und Solarstrom, deutlich. Ihr Beitrag zur Versorgungssicherheit ist vernachlässigbar. Deutsche Spitzenpolitiker reisen nicht nach Katar, Japan und Kanada, um die Lieferung von Wind- und Solaranlagen zu erbitten.

Was wäre nötig? Das Naheliegendste zuerst zu tun – Aufhören mit Abschalten. Mittel- und langfristig sind Entscheidungen zu treffen zur Rückkehr zu einem zeitgemäßen versorgungssichernden Energiemix aus sauberer Kohletechnologie, einer neuen Generation von Kernkraftwerken und der Nutzung einheimischer Energierohstoffe wie Erdgas und Braunkohle unter modernen Förderbedingungen. Das macht unabhängig von den Weltmärkten. Wir müssen nicht nur über den nächsten und übernächsten Winter kommen, sondern auch darüber hinaus auskömmlich leben können. Nach über 20 Jahren Energiewende-Erfahrung sollte man wissen, dass es das dekarbonisierte grüne Paradies aus Sonnenkraft und bewegter Luft nicht geben wird.

Die bisherigen Energiestrategien – wenn man sie als solche überhaupt bezeichnen kann – mehrerer Bundesregierungen können als gescheitert zur Seite gelegt werden. Ihr einziges stupides Ziel, die Förderung von immer mehr Wind- und Solaranlagen, war systemisch falsch und half nur der entsprechenden Lobby, nicht dem Land.

Das Argument des „Klimaschutzes“ war vorgeschoben, hätte man es ernst genommen, wäre der Atomausstieg rückgängig gemacht worden. Wir sollten durchaus Emissionen senken, aber die CO2-Senkung als politisches Oberziel zu installieren, ist irreführend. „Klimaschutz“ nach deutschem Rezept führt zu Armut. Man kann ihn nicht essen.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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