WI-Effekte in unterschiedlichster Form betreffen heute weite Flächen des Landes und befeuern die Klimaerwärmung

Teil 1: Welche WI-Effekte gibt es, und wie wirken diese?

Stefan Kämpfe

Über WI-Effekte wurde hier schon sehr oft berichtet. Der Autor hat mittlerweile zu dieser Thematik umfangreiches Daten- und Faktenmaterial gesammelt. Weil die verschiedensten WI-Effekte nicht unwesentlich zur Klimaerwärmung in Deutschland beitragen, sollen sie hier nun einmal umfassend behandelt werden.

Wärmeinseleffekte sind nutzungsänderungsbedingte Erwärmungseffekte

Der städtische Wärmeinseleffekt, oft auch UHI genannt (englisch: Urban Heat Island Effect) ist der bekannteste und sicher einer der wichtigsten, aber keinesfalls der einzige WI-Effekt. Denn überall, wo der Mensch in die ursprüngliche Landschaft eingreift, hat das fast stets mehr oder weniger deutliche Erwärmungsfolgen. Diese ergeben sich keinesfalls nur aus dem Wärmeeintrag (Energieverbrauch) des Menschen, sondern vor allem ändern sich der Strahlungshaushalt (Albedo = Rückstrahlungsvermögen), die Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit des Bodens, der Wassergehalt der Böden nimmt ab oder entfällt völlig, was die kühlende Verdunstung minimiert, die Vegetation kann ihre ursprüngliche Rolle (Kühlung durch Assimilation, Beschattung und Evapotranspiration) nicht mehr oder nur noch vermindert erfüllen, der kühlende Wind wird durch Bauten (auch Windenergieanlagen) gebremst, die Flüsse werden durch Einleitungen von Klärwasser oder Kühlwasser aus Kraftwerken erwärmt. Nicht nur Bebauungen und Versiegelungen, sondern jegliche Eingriffe in die Natur und Landschaft wie Rodungen, Wege- und Straßenbau, die Entwässerung von Mooren, geänderte Fruchtfolgen oder Kulturarten in der Land- und Forstwirtschaft, die ausufernde Wind- und Solarenergienutzung, die Bodenverdichtungen durch landwirtschaftliche Maschinen oder die Tierhaltung in jeglicher Form tragen zur Erwärmung der Landschaft bei und führen dazu, dass die anfangs nur inselhaften Erwärmungseffekte heute auch in weiten Teilen der freien Landschaft auftreten. Im Folgenden sollen die wichtigsten Erwärmungseffekte kurz umrissen werden.

Der städtische Wärmeinseleffekt (UHI)

Von der Größe, der Lage und der baulichen Struktur einer Siedlung hängt es ab, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang UHI-Effekte auftreten; sie sind außerdem stark witterungs- und jahreszeitenabhängig. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) schreibt hierzu: „Unter Stadtklima (oder auch urbanem Klima) versteht man das gegenüber dem Umland durch die Bebauung und anthropogene Emissionen (wie z.B. Luftschadstoffe oder Abwärme) modifizierte Mesoklima von Städten und Ballungsräumen. Das Stadtklima ist insbesondere durch die Eigenschaften von Baustoffen bezüglich Wärmespeicherung und Reflexion von Sonnenstrahlung, durch die starke Versiegelung des Bodens und das Fehlen von Vegetation sowie durch die hohe aerodynamischen Rauigkeit der Bebauung und der damit verbundenen geringen Windgeschwindigkeit gekennzeichnet. Aufgrund der vielfältigen Landnutzungen und Bebauungsstrukturen weist das Mikroklima innerhalb der Stadt allerdings eine hohe räumliche Variabilität auf. So können beispielsweise durch den Düseneffekt und Wirbelbildung zwischen Gebäuden und an Hausecken lokal deutlich erhöhte Windgeschwindigkeiten und Turbulenzintensitäten auftreten. Die hohe Konzentration von Aerosolen und die stärkere Konvektion über der Stadt führen zu einer Veränderung der Niederschlagsverteilung in der Stadt und der Umgebung und können gegebenenfalls lokal zu verstärkter Niederschlagsbildung führen, die aufgrund des hohen Versiegelungsgrades mit erhöhter Überschwemmungsgefahr verbunden ist. Während windschwacher Hochdruckwetterlagen bilden sich über der Stadt eine Dunstglocke mit hohen Luftschadstoffkonzentrationen und eine ausgeprägte Wärmeinsel mit erhöhten Lufttemperaturen. Das Bioklima der Stadt kann durch die schlechte Luftqualität und die erhöhte Wärmebelastung gegenüber dem Umland beträchtlich verschlechtert sein. Stadtplaner können diesen Problemen durch eine Erhöhung des städtischen Grünflächenanteils und einer Verbesserung der Durchlüftung entgegenwirken.“ Quelle. In Deutschland gibt es momentan mehr als 10.000 Gemeinden, welche sich hinsichtlich ihrer Einwohnerzahlen folgendermaßen verteilen:

