von Alex Reichmuth Nebelspalter

Mehr als ein Drittel der weltweiten Hitzetote sollen auf den Klimawandel zurückzuführen sein, sagt eine neue Studie. Fordert die Erderwärmung also immer mehr Opfer? Zahlreiche Forschungsresultate deuten auf das Gegenteil hin.

Trotz steigenden Temperaturen geht die Zahl der Hitzetoten an vielen Orten zurück. Bild: Shutterstock

(Lesen Sie hier: Hitze- und Kältetote Teil 1: Der Winter ist der wahre Killer)

37 Prozent. So hoch soll der Anteil der hitzebedingten Todesfälle sein, die auf den menschgemachten Klimawandel zurückzuführen sind. Das ist das Resultat der Studie eines internationalen Forschungsteams, die kürzlich im Fachblatt «Nature Climate Change» erschienen ist. Die Studie hat für Schlagzeilen gesorgt.

Die Wissenschaftler zogen Daten von 732 Orten in 43 Ländern heran. Sie versuchten mit Modellierungen, den menschlichen Temperatureinfluss von natürlichen Klimaschwankungen×    zu entkoppeln. Ihr Schluss war, dass der Anteil der Hitzetoten wegen der Erderwärmung zwischen 21 und 76 Prozent schwankt, je nach Land. Und es soll noch schlimmer kommen:

«Wir gehen davon aus, dass der Anteil der hitzebdingten Todesfälle weiterwächst, wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternehmen oder uns anpassen», sagte Co-Autorin Ana Maria Vicedo-Cabrera von der London School of Hygiene & Tropical Medicine.

Es darf allerdings bezweifelt werden, dass die Erderwärmung immer mehr Hitze-Todesopfer fordert. Vielmehr dürfte das Gegenteil wahr sein. Darauf deuten jedenfalls zahlreiche Forschungsresultate.

Weniger Hitzetote in Spanien

So zeigte eine Studie des Barcelona Institute for Global Health von 2018 im Fachmagazin «PLoS Medicine», dass hitzebedingte Todesfälle in Spanien trotz steigender Temperaturen abgenommen haben. Die Forscher hatten die Daten von 47 Provinzhauptstädten für die Periode von 1980 bis 2015 einbezogen. Dabei ergab sich, dass die Temperaturen im Schnitt um 0,3 Grad pro Jahrzehnt angestiegen waren, die Sterblichkeit infolge Wärme aber dennoch um 0,5 Prozent pro Jahrzehnt abgenommen hatte. «Der Trend legt nahe», schrieb das Institut, «dass die Bevölkerung Spanien sich an den Wandel angepasst und ihre Verletzlichkeit gegenüber sommerlichen Temperaturen reduziert hat.»

Eine Studie im Fachblatt «Climatic Change» kam zum Schluss, dass in New York extreme Hitzewellen tendenziell zugenommen haben, aber die Sterblichkeit wegen solcher Ereignisse dennoch rückläufig ist.

Ähnlich war das Resultat einer New Yorker Studie zu klimatischen Risiken im Fachblatt «Climatic Change» von 2018. Festgestellt wurde, dass in New York extreme Hitzewellen tendenziell zugenommen haben, aber die Sterblichkeit wegen solcher Ereignisse dennoch rückläufig ist.

Aufschlussreich ist auch eine × Übersichtsarbeit von Forschern der London School of Hygiene

& Tropical Medicine von 2016 in «Environmental Health», die der Frage nachging, wie sich die Anfälligkeit der Bevölkerung gegenüber Hitze und Kälte verändert. Die Wissenschaftler bezogen elf Studien zum Thema in ihre Auswertung ein. Zehn dieser Studien kamen zum Schluss, dass die hitzebedingte Sterblichkeit abgenommen hat. Bei fünf davon war die Abnahme signifikant.

Klimaanlagen sind wichtig

Ebenso ergab 2016 die Studie eines internationalen Wissenschaftler-Teams in der Fachzeitschrift «Environmental International», dass es in vielen Ländern immer weniger Hitzetote gibt. Hier dienten Daten aus 305 Orten in 10 Ländern der Jahre 1985 bis 2012 als Grundlage. Die Auswertung zeigte, das der Anteil der hitzebedingten Todesfälle in der ersten berücksichtigten Fünfjahres-Periode zwischen 0,45 und 1,66 Prozent betrug, in der letzten Fünfjahres-Periode aber nur noch zwischen 0,15 und 0,93 Prozent. Ausnahmen dieses Trends gab es nur in Australien, Irland und Grossbritannien. Es zeige sich, schrieben die Autoren, «dass noch Spielraum vorhanden ist für Strategien der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, um hitzebedingten Auswirkungen des Klimawandels zu verringern.»

Tatsächlich können sich Menschen bestens an vorherrschende klimatische Bedingungen anpassen. Sonst wäre es kaum denkbar, dass sie in so kalten Gegenden wie Grönland oder so heissen Zonen wie den Tropen leben können. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, diese Anpassung zu beschleunigen. Eine zentrale Massnahme ist der konsequente Einsatz von Klimaanlagen bei hohen Temperaturen.

«Hitze wird erzeugt von dunklen Dächern und dunklen Strassen, also lasst uns Dächer und Strassen aufhellen.»

Björn Lomborg, Autor von «False Alarm»

Der dänische Statistiker und Publizist Björn Lomborg macht in seinem Buch «False Alarm» (Falscher Alarm) Vorschläge, was weiter zu tun ist, um die Bevölkerung vor Hitzewellen zu×    schützen. «Hitze wird erzeugt von dunklen Dächern und dunklen Strassen, also lasst uns Dächer und Strassen aufhellen», schreibt er. «Hitze wird verschlimmert durch das Fehlen von Pärken und Wasserelementen, also lasst uns mehr Grünflächen und Oasen einrichten.» Daten zeigten, so Lomborg, dass Pärke und Wasserelemente die Temperaturen nach drei Tagen einer Hitzewelle um bis zu 8 Grad senken könnten. Aus London sei bekannt, dass die Temperaturen nach drei Tagen Hitze sogar um 10 Grad tiefer lägen, wenn man Asphalt und dunkle Gebäude weiss streiche.

Information schützt vor Hitze

Im Übrigen, fährt Björn Lomborg fort, sei die Vermittlung nützlicher Informationen eine wichtige Strategie, um die Auswirkungen von Hitze zu bekämpfen. «Bessere

Wettervorhersagen können helfen, die Risiken zu identifizieren. Und Kampagnen können die Bevölkerung ermutigen, einfache Massnahmen zu treffen, wie Ventilatoren zu benutzen, genügend zu trinken und Hüte zu tragen.»

In der Tat gibt es Belege, dass öffentliche Information die Folgen von Hitzeperioden vermindert. In Chicago in den USA haben entsprechende Aktionen mitgeholfen, dass die wärmebedingten Todesfällen innert drei Jahren von jährlich 700 auf 100 abgenommen haben. Und im amerikanischen Philadelphia haben Aufklärungskampagnen dazu geführt, dass innert drei Jahren geschätzte 117 Todesfälle wegen hoher Temperaturen vermieden werden konnten.

Zürich will hohe Temperaturen erträglicher machen und setzt auf Massnahmen wie bessere

Durchlüftung, mehr Grünflächen, die Auswahl heller Baumaterialien oder die Einrichtung von Wasserstellen.

Auch Schweizer Städte setzen auf Anpassung an steigende Temperaturen. So hat Zürich in einem Masterplan «Stadtklima» Massnahmen untersucht, die helfen könnten, hohe

Temperaturen erträglicher zu machen. Es geht dabei unter anderem um eine bessere Durchlüftung von Strassen, mehr Grünflächen, die Auswahl heller Baumaterialien und die×     Einrichtung von Wasserstellen.

Ob Hitze tötet oder nicht, hängt also weniger vom Klimawandel ab, sondern vielmehr von der richtigen Vorbereitung und der geeigneten Aufklärung.

Der Beitrag erschien zuerst beim Nebelspalter hier

image_pdfBeitrag als PDF speichernimage_printBeitrag drucken