Beat Gygi (Red. WELTWOCHE Zürich)*

========================================================================

Die Schweiz will sich an der Uno-Klimakonferenz in Glasgow gegen Betrug einsetzen. Das bringt nichts.

Der Pariser Abkommen ist auf Täuschung angelegt.

========================================================================

Am 31. Oktober beginnt in Glasgow die 26. Uno-Klimakonferenz, die COP 26. Sie hätte eigentlich 2020 stattfinden sollen, wurde aber wegen Corona um ein Jahr verschoben. Der zweiwöchige Anlass in Glasgow gilt für Regierungen, Politiker, Verwaltungen und Interessengruppen als wichtiges Treffen, weil dies die erste Zusammenkunft seit dem Start des Pariser Abkommens ist, das für die Zeit nach 2020 die Klimapolitik der Staaten weltweit koordinieren soll. «Paris» ist ein Leuchtturm für die ganze Klimaszene. Auch ohne viel nachzudenken, kann man diesen als Orientierung nutzen, und jetzt steht er vierzehn Tage in Glasgow.

Auf dem Konferenzprogramm stehen drei Hauptthemen: erstens Treibhausgasminderung und Temperaturmässigung, zweitens Anpassung an den Klimawandel und drittens Finanzierung von Massnahmen, etwa die Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Industrieländer mit jährlichen Nord-Süd-Flüssen von gegen hundert Milliarden Dollar. Diese Summe ist denn auch ein wichtiges Motiv für Regierungen ärmerer Länder, an die Konferenz zu reisen und da zu feilschen.

Neue Grundlagen

Aber Punkt eins dominiert: Das emotional und ideologisch aufgeladene Temperatur- und CO2-Bedrohungsbild. Kürzlich hat die Internationale Energieagentur das Terrain vorbereitet, Stimmung gemacht mit der Publikation des neuesten «Welt-Energie-Ausblicks» – einer Spezialausgabe, die eigens «gestaltet wurde, um die Entscheidungsträger an der COP 26 zu unterstützen und ihnen die wichtigsten Punkte darzulegen», um den Energiesektor auf neue Grundlagen zu stellen.

Zentrale Botschaft des Berichts: Es wird noch viel zu wenig getan, um die Ziele zu erreichen, die im Pariser Abkommen enthalten sind und vom Weltklimarat (IPCC) unterschwellig immer wieder beschworen werden. Das Ziel von «Paris» ist eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius oder jedenfalls auf unter 2 Grad. Die Mahnung der Energieagentur findet bei zahllosen Umwelt-Interessenorganisationen grosses Echo und wird weiterverbreitet, etwa vom WWF: Nach dem Weltklimarat im Sommer zeige jetzt auch der «Welt-Energie-Ausblick», dass zu wenig getan werde, um die «Erderhitzung» – so der Kampfbegriff – auf 1,5 Grad zu beschränken. Der Report sei ein letzter Warnruf vor der Konferenz in Glasgow. Die Staatengemeinschaft müsse jetzt dringend handeln, die Zeit dränge.

In der Wirtschaft ist die Begeisterung geringer, aber man fügt sich; viele Firmen nehmen die Pariser Ziele wie selbstverständlich hin, wie einen Rahmen, dem sie nicht ausweichen können. Oft nutzen sie das Schlagwort «Paris» auch als Begründung für ihre eigenen betrieblichen Klimastrategien, weil sie damit rechnen, dem sich überall ausbreitenden Soft Law sowie den kommenden Regulierungsvorgaben dadurch eher genügen zu können. In Deutschland kam es so weit, dass das Bundesverfassungsgericht Beschwerden gegen das deutsche Klimaschutzgesetz teilweise stützte, weil dieses für die heute Lebenden zu wenig streng sei und künftigen Generationen zu grosse CO2-Reduktionen aufbürde.

Basis für das Verfassungsgericht war die fixe Idee von Paris: Die im Abkommen versprochenen Treibhausgas-Reduktionsziele sind aus dieser Sicht unbedingt einzuhalten, wenn ein Staat einmal ja gesagt hat zu diesen Vorgaben. Das heisst, dass es von heute an bis in alle Ewigkeit nur noch ein bestimmtes Budget an CO2-Emissionen gibt, das man, zum Beispiel als Land, bis zum Erreichen des Netto-null-Zeitpunkts ausstossen darf. Also: Je mehr Emissionen heute erfolgen, desto weniger darf man sich morgen erlauben. Ein fixes Budget mit festem Zahlungsplan, bei Verfehlung in Deutschland von den eigenen Bürgern einklagbar. Eine Regierung, die ja sagt zum Pariser Abkommen, ist in einem Programm gefangen, das keinen Spielraum lässt für demokratisch gewollte Anpassungen des Kurses, ist auf einer festen Schiene – wenn man «Paris» ernst nimmt.

Die Schweiz ist auch auf der Schiene, sie hat das Pariser Abkommen ebenfalls ratifiziert. Insgesamt sind über 190 Regierungen dabei, viele reisen nach Glasgow. Laut Angaben der Bundesverwaltung wird die Schweiz zum Auftakt der Konferenz von Bundespräsident Guy Parmelin am 1. und 2. November am Leader’s Summit, dem Treffen der Staats- und Regierungschefs, vertreten. Die gesamte Schweizer Verhandlungsdelegation für Glasgow umfasst laut Informationen des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) elf Personen und steht unter der Leitung von Botschafter Franz Perrez aus dem Bundesamt für Umwelt (Bafu), einem Juristen mit langer Erfahrung in internationalen Beziehungen. Das Budget wird auf 136 500 Franken veranschlagt.