Abbildung 1: Häufigkeitsverteilung der Gemeinden in Deutschland nach Einwohnerzahlen. Am häufigsten treten Gemeinden mit Einwohnerzahlen zwischen unter 500 und knapp 10.000 Einwohnern auf. Bildquelle: statista.com, Stand Silvester 2019.

Die Einwohnerzahl, vor allem aber die Einwohnerdichte, beeinflusst den Erwärmungseffekt maßgeblich, aber degressiv, das heißt, die ersten Eingriffe und Besiedlungsmaßnahmen wirken am stärksten erwärmend, worüber noch gesondert im zweiten Teil berichtet werden wird. Dieser Zusammenhang gilt tendenziell auch für alle anderen WI-Effekte.

Meliorationen (Entwässerungsmaßnahmen im weitesten Sinne)

Die gezielte Entwässerung der Böden dient verschiedenen Zwecken: Schaffung oder Verbesserung von Bau- oder Acker- und Weideland, Anlage und Unterhaltung von Verkehrstrassen, Ermöglichung und Aufrechterhaltung des Bergbaus, Ausbau der Flüsse für die Binnenschifferei, Hochwasserschutz. Generell enthalten die meliorierten Böden weniger Wasser; fast immer sinkt auch der Grundwasserspiegel. Das im Boden enthaltene Wasserangebot nimmt also mehr oder weniger stark ab; die kühlende Verdunstung verringert sich, was im Sommerhalbjahr zu einer stärkeren Erwärmung der Bodenoberfläche führt; diese Wärme wird an die Luft abgegeben – es stellt sich in den unteren Schichten der Atmosphäre eine höhere Lufttemperatur ein. Das verringerte Feuchteangebot führt außerdem zu weniger Dunst-, Nebel- und Hochnebelbildung – eine längere und intensivere Besonnung ist die Folge. Kleinere Entwässerungsmaßnahmen dürfte es schon in der Antike und im Mittelalter gegeben haben; doch erst in der Neuzeit schufen die immer zahlreicheren Arbeitskräfte und die wachsenden wirtschaftlich-technischen Möglichkeiten die Basis zur Planung von Großprojekten, deren Umsetzung bis heute mehr oder weniger deutliche negative ökologische und klimatische Auswirkungen verursachen. Einige wichtige Großprojekte seien kurz genannt:

