Thomas Frederikse und Kollegen veröffentlichten eine Studie über Meeresspiegeldaten, die sowohl Gezeitenpegel als auch Satellitendaten im Jahr 2020 berücksichtigt (Frederikse, et al., 2020). Diese Arbeit wird häufig in der Diskussion über den Meeresspiegel in Kapitel 9 des AR6 zitiert. Darin wird festgestellt, dass es viele Ursachen für globale und regionale Änderungen des Meeresspiegels gibt, die berücksichtigt werden müssen. In weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre erholen sich die Böden noch immer vom Abschmelzen der massiven Gletscher, die sie während des letzten glazialen Maximums getragen haben. Dies führt dazu, dass viele nördliche Gezeitenpegel einen sinkenden Meeresspiegel anzeigen, während das Land ansteigt. Außerdem hat der Bau von Staudämmen im 20. Jahrhundert dazu geführt, dass den Ozeanen Wasser vorenthalten und in Stauseen an Land gespeichert wurde, insbesondere zwischen 1960 und 1980. Sie sagen uns auch, dass frühere Bewertungen des Meeresspiegels nicht in der Lage waren, die Beobachtungen mit den berechneten Beiträgen von Eismassenverlust, Dammbau und thermischer Ausdehnung des Wassers in Einklang zu bringen. Wie in Teil 1 dieser Serie erwähnt [in deutscher Übersetzung beim EIKE hier], sind die beobachteten Veränderungen des Meeresspiegels sehr gering, so dass dies nicht überraschend ist. Die jährlichen Veränderungen liegen unterhalb der Messgenauigkeit der Instrumente.
Die Beobachtungen des Meeresspiegels, der Ozeantemperatur, des Eismassenverlusts, des in künstlichen Stauseen gespeicherten Wassers und der gesamten Abflüsse in die Ozeane sind allesamt mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, weshalb es den Studien nicht gelungen ist, die Lücke zwischen den Beobachtungen zu schließen. Frederikse und Kollegen unternehmen einen weiteren Versuch, diese Lücke zu schließen. Sie stellen fest, dass in den letzten Jahren sehr viel genauere Schätzungen für alle kritischen Beobachtungen zur Verfügung gestellt wurden, und fassen diese in einer neuen Schätzung zusammen.
Ihre beste Schätzung für den beobachteten Trend des Meeresspiegelanstiegs von 1900 bis 2018 beträgt 1,56 ±0,33 mm/Jahr, was einem Fehler von ±20 % entspricht. In Teil 1 haben wir unter Verwendung der NOAA-Meeresspiegel-Aufzeichnungen eine Steigung von 1,74 mm/Jahr mit einem R² von 0,97 ermittelt; dieser Wert liegt innerhalb der von Frederikse und Kollegen angegebenen 90%-Konfidenzgrenzen. Die geschätzte beobachtete Veränderung des Meeresspiegels ist in Abbildung 1 dunkelblau dargestellt. Die Summe der Komponenten der Meeresspiegeländerung ist in Schwarz dargestellt. Zum Vergleich sind auch die beiden Hauptkomponenten der Meeresspiegeländerung dargestellt. Barystatische Veränderungen (Volumen des Ozeans ohne thermische Ausdehnung) sind in rot dargestellt, thermostatische (Volumenveränderungen des Ozeans aufgrund thermischer Ausdehnung) in orange. Alle Kurven sind auf ihre Mittelwerte von 2002 bis 2018 zentriert. Vor allem aufgrund des Zentrierungszeitraums sieht die Übereinstimmung der Komponentensumme mit den Meeresspiegelbeobachtungen im 21. Jahrhundert gut aus. Vor 1990 ist sie nicht sehr gut, aber sowohl die Summe als auch die Beobachtungen stimmen innerhalb ihrer jeweiligen Fehlermarge überein. Die Unsicherheit des beobachteten Meeresspiegels vor 1990 beträgt im Allgemeinen mehr als ±10 mm; vor 1960 beträgt sie mehr als ±15 mm. Vor 1940 beträgt sie mehr als ±20 mm.
Die in der Studie untersuchten Teilkomponenten der barystatischen Veränderungen sind: Gletscherschmelze, Schmelzen des grönländischen und des antarktischen Eisschilds und terrestrische Wasserspeicherung (einschließlich des Baus neuer Staudämme und der Erschöpfung des Grundwassers). Thermosterische Veränderungen werden anhand von Messungen der Temperatur des Meeresuntergrunds geschätzt. Frederikse et al. versuchen, die Gesamtsumme der Komponenten mit den von Satelliten und Gezeitenmessern gemessenen Veränderungen des Meeresspiegels mit Hilfe eines Modells in Einklang zu bringen und finden eine bescheidene Übereinstimmung innerhalb der jeweiligen Fehlermargen.
Die Ergebnisse seiner Studie erhöhen die bisherigen Schätzungen des Anstiegs des globalen mittleren Meeresspiegels (GMSL) in den 1960er und 1970er Jahren, nachdem die Auswirkungen des Dammbaus ausgeschlossen wurden. Sein Modell erhöht auch die Unsicherheit vor 1940. In den 1920er und 1930er Jahren ist die Übereinstimmung ziemlich schlecht, und auch der steile Anstieg des Meeresspiegels von 1930 bis 1950, der fast so schnell verläuft wie im 21. Jahrhundert.
Die Unsicherheit der GMSL-Rate verringert sich zwar für den Zeitraum 1993 bis 2018, beträgt aber immer noch mehr als ±0,4 mm/Jahr, wie in Abbildung 2 dargestellt. Beide Abbildungen sind ein Teil von Frederikse et al.’s Abbildung 1. Abbildung 2 zeigt die 30-jährige Änderungsrate seiner Modelle für barystatische und thermosterische Änderungen in rot bzw. orange und ihre Summe in schwarz. Diese werden mit der beobachteten 30-jährigen Veränderungsrate in Blau verglichen. Es wird deutlich, dass die Anstiegsrate des Meeresspiegels auf einer multidekadischen Skala oszilliert und in den 1940er Jahren innerhalb der Fehlermarge wahrscheinlich genauso schnell anstieg wie heute.
In Abbildung 2 sind die schattierten Bereiche die 90 %-Konfidenzintervalle. Das Diagramm zeigt die Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs in mm/Jahr. Die Zeiträume, in denen die Beobachtungen (blau) und das Modell (schwarz) nicht übereinstimmen, sind in Abbildung 2 deutlicher zu erkennen. Besonders schlecht ist die Übereinstimmung in den Jahren 1915 bis 1950. Die rasche Verlangsamung der Anstiegsrate zwischen 1950 und 1965 wird überhaupt nicht gut wiedergegeben. Der rasche Anstieg von 1990 bis 2005 ist nur geringfügig besser als in den anderen Zeiträumen.
Das Modell von Frederikse et al. weist eine Gesamtunsicherheit von mindestens einem halben mm/Jahr auf (siehe schwarze Schattierung in Abbildung 2), und die Unsicherheit in den Daten (blaue Schattierung) ist noch größer. Abbildung 2 ist unsicher, aber die etwa 60-jährige Oszillation ist signifikant und entspricht normalen langfristigen Ozeanoszillationen, wie sie von Wyatt und Curry beschrieben werden [1]. Die Stadienwelle von Wyatt und Curry ist hier in den Abbildungen 8 und 9 zu sehen. Ihr etwa 60-jähriger Zyklus kann in einen 30-jährigen Erwärmungszyklus und einen 30-jährigen Abkühlungszyklus unterteilt werden. In ihrer Analyse war 1918 bis 1942 eine Erwärmungsperiode und 1942 bis 1976 eine Abkühlungsperiode, was recht gut zu den in Abbildung 2 dargestellten Daten passt.
Kombiniert man die Analyse von Wyatt und Curry mit der von Frederikse et al. können wir erkennen, dass die Schwankungen der Meeresspiegelanstiegsraten im 20. Jahrhundert wahrscheinlich zum Teil auf natürliche Ozeanschwankungen zurückzuführen sind. Die Erde ging 1976 in eine natürliche Erwärmung über, die wahrscheinlich Anfang des 21. Jahrhunderts, vielleicht um 2005, endete und dann in eine Abkühlung überging. Nach Abbildung 2 zu urteilen, scheint es möglich, dass die scheinbare Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs von Ende der 1980er Jahre bis etwa 2005 lediglich eine Wiederholung der Beschleunigung von etwa 1925 bis Anfang der 1940er Jahre war. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, sind die in den Abbildungen 1 und 2 gezeigten Daten nicht genau genug, um zu dem Schluss zu kommen, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels insgesamt beschleunigt; vielmehr ist es möglich, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels in naher Zukunft verlangsamen wird.
Die statistischen Methoden, die im AR6 verwendet wurden, um die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs nachzuweisen, waren recht grob, wie in Teil 1 erläutert. Es wurden einfach Daten herausgepickt und mit Hilfe der kleinsten Quadrate angepasst, um die Beschleunigung zu schätzen. In diesem Teil zeigen wir, dass der Fehler bei der Schätzung des Meeresspiegelanstiegs und seiner Komponenten so groß ist, dass es wahrscheinlich nicht möglich ist, die Beschleunigung definitiv nachzuweisen. Im nächsten Beitrag werden wir die Probleme mit diesem Ansatz erörtern und eine statistisch fundiertere Projektion der Anstiegsrate des Meeresspiegels erstellen.
The bibliography can be downloaded here.
- (Wyatt & Curry, Role for Eurasian Arctic shelf sea ice in a secularly varying hemispheric climate signal during the 20th century, 2014) and (Wyatt, The “Stadium Wave”, 2014)
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Zur Meßproblematik: Die 3-phasig veränderliche Meereshöhe (Gezeiten) erklärt sich aus dem Zusammenspiel von der Gravitation des Mondes plus der Zentrifugalkraft des gemeinsamen Erd-Mond-Massenmittelpunkts und der Gravitation der Sonne. Dieses Ursachengemisch verursacht auf der Erdoberfläche das Basisgezeitenmuster. Überlagert ist diesem Muster noch der Windantrieb, der mitphasig, schräg oder gegenphasig Wasser irgendwo hintreiben kann oder eben das Gegenteil und auch die großen Strömungsmuster (AMO, PDO, usw.) wirken sich pegelmäßig aus.
All das müssen sowohl Satelliten als auch terrestrische Messungen berücksichtigen und „herausrechnen“, um einen Mittelwert zu erhalten. Beim Satelliten kommt noch die dynamische Wellenstruktur der Oberfläche dazu und die Überlagerung aus Oberflächengeschehen im Mondphasenzyklus und typisch 12 Umlaufzyklen pro Tag auf Polarbahnen, abgesehen von der Absolutgenauigkeit der Abstandsmessung. Und auch Hebung bzw. Senkung der Landflächen muß bei Langfristermittlungen berücksichtigt werden.
Leider habe ich bisher noch nie Fachartikel gefunden, die diese Problematik analysieren und Kommentare zu den veröffentlichtem Pegelwerten abgeben. Jedenfalls dürfte dieses Thema wesentlich komplexer sein, als auf den ersten Blick vermutet.
Das wäre die Meßproblematik. Danach kommt die Frage nach den Ursachen, wo eine noch größere Multikausalität herrscht als bei der Meßproblematik. Die ununterbrochene Sedimentbildung am Meeresboden wird diesbezüglich allgemein ignoriert. Die Sedimentbildung kann anhand der Fotos der Wraks von unzähligen gesunkenen Schiffen nachgewiesen werden. Auch am Meeresboden muß man Bohrkerne ziehen, um in die Vergangenheit vorzudringen.
Hier wird beschrieben wie die Satelliten-Messungen funktionieren. https://sealevel.jpl.nasa.gov/missions/technology/
Sie behaupten dort, den Abstand Satellit zu Msp Oberfläche auf 3 cm genau (precision) bestimmen zu können, zuvor jedoch werden schon Fehlerkorrekturen durchgeführt, die durch die geologischen Parameter der Satellitenbahn erforderlich würden. Diese würde auf 1 cm genau bestimmt.
„In order to produce accurate estimates of the satellite orbital height, POD combines the satellite tracking information with accurate models of the forces (e.g., gravity, aerodynamic drag) that govern the satellite motion. For these missions, this process supports the determination of the satellite orbital height with an accuracy of about 1 centimeter (0.5 inches).