Mitreisen werden laut den Angaben zudem drei Personen der sogenannten Zivilgesellschaft, darunter zwei aus der Wirtschaft (Swissbanking und Schweizerischer Versicherungsverband) und eine Vertretung aus der Umweltallianz (WWF). Darüber hinaus soll jemand aus der Wissenschaft, von der Universität Genf, die Schweizer Gruppe begleiten. Zudem werde laut Uvek im Rahmen eines «Youth Rep»-Programms, wie es im Aussendepartement seit einigen Jahren etabliert sei, eine Vertreterin der Jugend an der Konferenz teilnehmen.

Wie sieht die Reise umweltmässig aus? Die Mitarbeiter des Bafu werden laut den Angaben per Zug anreisen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga will am 10. November direkt nach der Bundesratssitzung an die dann schon ein paar Tage alte Konferenz nach Glasgow fliegen, begleitet von zwei Personen. Bundespräsident Parmelin nimmt für seinen Besuch ebenfalls das Flugzeug, auch in Begleitung von zwei Personen.

Die Ziele der Schweizer Verwaltung für Glasgow: im Pariser Abkommen einheitliche und griffige Regeln etablieren, die für alle Länder gelten. Zunächst einmal will man sicherzustellen versuchen, dass Treibhausgasemissionen, die ein Land im Ausland vermindert, nicht doppelt angerechnet werden können, also nicht im Geberland und gleichzeitig auch im Empfängerland – eigentlich eine Selbstverständlichkeit für ein System, das von rechtschaffenen Parteien betrieben wird. Aber offenbar ist das Pariser System anfällig für Schwindel.

Die Schweiz will sich des Weiteren für Investitionen besonders auch in den Klimaschutz in Entwicklungsländern einsetzen. Man will zudem, dass alle Staaten Strategien entwickeln, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Und schliesslich erwartet Bern eine Entscheidung über gemeinsame Zeitpläne für die Klimaziele der Staaten (common time frames). All dies läuft letztlich darauf hinaus, dass die Schweizer Politik und Verwaltung sicher sein wollen, dass man im Pariser System nicht betrogen wird, dass alle fair mitziehen bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen, dass Verträge und Versprechen eingehalten werden, dass niemand die anderen ausnützt, niemand Trittbrett fährt und dass transparent wird, wer was macht.

System für Trittbrettfahrer

Und genau das kann man vom Abkommen von Paris nicht erwarten. Das ganze Konstrukt ist ja deshalb entstanden, weil es der Uno vorher nicht gelungen war, die Regierungen weltweit zu einem koordinierten Verringern der Treibhausgasemissionen zu bringen. Das frühere Arrangement, das Kioto-Protokoll mit ziemlich verbindlichen Vorgaben zur CO2-Reduktion, wurde zuletzt nicht mehr von vielen befolgt und erfasste nur noch 14 Prozent der weltweiten Emissionen. Das Pariser Abkommen dagegen hat nun über 95 Prozent der weltweiten Emissionen unter seiner Kontrolle, es wirkt also umfassend.

Aber das Wort Kontrolle ist falsch. Es ist nur Schein. Jede Regierung kann Ziele nennen, diese werden vorgezeigt, die anderen kommentieren sie, es gibt Berichte, als ob man das ernst nähme – aber ob das Versprochene dann eingehalten wird, kümmert niemanden mehr gross. Nichterfüllen der Ziele bleibt im Pariser Vertrag straflos. Das gab den USA und China die Möglichkeit, sich in «Paris» einzuklinken und den Anschein zu erwecken, dass auch die beiden allergrössten Energieverbraucher und CO2-Emittenten nun bei der Klimarettung mit von der Partie seien.

Der Bundesrat nimmt all das ernst, er hat 2019 den CO2-Reduktionspfad eigenmächtig verschärft und netto null bis 2050 versprochen. Warum fragte er das Volk nicht? Und warum gibt er die Emissionen immer in Tonnen pro Land an und nicht pro Kopf? Der Treibhausgasausstoss der Schweiz hat sich von 1990 bis 2020 um rund 14 Prozent verringert, und das bei massiver Zuwanderung. Pro Kopf betrug die Reduktion 33 Prozent. «Das gilt nicht», kommt sofort der Einwand von Rot-Grün. Warum nicht? Im Pariser System nennen gut vierzig Regierungen wie die Schweiz ein absolutes Reduktionsziel pro Land. Aber über siebzig Länder messen die Emissionen relativ zum Referenzzustand, wie er ohne Bemühungen wäre, und zehn Länder nehmen die Emissionen pro Kopf oder pro Dollar Wertschöpfung.

Das Pariser Abkommen kann nie den Ansprüchen genügen, welche die Schweiz für Glasgow formuliert hat. Das System ist auf Trittbrettfahren angelegt. Wenn ein Land ernsthaft darum bemüht ist, die angegebenen Emissionsziele zu erfüllen und seine Wirtschaft bei Energieverbrauch und Emissionen zu drosseln, kann es nicht damit rechnen, dass die anderen auch so handeln. Die Klimaschwindler lachen mehr oder weniger heimlich über die braven Schweizer und ein paar andere Arglose, die ihre Wirtschaft bremsen. Es ist für die Schweiz eine Verschwendung, in einem solchen System mitzumachen.

=================================================================

)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion  :

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der WELTWOCHE Zürich : | Die Weltwoche, Nr. 42 (2021)| 21. Oktober 2021 ;  EIKE dankt der Redaktion der WELTWOCHE und dem Autor Beat Gygi für die Gestattung der ungekürzten Übernahme des Beitrages, wie schon bei früheren Beiträgen :  http://www.weltwoche.ch/Hervorhebungen und Markierungen v.d. EIKE-Redaktion.

==================================================================

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken