Dagmar Jestrzemski (Red. PAZ)*

Eine Studie klammert die externen Belastungen durch den Ausbau der Solar- und Windkrafterzeugung einfach aus.

Auch die ökologischen und gesundheitlichen Einschnitte werden ignoriert

Terminlich genau abgestimmt, veröffentlichten Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich (FZJ) zwei Tage vor der Bekanntgabe des Koalitionsvertrags am 25. November eine noch von der alten Bundesregierung in Auftrag gegebene Kostenberechnung für den Umbau des Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien und einer „klimaneutralen“ Energiewirtschaft. Nach dem Willen der alten wie auch der künftigen Bundesregierung soll Deutschland bis 2045 CO₂-neutral werden und damit fünf Jahre früher als EU-weit. Strom und Wasserstoff sollen komplett aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden.

Laut der Simulationsanalyse der Jülich-Forscher wird die Energieversorgung durch den Aufbau der neuen Energieversorgungsstruktur für die Wirtschaft und die Stromverbraucher jährlich mindestens 40 Milliarden Euro teurer als unter den jetzt herrschenden Bedingungen. Der Kostenberechnung liegt ein Strommix aus Fotovoltaik, Biomasse, Geothermie und anderen Quellen mit der Windenergie als Säule der Energiewende zugrunde.

Für die Bürger ist es eine schlechte Nachricht, dass die Belastung durch hohe Strompreise bleibt und weiter zunehmen wird. Geschuldet ist dies den hohen Investitionskosten für immer mehr neue und „repowerte“ Wind- und Solarstromanlagen mit vergleichsweise kurzer Lebensdauer. Bereits nach zehn Jahren geht der Wirkungsgrad von Windparks stetig zurück. Am teuersten ist der Offshore-Anteil am Windstrom, der von heute vier Prozent auf 25 Prozent steigen soll.

„Linke Tasche, rechte Tasche“

Die neuen Ausbauziele sind 20 Gigawatt (GW) Offshore-Anteil bis 2030 und 40 GW bis 2040. Seit dem Ende des EEG-Förderzeitraums 2020 werden die Erlöse, die der Windstrom erzielt, von den schwankenden Marktpreisen an der Strombörse bestimmt. Jetzt fordert die Offshore-Branche von der Bundesregierung eine neue Garantie für die Windparkbetreiber. Man bezieht sich dabei auf eine Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi), wonach „nicht in allen Fällen davon ausgegangen werden kann, dass eine wirtschaftliche Realisierung von Windenergieanlagen auf See ohne zusätzlichen Förderbedarf möglich ist“.

Unter Hinweis darauf verlangen die Branchennetzwerke vom BMWi die Zulassung sogenannter beidseitiger Differenzverträge im Bieterverfahren für Windkraftprojekte. Gleichzeitig schlagen sie vor, die EEG-Umlagekosten in einen steuerfinanzierten Fonds auszulagern.

Der Bundestag lehnte im vergangenen Jahr die Genehmigung von Differenzverträgen ab, „weil damit die Fördernotwendigkeit für erneuerbare Energien (und gegebenenfalls für andere neue Technologien im Strommarkt) dauerhaft manifestiert“ werde. Sollte die neue Bundesregierung auf die Forderung der Windindustrie eingehen, müsste sie eine neue Kostenberechnung für den Umbau des Energiesystems erstellen. Die Kosten würden dann wegen bleibender externer Effekte sinken, die Stromkunden aber infolge der steigenden Systemkosten nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ nicht ent-, sondern erneut belastet werden.

Starker politischer Einfluss

Nun zum FZJ: Das Forschungszentrum finanziert seine Projekte und die Gehälter der 6800 Mitarbeiter im In- und Ausland zu mehr als 90 Prozent aus öffentlichen Geldern. Die Mittel kommen überwiegend vom Bund und zum kleineren Teil vom Land Nordrhein-Westfalen. Der Rest entsteht durch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Dementsprechend wird der Aufsichtsrat der Forschungszentrum Jülich GmbH von der Bundesregierung und vom Land NRW dominiert: Vier der zwölf Posten besetzt der Bund und einen das Land NRW. Als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert ein Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ist also die kraft Grundgesetzartikel 5 Absatz 3 garantierte Freiheit der Forschung überhaupt noch denkbar?

Tunnelblick auf „Treibhausgas“

Im Dezember 2016 kritisierte der Bundesrechnungshof die Klimapolitik der Bundesregierung:

Diese habe keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende. Fragen wie „Was kostet die Energiewende den Staat oder was sollte sie ihn kosten?“ würden nicht gestellt und blieben somit unbeantwortet. Inzwischen liegt eine verspätete Kostenberechnung vor, jedoch ohne Erwähnung der externen Kosten der Energiewende, geschweige denn deren Bezifferung. Jedes solide privatwirtschaftliche Unternehmen erwartet, dass seine Berater die internen und externen Kosten miteinander verrechnen, damit der betriebliche Fortbestand gewährleistet ist – nicht so die alte Bundesregierung.

Die Ökobilanz von Strom aus Windkraft und Fotovoltaik ist verheerend, wird aber geschönt durch den ausschließlichen Blick des Umweltbundesamtes auf die „Treibhausgas“-Potentiale im Vergleich mit der konventionellen Stromerzeugung.

