Stefan Kämpfe

Für den Frühling deuten sich sogar fallende Minimum-Temperaturen an

Im ersten Teil wurde über die sehr schwierige Datensuche berichtet. Die höchst unterschiedliche Entwicklung der mittleren Minima bedarf einer Erklärung, zumal sie der allgemeinen, CO2-bedingten Erwärmungstheorie widerspricht. Das erweist sich mit dem begrenzten Datenmaterial zwar als schwierig, trotzdem deuten sich wesentliche Ursachen an.

Um nicht ständig auf den ersten Teil verweisen zu müssen, hier nochmals die Stationsliste mit den Ergebnissen.

Fett markiert sind negative Lineartrends (sich abkühlende mittlere Minima).

Starke Minima-Erwärmung auf den Bergen und Kuppen – sind geänderte Großwetterlagenhäufigkeiten die Ursache?

Die drei betrachteten Bergstationen erwärmten sich im Jahresmittel übermäßig stark; am deutlichsten die höchste (Zugspitze), am wenigsten die niedrigste (Kleiner Inselsberg). Auch die zwei höher liegenden Stationen in Brandenburg, Lindenberg und Potsdam, erwärmten sich sehr stark. Zunächst einmal müssen sich diese anders als solche in der Ebene oder gar in Senken verhalten, denn sie liegen meist deutlich über der nächtlichen, bodennahen Kaltluftschicht (Inversion); und bei winterlichem Hochdruckwetter kann dieser Zustand sogar ganztägig auftreten. Auch der „Nachtwind“, welcher in den Tälern und Ebenen oft abflaut, bleibt meist erhalten. Als weitere Ursache kommt die allgemein in Deutschland stark erwärmend wirkende Häufigkeitszunahme der Süd- und Südwestlagen in Betracht (die Warmluftadvektion bei solchen Lagen erreicht Ebenen und Mulden in den Nachtstunden nicht immer oder nur in abgeschwächter Form).

Abbildungen 1a und 1b: Deutliche Häufigkeitszunahme der Großwetterlagen mit südlichem Strömungsanteil seit 1988 besonders im Sommer und Herbst (oben, 1a) sowie im Jahresmittel (unten, 1b). Lediglich im Frühling nahm deren Häufigkeit ein wenig ab.

Aber warum kühlten sich der Brocken und vor allem die Zugspitze dann im Winter ab, obwohl sich auch da, wenngleich nur unwesentlich, die südlichen Lagen häuften? Dafür kommt die von KÄMPFE hier beschriebene Höhen-Abkühlung in Betracht; sie betraf vor allem den Januar, aber auch den gesamten Winter. Bei Potsdam könnte außerdem der städtische Erwärmungseffekt (Urban Heat Island Effect UHI) eine wesentliche Rolle spielen; dieser wurde von KOWATSCH/LEISTENSCHNEIDER/KÄMPFE im Rahmen zahlreicher Arbeiten zum Wärmeinseleffekt (WI) beschrieben. Zwar betonen das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der DWD stets, die Umgebung der Station habe sich in den letzten einhundert Jahren nicht verändert – aber das stimmt nur für die unmittelbare Umgebung (übrigens wurde die PIK-Säkularstation Ende 2019 geschlossen – Weiterbetrieb unter leicht geänderten Bedingungen durch den DWD). Schon ein Blick auf das Google-Luftbild zeigt: Der Telegrafenberg ist heute in Luftlinie nach Norden und Osten kaum mehr als 500 Meter von den dicht bebauten Ortsteilen Potsdams entfernt. Und gerade UHI-Effekte sind in den späten Nacht- und den frühen Morgenstunden besonders ausgeprägt. Sehr wahrscheinlich steigt dann bei windschwachen Wetterlagen nächtliche, städtische Warmluft zum Telegrafenberg auf und erhöht die Minima – außerdem könnte es eine gewisse Fernwirkung der Millionenstadt Berlin geben. Ein Vergleich mit der nicht weit entfernten, ähnlich gelegenen Station Lindenberg (weitere Umgebung eher ländlich) erhärtet diesen Verdacht, besonders im Sommer:

Abbildung 2: Etwas stärkere Erwärmung der sommerlichen mittleren Minima in Potsdam (rot). Auch in den anderen Jahreszeiten und im Jahr zeigt sich dieses Verhalten.

In Potsdam erwärmten sich auch die mittleren Maxima stark; besonders im Sommer um 2,4 und im Herbst um 2,2 K.

Ländlich oder städtisch – macht das den Unterschied?