  1. Begradigung der Oder; Rodung und Trockenlegung des Oderbruchs (1747 bis 1762 unter Friedrich dem Großen). Diese führten – einschließlich der nun möglichen Besiedelung, zu einer ökologischen Verarmung und einem insgesamt trockeneren, zu stärkeren Schwankungen (Extremen) neigenden Klima; und weil die Oder heute höher fließt, als weite Teile des Bruchs, schwebt das Damoklesschwert einer Hochwasserkatastrophe bei jedem Oder-Hochwasser (mögliche Deichbrüche!) über dem Bruch. Viele andere Lücher und Brücher Brandenburgs erlitten das gleiche Schicksal; das Havel-Luch schon um 1720. Dass Brandenburg heute zu den sich am stärksten erwärmenden Regionen Deutschlands gehört, ist unter anderem eine Spätfolge dieser erst langfristig voll wirkenden Meliorationen.
  2. Urbarmachung des Donau-Mooses bei Ingolstadt ab 1790 unter Karl Theodor von der Pfalz mit ähnlichen, langfristigen Folgeschäden wie im Oderbruch; zusätzlich Sackungen und Schrumpfungen der Geländeoberfläche um stellenweise mehr als drei Meter durch Torfzehrung (Sauerstoffzutritt nach Entwässerung). Andere Feuchtgebiete und Flüsse des Alpenvorlandes, wie etwa der Lech, wurden ebenfalls melioriert.
  3. Begradigung und Verkürzung der Länge des Oberrheins (1817 bis 1876, projektiert und begonnen durch den Ingenieur Johann Gottfried Tulla). Die damit verbundene teilweise Trockenlegung großer Teile der Rheinauen begünstigte zwar die Ausrottung der Malaria, den Abbau von Sanden oder Kiesen, die Besiedelung und die Schifferei, führte aber ansonsten zu den schon genannten ökologisch-klimatischen Problemen. Hochwasserwellen des Oberrheins verschonen nun das meliorierte Gebiet, gelangen aber umso schneller und intensiver an den Mittel- und Niederrhein.
  4. Emsland-, Küsten-, Alpenplan und das Programm Nord. In den 1950er Jahren vom Bundestag beschlossene Urbarmachungen von Feuchtgebieten, um nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg Flüchtlingen eine neue Bleibe und ein wirtschaftliches Auskommen zu sichern. So waren um 1950 fast 20% der Bevölkerung des Emslandes Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten. Bei diesen Meliorationen wurden die letzten, größeren intakten Hoch- und Niedermoore Westdeutschlands zerstört.
  5. Trockenlegung und Entwässerung (Melioration) der Wische in Sachsen-Anhalt und der Friedländer Großen Wiese bei Ferdinandshof in Mecklenburg-Vorpommern als Jugendobjekt der DDR (1958 bis 1962) sowie weitere Komplexmeliorationen von DDR-Feuchtgebieten bis 1989. Meistens wurde zu tief entwässert, was die Vermullung und damit die Austrocknung und die Erwärmung sowie die Winderosion der obersten Bodenschichten zur Folge hatte (einmal ausgedörrter, zu lange dem Luftsauerstoff ausgesetzter Torf ist hydrophob – er nimmt kein Wasser mehr auf). Nach anfänglichen Erfolgen brachen die Grün- und Ackerlanderträge auf diesen „übermeliorierten“ Flächen dramatisch ein; heute wachsen dort fast nur noch Quecken und Brennnesseln.

Aufgrund dieser Meliorationen existiert heute in ganz West- und Mitteleuropa fast kein größeres, völlig intaktes Nieder- oder Hochmoor mehr. Hinzu kommen die nicht unerheblichen Folgeschäden des Bergbaus. Die in Ostdeutschland und am Niederrhein betriebenen Braunkohlen-Tagebaue zogen umfangreiche Entwässerungsmaßnahmen nach sich; allerdings können sie nach Auskohlung meist zu ökologisch höherwertigen Flächen mit vielen Seen und Feuchtgebieten rekultiviert werden, als vor Beginn des Bergbaus. In der Lausitz und im Leipziger Land kann man die Erfolge dieser Rekultivierungsmaßnahmen bereits deutlich sehen. Problematischer ist die Situation im Ruhrgebiet, wo der mittlerweile beendete Steinkohlenbergbau zu „Ewigkeitskosten“ führt. Nach Auskohlung der Flöze senkten sich weite Bereiche des „Ruhrpotts“ unter das Höhenniveau der Flüsse, so dass die Ländereien, um nicht überflutet zu werden, auf alle Ewigkeit mit Entwässerungspumpen trocken gehalten werden müssen. Auch Teile der ehemaligen Kohlegruben müssen, auch zum Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen, entwässert werden; das teilweise sehr warme Grubenwasser erwärmt dann die Oberflächengewässer und den Rhein – ein weiterer, meist wenig beachteter Wärmeinseleffekt.