Als Freqenzen für die Laufzeitmessung der Impulse werden 5,3 Ghz und 13,6 Ghz benutzt. Das entspricht Wellenlängen von 5,7 und 2,2 cm. Deren Laufzeit wird als Maß für den Abstand des Satelliten von der Meeresoberfläche benutzt.
Dann mitteln sie diese Mess-Werte über 10 Tage (einige 100.000 Messwerte) und mitteln damit per 1/Wurzel aus der Anzahl der Messungen den Fehler aus. Aus den 3 cm Genauigkeit (Streuung) um den Mittelwert x werden dann nur ± 0,0001 % Streuung, um den Mittelwert x. Den wiederum gleichen (eichen) sie in kurzen Abständen mit den Messwerten von Tidenmessern auf der ganzen Welt.
Wenn sie die Frequenz extrem konstant halten, also mindestens um 2 Größenordnungen als die Längenmessung und sich kein systematischer Fehler einschleicht, erscheint mir diese Vorgehensweise plausibel und nicht zu beanstanden.
Admin, wissen Sie, wie viele Jason 3 Satelliten gleichzeitig messen und wie diese Messungen untereinander zu Endwerten verarbeitet werden? Wissen Sie weiters, mit welcher Meßrate gemessen wird? Also kann der Satellit die momentan unter ihm stattfindende „Wellenbewegung“ kontinuierlich mitverfolgen und gleich im Satellit eine mittelnde Vorverarbeitung durchführen, oder wird einfach z. B. alle 5 min. ein einzelner Momentanwert ermittelt, der dann irgendwo zufällig auf einer Welle liegen kann und nur inkl. Momentanposition in einen Speicher zur späteren Auswertung eingetragen wird? Und wie groß ist eigentlich der „Punkt“, der gemessen wird?
Gem. Nasa-Beschreibung ist er einige km² groß. Der Satellit legt pro Sekunde 7 km zurück, was mißt er somit konkret? Leider gibt der Artikel keine Auskunft daüber, ob und wie die Satellitenwerte mit den speziell auf Satellitenbahnen eingerichtetenen erdgebundenen Kontrollstationen (Korsika, Santa-Barbara-Kanal) harmonieren, die alle 10 Tage überflogen werden und offenbar als Kalibrierungsvergleich dienen.
Ist jedenfalls ein spannendes Thema, weil die eigentlichen Meßwerte noch mit den Gezeiten-, Strömungs- und Windmodellen zeitkonsitent in Relation gebracht werden müssen. Und auch die Eigenpositionsbestimmung der Jason 3 Satelliten über 12 GPS-Satelliten plus erdgestütztem Laserverfahren ist bemerkenswert.
Zur Sedimentation: ich meine, es findet Auffaltung und Abtragung gleichzeitig statt. Natürlich in sehr langen Zeiträumen. Aber beide Prozesse haben Auswirkung auf die Beckenform bzw. -größe für die Weltmeere.
„ununterbrochene Sedimentbildung am Meeresboden“
Ein sehr interessanter, bisher nicht beachteter Aspekt! Wie wäre es mit folgendem Grenzfall bzw. Gedankenexperiment: Gäbe es nicht die Plattentektonik und sich neu aufschiebende Gebirge, keine Vulkane und Meteoriteneinschläge, dann würde durch Bodenerosion und Materialtransport in Flüssen und Meeresströmungen die Erdoberfläche komplett nivelliert – bei einer mittleren Meerestiefe von, lassen Sie uns raten, vielleicht 500 m weltweit. An den Polen gäbe es nur noch Meereis, was zu den „Pegeln“ nichts beiträgt. Und Land und Ufer gäbe es nicht mehr, also weltweit Land-unter.
Und was ist jetzt unsere reale Situation? Stärkere Aufsteilung von Gebirgen und Entstehung von Landmassen und tieferen Ozeanen oder gilt das Gegenteil, und wir sind auf dem Weg zur globalen Abflachung mit versinkenden Ufern und Landmassen?? Eine vorsichtige Prognose: Falls wir schon länger mittels Pegelmessungen einen mittleren globalen „Meeresspiegelanstieg“ beobachten, könnte dies auch auf globale Abflachung hindeuten…