Falls der UHI- und der WI-Effekt wesentlich temperaturerhöhend wirken, so müsste sich das beim Verhalten der mittleren Minima zeigen. Und genau das deutet sich auch beim Blick in die Ergebnistabelle an – die eindeutig als ländlich ermittelten Stationen verhielten sich erwärmungsträge; die städtischen erwärmten sich eher überdurchschnittlich. Aber selbst im Bereich der Großstadt Berlin deuten sich erhebliche Unterschiede an – das städtische Tempelhof erwärmte sich viel stärker, als das gut durchgrünte Dahlem – ein Fingerzeig an die Politik, WIE man die Klimaerwärmung wirklich bekämpfen müsste – mit mehr Stadtbegrünung (CO2-Vermeidung und Energiewende wirken eher erwärmend).

Abbildung 3: Entwicklung der mittleren Minima (Jahresdurchschnitte) in den Berliner Ortsteilen Tempelhof (sehr städtisch) und Dahlem (gut durchgrünt). Beide Stationen liegen fast gleich hoch. Zwar wurde Dahlem 1997 und Tempelhof 2018 verlagert, aber bei gleicher Höhenlage, und die Auswirkungen auf das Temperaturverhalten dürften sehr gering gewesen sein.

Fallende Mittlere Minima im Frühling – warum?

Bei dieser Frage kommen noch einmal die Häufigkeitsverhältnisse der Großwetterlagen ins Spiel. Der Frühling ist nicht nur die einzige Jahreszeit mit etwas weniger südlichen Lagen (siehe Abb. 1a), sondern in ihm häuften sich Lagen mit nördlichem und östlichem Strömungsanteil stark. Diese zeichnen sich aber gerade im Lenz durch noch sehr kalte Nächte aus, während tagsüber die Frühlingssonne schon kräftig wärmt.

Abbildung 4: Deutliche Häufigkeitszunahme der Großwetterlagen mit nördlichem und östlichem Strömungsanteil. Hier wurde auch schon der Lenz 2021 mit einbezogen, welcher sich durch sehr niedrige mittl. Minima und eine enorme Häufung dieser Lagen auszeichnete.

Zunehmende Sonnenscheindauer – welche Rolle spielte sie?

Weil viele der gefundenen Stationen keinen Hauptstatus haben, wurden keine Besonnungsdaten aufgezeichnet. Doch schon ein Blick auf das Deutschland-Mittel zeigt: Es wurde seit 1988 merklich sonniger. Den Winter kann man dabei vernachlässigen, da beeinflusst die Sonnenscheindauer, vom hohen Bergland einmal abgesehen, die Temperaturverhältnisse kaum. Für die übrigen Jahreszeiten zeigt sich folgende Entwicklung im DWD-Flächenmittel:

Abbildung 5: Mehr Sonnenstunden (DWD-Flächenmittel für Deutschland) seit 1988 vom Frühling bis zum Herbst.

Bei monatsweiser Betrachtung wurden April (+66 Sonnenstunden), Juni (+55), September (+48) und März (+39) deutlich sonniger; eine wesentliche Abnahme gab es nur im Mai (minus 20 Stunden). Aber wie könnte die Sonnenscheindauer die mittleren Minima, welche ja meist kurz vor oder um den Sonnenaufgang eintreten, beeinflusst haben? Um sich dieser Frage zu nähern, wurde das Mittel aus den 25 Stationen monats- jahres- und jahreszeitenweise berechnet und mit den entsprechenden DWD-Mitteln der Sonnenscheindauer in Relation gesetzt. Und da zeigt sich Folgendes: Von Okt. bis April kein signifikanter Zusammenhang (im Jan./Feb. gar negativ – viel Wintersonne bedeutet also wegen der oft klaren Nächte eher niedrigere Minima); aber von Mai bis September ein deutlich positiver, im Sommer gar signifikanter Zusammenhang:

Abbildung 6: Tendenziell höhere mittlere Minima bei längerer Sonnenscheindauer im Sommer. Einige besonders markante Sommer sind gekennzeichnet. Bei den „normalen“ Temperaturmitteln oder den Maxima sind diese Zusammenhänge noch weitaus deutlicher.

Offenbar reichen die kurzen Sommernächte nicht aus, um eine starke Abkühlung nach sehr sonnigen, langen Sommertagen zu bewirken. Mitunter gibt es auch Sommer, bei denen feuchte, wolkenreiche Warmluft dominiert und kaum nächtliche Abkühlung zulässt (2002, Juni/Aug. 2020, Juli 2021). Im Frühling und auch schon wieder ab September sind klare Nächte hingegen lang genug, um eine stärkere Abkühlung zu ermöglichen, besonders in trockenen Luftmassen. Es lag nahe, auch einmal die Entwicklung der Relativen Luftfeuchte zu betrachten. Ist diese niedrig, so begünstigt das die nächtliche Abkühlung.

Abbildung 7: Im Frühling (grün) leichte Abnahme der Relativen Luftfeuchte, im Sommer (beige) leichte Zunahme.