Weltweit zahlen die Bewohner der ländlichen Regionen einen hohen Preis für den Ausbau des angeblich „grünen“ und „sauberen“ Wind- und Solarstroms. Denn die Klimapolitik einer abgehobenen Elite steht unserem Nachhaltigkeitsziel wie auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeiten in unserer Verfassung diametral entgegen. Flächenfraß und Landschaftszerstörung, Wertverlust von Immobilien, gesundheitliche Probleme zahlloser Menschen durch den Lärm der Windräder, Heimatentfremdung und Landflucht, Einbußen im Bereich des Tourismus sind bekannte, aber unzureichend dokumentierte Begleiterscheinungen der massiv ausgebauten Wind- und Solarenergie auch für die elektrifizierte Mobilität.

Ausgelagert aus der Kostenrechnung, verdrängt und abgespalten, nimmt auch weit entfernt von uns im globalen Süden die Zerstörung der Lebensräume von Menschen, Pflanzen und Tieren durch einen exzessiven Bergbau ihren Lauf. Unser maßloser Rohstoffhunger auf Metalle für den Bau von demnächst 300 Meter hohen Windrädern und immer größeren Batteriespeichern für unser Stromversorgungssystem wird rücksichtslos befriedigt.

„Die Bedeutung und die Vielfalt der Speicheranwendungen ist bereits hoch und nimmt weiter zu“ (Bundesnetzagentur, März 2021) – und damit ein neuer Kolonialismus der Industrienationen, der wie sein historisches Vorbild auf Unrecht fußt. Der „Spiegel“ veröffentlichte dazu vor einigen Wochen eine aufrüttelnde Reportage. Es fehlte jedoch die Stellungnahme: Das ist moralisch nicht zu rechtfertigen!

Umweltzerstörung hingenommen

Da seit 2020 immer mehr ausgediente Windräder zurückgebaut werden müssen, sind Probleme durch damit verbundene Materialschlachten unausweichlich. Externe Kosten fallen an, wenn das vom Europäischen Gerichtshof im März erlassene individuelle Tötungsverbot von Wildtieren zukünftig aus Gründen des „öffentlichen Interesses“ missachtet werden sollte. Durch die Festlegung auf ein CO₂-zentriertes Weltbild erhielt der Schutz der Biodiversität und damit unseres Lebens, so wie wir es kennen, fatalerweise eine nachrangige Bedeutung. Politiker, die „Fridays for Future“-Jugend und zahllose Medienleute nehmen Umweltzerstörung und den Tod ungezählter Vögel, Fledermäuse und Insekten als Preis für den Ausbau der Erneuerbaren Energien stillschweigend hin, wenn sie mehr „Klimaschutz“ und die Elektrifizierung der Mobilität durch „grünen“ Strom einfordern.

Einwände prallen an der Politik ab

Was nützt aber ein „vorbildliches, klimaneutrales“ Deutschland seiner Bevölkerung und dem Rest der Welt, wenn es hier in 20 Jahren kaum noch Vögel auf den Feldern und zu wenig Insekten und damit keine Pflanzenbestäuber mehr gibt? Deutschland sollte sich bei der Verurteilung der Regenwaldrodung zurückhalten, da die Bedeutung der Wälder für das Klima im eigenen Land ohne Weiteres relativiert wird, wenn es um den Ausbau der Windkraft geht. Das gipfelt in der Anpreisung der angeblich klimaneutralen Holzverbrennung. Aufrufe von Wissenschaftlern zur Änderung dieser offenkundigen Fehlbewertung prallen an der obersten politischen Ebene ab.

Auch in diesem Jahr ließen Regierungen in aller Welt die regionale Abnahme der Windgeschwindigkeiten (die PAZ berichtete) infolge der fortschreitenden Abschöpfung von Strömungsenergie durch wissenschaftliche Studien prüfen – jedoch nicht, um die Auswirkungen auf die Wind- und Wettersysteme besser zu verstehen, sondern um noch „freie Plätze“ für eine gewinnträchtige Windausbeute ausfindig zu machen. Auf eine diesbezügliche Anfrage erteilte das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum die vielsagende Auskunft:

„Die externen Kosten der Erneuerbaren Energien sind erst ansatzweise erforscht.“

Aus einem Institut wie dem FZJ wird vermutlich keine abweichende Haltung oder Stellungnahme einzelner Wissenschaftler nach außen dringen. Etwa die Forderung, die Bundesregierung möge Milliarden Euro in die Entwicklung kleiner, moderner Reaktoren stecken wie Frankreich und immer mehr Länder weltweit. Bund und Länder investierten stattdessen Milliarden in die Windkraft-Forschung. Zerstörte Landschaften und Verwüstungen lassen sich aber nicht erneuern oder rückgängig machen.

Wundern über Deutschland

Auch China investiert in die Fotovoltaik und die Windkraft, baut aber zudem Kohle- und Gas- sowie Atomkraftwerke als Zwischenlösung, und forscht gleichzeitig massiv zur wahrscheinlichen Schlüsseltechnologie Kernfusion. Nicht nur in China dürfte erhebliche Verwunderung über Deutschlands eingleisiges Modell der Energieerzeugung herrschen, ein Modell, das mit einer schwankenden Stromerzeugung und externen Kosten in unverhältnismäßigem Umfang verbunden ist. Deren Berechnung verweigert die Regierung bisher. Es werden aber Forderungen nach finanzieller Entschädigung auf dem Tisch liegen und zu begleichen sein.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  10. Dezember 2021, S.12; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor  Dagmar Jestrzemski für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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