Nutzungs- und Bewirtschaftungsänderungen in Land- und Forstwirtschaft

Seit der Jungsteinzeit wird in Mitteleuropa Ackerbau betrieben; nach und nach kam die Forstwirtschaft hinzu. Aber nie wurden unsere Äcker und Wälder intensiver genutzt, als gegenwärtig. Noch bis in die 1950er Jahre prägten vielerorts kleinflächige Äcker, artenreiche Feldraine, Streu- und Obstwiesen, Hecken und Baumreihen unsere Agrarlandschaft; mancherorts ist diese Struktur noch sichtbar.

Abbildungen 2a und 2b: Oben (2a) eine den früheren Verhältnissen ähnelnde Agrarlandschaft mit Orchideen-Streuwiese (im Vordergrund Große Händelwurz), Hecken und Baumreihen sowie artenreichen Feldrainen an unversiegelten Wegen zwischen nicht zu großen Schlägen; im Hintergrund der Wald des Großen Ettersberges. Nur etwa 5 Km weiter südlich auf der Hochfläche westlich von Weimar (1b, unten) die baum- und strauchlose, von riesigen Ackerflächen dominierte Agrarlandschaft mit betoniertem Wirtschaftsweg und der Monokultur Winterraps für ökologisch schädlichen Bio-Diesel. Fotos: Stefan Kämpfe

Das „Ausräumen“ der Agrarlandschaft sowie das Befahren mit schweren Maschinen, aber auch der im Zuge der Energiewende wachsende Anteil erst spät den Boden deckender Feldfrüchte wie Mais, förderten die Austrocknung, die Bodenverdichtung und oberflächlich sich stärker erwärmende Böden – ein großflächiger WI-Effekt. Ähnliches geschah in der Forstwirtschaft. Viele der einstigen standortgerechten Laubmischwälder wurden ab dem 18. Jahrhundert aus wirtschaftlichen Gründen in Kunstforste umgewandelt (in den Vorgebirgslagen und niederschlagsreicheren Gegenden meist Fichten-Monokulturen, auf leichteren Sandböden oft lichte Kiefernwälder). Während ein Buchenwald während der belaubten Zeit nur etwa 3% des Lichtes auf den Waldboden lässt und sich deshalb selbst an sonnigen Hochsommertagen nur wenig erwärmt, dringt in einen Kiefernwald viel mehr Licht ein und erwärmt den Boden stark. Aussagefähige Studien hierzu sind selten; doch kann man bei ansonsten identischen Standortbedingungen an sonnigen Sommertagen in einem Kiefernwald mit etwa 2 bis 5 Grad höheren Temperaturen rechnen. Auch andere Nadelbäume wie Fichten, Tannen und Douglasien, erwärmen sich aufgrund ihrer geringeren Albedo stärker, als Laubbäume, Näheres dazu hier. Und auch breitere, stärker befestige Waldwege; breite Rückegassen für Harvester und Bodenverdichtungen durch schwere Forstmaschinen lassen heute mehr Licht und Wind in den Wald, fördern also dessen stärkere Erwärmung und Austrocknung. Wie wichtig naturnahe Laubwälder für die Abkühlung an heißen Sommertagen sind, zeigt ein schon älteres Beispiel aus Weimar.

Abbildung 3: Isothermenkarte für das Weimarer Stadtgebiet am 10. August 1950, Nachmittag. Während in den naturnahen Laubmischwaldgebieten des Ettersberges, des Webichts und des Belvederer Forstes nur 24 bis 27°C gemessen wurden, sind es im Freiland bei gleicher Höhenlage 28 bis 29°C, in den bebauten Stadtvierteln sogar 29 bis 31°C. Bildquelle Salzmann, M.: Die physisch-geografischen Verhältnisse Weimars. Weimarer Schriften, Stadtmuseum Weimar, Heft 22, 1974.