Aussagefähiger wären natürlich Daten zur Art und Menge der Bewölkung. In den DWD-Datensätzen findet sich leider nur die fast wertlose Gesamtbedeckung in Achteln, da zählen auch die Cirrus-Wolken mit. Für das Verhalten der mittleren Minima sind aber die tiefen Wolken besonders ausschlaggebend, etwas weniger die mittelhohen. Je mehr der nächtliche Himmel mit diesen bedeckt ist, desto weniger sinken die Temperaturen. Ähnliches gilt für den Strahlungsnebel, welcher sich aber erst dann bildet, wenn schon eine stärkere Abkühlung erfolgte. Eigene Beobachtungen des Autors deuten auf eine merkliche Abnahme der tiefen Wolken und der Nebeltage besonders im Sommerhalbjahr hin. Und im Herbst, welcher früher oft durch auch tagsüber beständige Nebel- und Hochnebelfelder gekennzeichnet war, dürfte deren selteneres Auftreten in den Tagesstunden merklich zur Erwärmung beigetragen haben.

Das Stationspaar Dachwig und Jena-Sternwarte – näher betrachtet

Beide Stationen sind nur etwa 50 Km Luftlinie voneinander entfernt und weisen eine ähnliche Höhenlage auf. Dachwig ist sehr ländlich, die Jenaer Station befindet sich hingegen unweit des Stadtzentrums. In die Betrachtungen wurden die mittleren Maxima sowie die „normalen“ Monatsmittel einbezogen. Für das Jahr zeigt sich folgendes Bild:

Abbildungen 8a und 8b: Entwicklung der mittleren Maxima, Temperaturmittel und der mittleren Minima für das Jahr, oben (8a) Dachwig, unten (8b) Jena. „Spreizung“ in Dachwig mit leicht fallenden Minima; in Jena stiegen die Minima weniger, als die Maxima.

Im Frühling ein etwas anderes Verhalten:

Abbildungen 9a und 9b: Entwicklung der mittleren Maxima, Temperaturmittel und der mittleren Minima für den Frühling, oben (9a) Dachwig, unten (9b) Jena. Starke „Spreizung“ in Dachwig mit deutlich fallenden Minima; in Jena leichte Spreizung. Hier wurde schon der Lenz 2021 mit einbezogen.

Im Sommer bemerkenswertes Ansteigen der mittl. Maxima (zunehmende Besonnung!):

Abbildungen 10a und 10b: Entwicklung der mittleren Maxima, Temperaturmittel und der mittleren Minima für den Sommer, oben (10a) Dachwig, unten (10b) Jena. In Dachwig bei stark steigenden Maxima kaum fallende Minima; in Jena steigen die Maxima stärker als die Minima.

Im Herbst steigen alle Werte an beiden Stationen, die Maxima stärker als die Minima, besonders in Dachwig. Und im Winter erhöhten sich die Maxima in Dachwig mehr als doppelt so stark wie in Jena, aber die Minima fielen in Dachwig leicht und stagnierten in Jena. Diese Ergebnisse dürfen natürlich nicht auf andere Stationen oder Regionen übertragen werden, zumal das Saaletal (Jena) außer wachsenden UHI-Effekten eine natürliche Wärmeinsel ist und das innere Thüringer Becken (Dachwig) deutlich kontinentalere Züge trägt, als es sonst auf dem 11. Längengrad Ost üblich ist.

Die mittleren Minima im ersten Halbjahr bis 2021

Mit 1,81°C lagen die mittl. Minima der 25 untersuchten Stationen im ersten Halbjahr (Januar bis Juni) 2021 deutlich unter dem Mittelwert für 1988 bis 2020 (2,49°C). Betrachtet man die erste Jahreshälfte seit 1988, so zeigt sich ein gering fallender, aber nicht signifikanter Trend:

Abbildung 11: Im Mittel der 25 untersuchten Stationen fielen die mittl. Minima zwischen 1988 und 2021 um 0,28 K.

In der zweiten Jahreshälfte stiegen die mittleren Minima besonders auf Kosten des Zeitraumes von Oktober bis Dezember merklich an.

Zusammenfassung: Anders, als bei den Mitteltemperaturen, steigen die mittleren Minima viel geringer, bei weitem nicht überall, und sie verhalten sich auch zeitlich keinesfalls einheitlich; besonders der Frühling neigt zu Abkühlung. Auf Kuppen, Berggipfeln und in städtischen Gebieten dominiert die Erwärmung, in Mulden, Senken und ländlichen Gebieten deutet sich eine Stagnation, vereinzelt gar eine leichte Abkühlung, an. Umfang und Qualität des Datenmaterials lassen jedoch eine abschließende Bewertung nur bedingt zu.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

 

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken