Insekten – die große, unbekannte Gruppe im Tierreich

Es gibt zwar grobe Hinweise, aber keine flächendeckenden, eindeutigen Belege für ein Insektensterben in Deutschland, was auch mit der enormen Artenvielfalt und der Metamorphose der Insekten („Kerbtiere“) zu tun hat. Denn während in Deutschland nur etwa 100 Säugetier- und etwa 300 Vogelarten bekannt sind, wird die Anzahl der Insektenarten auf etwa 33.000 geschätzt (Quelle: Bundesamt für Naturschutz, BfN). Hinzu kommt bei vielen Insektenarten die Metamorphose vom oft kaum sichtbaren Ei über verschiedenste, oft unscheinbare Larven- und Puppenstadien zum „fertigen“ sechsbeinigen Imago, welches meist, aber keinesfalls bei allen Arten, flugfähig ist, nicht selten aber nur wenige Stunden bis Tage nach seiner Fortpflanzung stirbt und daher nur schwer beobachtet werden kann. Die wichtigsten, auffälligsten Ordnungen der Insekten seien genannt: Käfer, Wanzen, Schaben, Schrecken, Schmetterlinge, Libellen, Hautflügler (Wespen, Bienen, Hummeln und Ameisen) sowie Zweiflügler (Fliegen und Mücken). Nur wenige Spezialisten sind in der Lage, diese aufzufinden und sicher zu bestimmen. Und öffentliche Forschungsgelder für Taxonomie (Artenforschung, Artenbeschreibung und Artenkatalogisierung) sind – im Gegensatz zu den üppig gestreuten Mitteln für die Erforschung der Klimaerwärmung, seit Jahrzehnten rückläufig. Deshalb helfen oft nur indirekte Hinweise weiter. So fanden Krefelder unbezahlte Forscher des Entomologischen Vereins zwischen 1989 und 2013 Rückgänge der in Fallen gefangenen Biomasse an Insekten um bis zu 80% (Quelle: Wikipedia). Auch wird oft argumentiert, die Windschutzscheiben der Autos seien früher viel stärker mit Insekten verschmutzt gewesen, doch die in den letzten Jahrzehnten stark verbesserte Aerodynamik der Fahrzeuge kann dazu führen, Kollisionen mit leichteren Insekten zu vermeiden. Der Spätsommer 2018 war reich an Wespen und Hornissen. Und im Herbst 2017 wurde über eine massive Spinnenplage berichtet – Spinnen sind keine Insekten, sie ernähren sich aber von diesen, was zumindest gegen ein flächendeckendes Insektensterben spricht.

Die Honigbiene – das fragwürdige Symbol des Insektensterbens

So, wie der Eisbär, welcher sich, ganz Wildtier, trotz der Eisschmelze in den letzten Jahrzehnten stark vermehrt hat, steht die Honigbiene für das aktuelle Insektensterben. Angeblich gibt es immer weniger der für die Bestäubung nützlichen Honigbienen. Leider werden bei solchen Behauptungen zwei wichtige Aspekte übersehen. Erstens ist die Biene die einzige domestizierte Insektenart (vom Seidenspinner abgesehen), sie ist also ein Haustier, welches vom Menschen gefördert wird und ohne diesen wesentlich seltener vorkommen würde. Ihre Bestäubungsleistung wird überschätzt, denn sie ist ein „Schönwetter-Flieger“ und startet erst ab etwa 10 Grad; während die oft vergessenen Hummeln auch bei tieferen Temperaturen fliegen. Und dass es in Deutschland mehr als 500 oft wenig erforschte Wildbienenarten gibt (Quelle: www.deutschland-summt.de) wird kaum erwähnt. Was den angeblich so dramatischen Rückgang der Bienenvölker angeht, so hilft ein Blick auf die veröffentlichten Zahlen des Deutschen Imkerbundes:

Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl der Bienenvölker in Deutschland seit 1992. Nach einem Rückgang bis 2008 kam es wieder zu einem leichten Anstieg. Quelle: Deutscher Imkerbund

Imkerei ist heuer ein wenig einträgliches Geschäft und wird meist im Nebenerwerb, neuerdings zunehmend in den Städten, betrieben. Neben der viel gescholtenen, intensiven Landwirtschaft trugen auch der Parasitenbefall (Varroa-Milbe, Wachsmotte) sowie der Import von Honig zu den Problemen der Imkerei bei. Vorausgesetzt, es finden sich genug Enthusiasten, dürfte trotzdem der Fortbestand der Honigbiene in Deutschland nicht gefährdet sein; als Indikator für ein mögliches Insektensterben taugt die Honigbiene jedenfalls nicht.

Energiewende und Insektensterben

Die Anzeichen für ein Insektensterben häufen sich seit der beginnenden Umsetzung der Energiewende, also ab den 1990er Jahren. Das kann Zufall sein, doch viele Indizien deuten auf wesentliche Zusammenhänge hin. Da wäre zunächst der massive Anbau von „Energiepflanzen“ (vor allem Mais und Raps) zu nennen. Deren Anbau führte zu noch monotoneren Fruchtfolgen und ließ die Landschaft weiter verarmen; außerdem erfordert ihr Anbau besonders hohe Aufwendungen der mehr oder weniger umweltschädlichen und energieintensiven Agrochemikalien. Während die Maispflanze, von wenigen Schadinsekten einmal abgesehen, als Windbestäuber keinerlei Nahrung für Insekten bietet, zieht der Raps, meist Winterraps, auch nur während seiner etwa dreiwöchigen Blüte zahlreiche Insekten an.