Die Energiewende als Erwärmungstreiber in der freien Landschaft

In Deutschland wurden, beginnend mit den späten 1980er Jahren und ganz massiv zwischen den späten 1990er und den späten 2010er Jahren, über 30.000 Windkraftanlagen, die meisten an Land, aufgestellt. Diese bremsen tagsüber den kühlenden Wind; in den Nächten stören sie die Abkühlung und damit die Ausbildung der bodennahen Inversion und die Taubildung, weil die Luft stärker verwirbelt und durchmischt wird. Außerdem benötigt jedes Windrad eine eigene Zufahrt (Vegetationsverlust, Bodenverdichtung) sowie ein massives Betonfundament. Und selbst hell angestrichene Masten absorbieren einen Teil des Sonnenlichtes; diese Wärme wird dann in den Nächten, ähnlich wie bei einem Gebäude, an die Umgebung abgegeben. Für die klimatischen Bedingungen Deutschlands gibt es hierzu bislang kaum belastbare Studien; aber solche aus den USA lassen auch für Mitteleuropa eine merkliche Erwärmung erwarten; Näheres hier und hier. Die großflächigen Solarparks reduzieren oder zerstören die Vegetation, verringern die Albedo (Rückstrahlungsvermögen) und tragen damit wesentlich zur Landschaftserwärmung bei; Näheres hier. Und auch die Biogasanlagen tragen, zumindest lokal, zur Erwärmung bei.

Einige wenig bekannt WI-Effekte

Abschließend sollen noch ein paar weniger bekannte WI-Effekte besprochen werden.

Der Garten- und Abschirmungseffekt – wenn der kühlende Wind fehlt

WI-Effekte lauern sogar da, wo man sie nicht vermutet – wenn Bäume und Hecken aufwachsen oder Bauten, auch massivere Zäune, nahe des Messfühlers errichtet werden und den kühlenden Wind bremsen. Das musste auch der DWD leidlich erfahren – der Juli-Hitzerekord (2019, 42,6°C) von Lingen/Ems wurde mit viel Tam-Tam in den Medien verkündet, doch er entstand, weil neben der Station dichte Hecken und Bäume standen. Mittlerweile ist der „Rekord“ annulliert und die betreffende Station geschlossen; Näheres hier. Ein weiteres Beispiel findet sich mit der Station Kirchdorf auf der Ostseeinsel Poel. Diese DWD-Station (ID 2578) wurde seit August 1955 nicht mehr verlegt und ist relativ ländlich; sie wäre daher sowohl zur Untersuchung von WI-Effekten als auch zur Betrachtung des Verhaltens der mittleren Minimum-Temperaturen geeignet. Doch intensivere Recherchen zur Historie der Station ergaben Folgendes (Originaltext mv-wetter.com): „Die Station befindet sich auf 12 m ü NN am nordwestlichen Ortsrand von Kirchdorf auf einem großen Gartengrundstück etwa 2 km von der Ostsee entfernt. Unmittelbar östlich des Messfeldes stehen recht hohe Bäume, wie auf den Luftbildern schon zu erahnen war. Hier ist der Abstand ungewöhnlich gering. Gerade bei südöstlicher Windrichtung steht der Temperaturmesser sehr geschützt, sodass sich die Wärme stauen kann. Deshalb ist eine Homogenität der Messreihe nicht gegeben, die steigenden Temperaturwerte sind teilweise den im Laufe der Jahre veränderten Umgebungsbedingungen geschuldet.“

Abbildungen 4a und 4b: Zwei Aufnahmen der aktuellen Situation in Kirchdorf/Poel. Im obigen Bild erkennt man die sehr hohen Nadelbäume (vermutlich Fichten); im unteren sieht man, wie das dichte Astwerk die südöstliche Gartenseite abschirmt. Bildquellen

Mit 1,04 K Jahreserwärmung (1988 bis 2020) traf diese Station fast die Erwärmung des DWD-Mittels (etwa 1,05 K) und war sogar etwas geringer, als das Landesmittel für Mecklenburg-Vorpommern (1,12 K); aber die mittleren Minima erwärmten sich mit 0,8 K deutlich stärker, als das bei den meisten der bislang untersuchten Flachland-Stationen der Fall war; die mittleren Maxima mit 0,72 K hingegen deutlich schwächer. Das könnte beides eine Wirkung des „Garteneffektes“ sein – nachts Behinderung der Ausstrahlung, tagsüber zumindest teilweise Behinderung der Einstrahlung. Mit Boltenhagen (ID 596) konnte an der Ostsee noch eine weitere, seit 1988 verlegungsfreie DWD-Station gefunden werden. Dort erwärmte sich seitdem das Jahresmittel nur um 0,84 K, das mittlere Minimum um nur 0,34 K, das mittlere Maximum aber um 1,25 K, was eher dem Verhalten der bislang untersuchten Stationen entspricht. Und wie viele DWD-Stationen vom Garteneffekt oder anderen Abschirmungseffekten erwärmt werden, weiß man nicht – der frühere, strenge Standard für die englische Wetterhütte auf einem möglichst weitläufigen, mit Kurzgras bewachsenen Standort gilt leider schon lange nicht mehr. So kann man vermuten, dass etliche Stationen mehr oder weniger stark betroffen sind, wohl auch deshalb kommt es immer wieder zu Stationsverlegungen. Aber wo auch immer der DWD seine Stationen einrichtet – irgendein WI-Effekt ist meist schon da.

Wenn der Winterdienst in Aktion tritt

In den Städten und Gemeinden sind alle öffentlichen und privaten Eigentümer während der üblichen Verkehrs- und Geschäftszeiten zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit bei Schnee und Eis gesetzlich verpflichtet (Räum- und Streupflicht). Auch außerhalb der Ortslagen sind die wichtigsten Land- und Fernstraßen zu räumen. Aber das bedeutet stets ein Entfernen oder zumindest ein merkliches Verschmutzen der stark reflektierenden Schneeflächen – die Albedo verringert sich; tagsüber verursacht das eine stärkere Erwärmung der geräumten Flächen.

Abbildung 5: Wie ein dunkles Band zieht sich dieser geräumte Fahrweg durch die ansonsten mit Schnee und Raufrost bedeckte Landschaft. Tagsüber erwärmt sich diese schneefreie Fläche merklich; oft tauen dann an den Rändern selbst bei Minusgraden Schnee und Eis – ganz ohne Streusalz. Foto: Stefan Kämpfe

Warum frieren unsere Fließgewässer bei Dauerfrost nicht mehr zu?

Die angeblich so dramatische Klimaerwärmung konnte die strengen Winter 2002/03, 2005/06 und 2009/10 nicht verhindern; auch der Dezember 2010, der Januar 2009, 2017, der Februar 2012 und teils auch der von 2021 waren kalt genug, um Fließgewässer gefrieren zu lassen – aber das geschah nicht mehr.

Abbildung 6: In früheren, nicht unbedingt längeren und auch nicht immer kälteren Dauerfrostperioden fror die Ilm bei Weimar nach spätestens 10 Tagen zu – seit den 1990er Jahren passiert das nicht mehr. Foto: Stefan Kämpfe

Der Grund für das fehlende Eis auf unseren Flüssen ist ganz einfach – es sind die vielen, im Zuge der strengen Richtlinien zur Gewässerreinhaltung in Betrieb genommenen Kläranlagen, deren Wasser nach erfolgreicher Klärung in die Flüsse gelangt. Dieses den Kläranlagen entstammende Wasser weist aber stets mehr oder weniger deutlich höhere Temperaturen als das Flusswasser auf – ein weiterer, überraschender WI-Effekt, welcher durch die Bäche und Flüsse in die freie Landschaft getragen wird. Aber auch das Grundwasser unter den städtischen Wärmeinseln scheint sich merklich erwärmt zu haben.

Abbildung 7: Die Auswirkungen der durch menschliche Tätigkeit bewirkten Aufheizungsintensität (AHI) auf die Lufttemperaturen des Jahres 2015 gegenüber dem arithmetischen Mittel des DWD (links), die Oberflächentemperatur-Abweichungen nach Satelliten-Daten vom Mittel 2015 (Mitte) und das Grundwasser (nur Baden-Württemberg, 251 Messpunkte in weniger als 30m Tiefe, 2015, rechts). Man achte besonders auf die markant hervortretenden Wärmeinseln bei den Oberflächentemperaturen – Berlin, Hamburg, das Ruhrgebiet und die Ballungsräume am Oberrhein, um München und Nürnberg sind deutlich zu erkennen; daneben gibt es aber einige ländliche Regionen fast ohne WI oder gar mit leicht zu kühler Oberfläche. Auch das Grundwasser, für welches Untersuchungen nur aus Baden-Württemberg vorliegen, verhielt sich nicht einheitlich. Bildquelle und gesamter Beitrag (Studie) hier

 

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