Abbildung 2: Bis etwa 1990 wurde Raps im Thüringer Becken nur selten angebaut; seitdem uferte die Rapsnutzung für „Bio-Kraftstoffe“ aus, was auch die Böden ermüdet. Der schöne, gelbe Anblick zur Blütezeit täuscht – es handelt sich um eine industriell genutzte Monokultur mit jedoch nur bescheidener Energieausbeute. Und die Windräder (Bildhintergrund) stellen für alles, was fliegen kann, ein gefährliches Hindernis dar. Foto: Stefan Kämpfe

Hinzu kommen die tausenden Windräder, welche gerade unsere intensiv genutzten Agrarlandschaften endgültig in eine Industrielandschaft verwandelt haben. Bislang wurde deren Wirkung auf Insekten kaum beachtet – das ändert sich nun aber aus zwei Gründen. Denn außer der Ursachenforschung nach dem Insektensterben selbst fiel auf, dass viele Anlagen selbst bei idealen Windbedingungen ihre Nennleistung bei weitem nicht erreichten. Als Ursache kommt Insektenbelag auf den Rotorblättern in Betracht; Näheres dazu mit Bildbeispiel bei science sceptical hier. Weil sich die Rotorspitzen der Windräder mit mehreren einhundert Km/h drehen können, stellen sie eine gefährliche Falle nicht nur für Vögel und Fledermäuse, sondern eben auch für Insekten, dar. Diese Tatsache könnte mit erklären, warum gerade in intensiv genutzten Landschaftsräumen mehr oder weniger starke Rückgänge der Insektenpopulationen beobachtet werden. Nach eigenen, freilich unvollständigen Beobachtungen des Verfassers aus Mittelthüringen blieben größere, naturnahe, abwechslungsreiche, von Windkraftanlagen weitgehend freie Areale wie der Ettersberg, das Mittlere Ilmtal um Bad Berka oder die Muschelkalkhänge des Saaletals, bisher von massiven Rückgängen der Individuenzahlen verschont; in den Sommern 2017 und 2018 wurden selbst seltenere Arten wie der Schwalbenschwanz, Bläulinge, der Admiral sowie viele Bienen-, Wespen- und Schwebefliegenarten häufig gesehen.

Den Artenreichtum unserer Natur erhalten – aber wie?

Die viel verteufelte intensive Landwirtschaft wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch ohne den Bio-Lifestyle wesentlich umweltfreundlicher werden und den Einsatz von Pestiziden stark senken, weil mit der fortschreitenden Automatisierung, gestützt auf GPS und automatisiertes Fahren mit quadratmetergenauer Analyse des Unkraut- und Schädlingsbefalls, nur noch an den wirklich befallenen Stellen eines Schlages Pestizide ausgebracht werden müssen. Die deutlich umweltfreundlichere, aber arbeitsintensive mechanische Unkrautbekämpfung wird dank Robotik wieder häufiger zum Einsatz kommen. Auch die leider in Deutschland nicht gern gesehene Gentechnik bietet viele Möglichkeiten zum Anbau schädlings- und dürreresistenter Sorten ohne oder mit nur geringem Pestizideinsatz. Auf die Artenvielfalt wird sich diese Entwicklung freilich nur dann positiv auswirken, wenn die Fruchtfolgen insgesamt abwechslungsreicher gestaltet werden und der auch ökonomisch unsinnige Anbau von Energiepflanzen (sie wandeln nur etwa 1% der einfallenden Solarenergie in Biomasse um, welche dann oft nur verlustreich zu Energielieferanten verarbeitet werden kann) gestoppt wird; Selbiges gilt für die Nutzung der Windenergie; welche schon heuer ein landschafts- und umweltverträgliches Maß weit überschritten hat. Und um die in vielen Teilen Deutschlands vorhandenen artenreichen Lebensräume wie Wälder, Gewässer, Halbtrockenrasen, Wiesen und Streuobstwiesen, besser miteinander zu verbinden, zum Beispiel über Feldhecken, Baumpflanzungen entlang der Feldwege oder breitere, naturnah belassene Feldraine, wären schon 1 bis kaum 2% der gegenwärtig intensiv bewirtschafteten Flächen völlig ausreichend – es würde dadurch vermutlich sogar zu höheren und stabileren Erträgen kommen, weil solche Pflanzungen das Kleinklima verbessern. Angesichts der vielen Milliarden, welche für die bis heute nicht richtig funktionierende Energiewende ausgegeben wurden, wären die finanziellen Mittel für eine bundesweite Biotop-Vernetzung gering und in jedem Fall eine sinnvolle Anlage. Im üppigen EU-Haushalt, der noch immer zu gut 40% aus Agrarsubventionen im weitesten Sinne besteht, fände sich ganz sicher etwas Geld für die Biotopvernetzung. Auch mittels einer naturnäheren Nutzung der in Deutschland zahlreich vorhandenen Klein- und Hausgärten ließe sich die Artenvielfalt fördern. Eine weitere Gefahr für nachtaktive Insekten sei noch erwähnt – die sehr üppige Beleuchtung unserer Siedlungen. Aber mit effektiverer Ausleuchtung und einer für Insekten weniger anziehenden Kunstlichtzusammensetzung lassen sich diese negativen Auswirkungen verringern.

Zusammenfassung: Das Insektensterben wurde bislang nicht ausreichend erforscht; unstrittig zeigt sich aber seit etwa 30 Jahren ein Rückgang der Insektenhäufigkeit in intensiv genutzten, strukturarmen Lebensräumen. Die Energiewende trägt, besonders in Form der Windenergienutzung und der Monokulturen für Energiepflanzen, zum Insektensterben bei. In Deutschland gibt es jedoch noch viele artenreiche Lebensräume, welche freilich besser miteinander vernetzt und vom weiteren Ausbau der Windkraft verschont werden müssen.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher

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