Ähnlich wie der ZDF-Mann Harald Lesch, tritt auch Stefan Rahmstorf gerne als Redner auf Veranstaltungen der Grünen auf. Zuletzt geschah dies beim Grünen Wirtschaftskongress am 17. März 2017. Den halbstündigen Vortrag kann man sich auf Youtube anschauen:

Video des Vortrages von Prof. Dr. Stefan Rahmstorf auf dem Wirtschaftskongress „über die Überhitzung der Erde…“ am 17.3.2017

Zunächst einmal ist es sehr erfreulich, dass Stefan Rahmstorf die Temperaturgeschichte der letzten 10.000 Jahre zeigt und einräumt, dass wir das natürliche Niveau der mittelholozänen Wärmephase noch nicht überschritten haben.  Die von ihm gezeigte Marcott-Kurve umfasst jedoch nur Meeresoberflächenmesungen, so dass die wahre globale Gesamttemperatur vor 5000 Jahren wohl deutlich über dem heutigen Wert lag. Das Hinzufügen der Prognose bis 2100 in einem doch recht ähnlichen blau ist natürlich ein Taschenspielertrick. Unerwähnt lässt er, dass die Prognose auf wackeligen Füßen steht, da die CO2-Klimasensitivität derzeit kontrovers diskutiert wird und sich stark im Sinkflug befindet. Alles andere als nur Details am Rande…

Bei Minute 4 des Vortragsvideos zeigt Rahmstorf dann die Temperaturentwicklung der letzten 140 Jahre. Dazu wählt er den aggressivsten Datensatz mit der stärksten Erwärmung aus, die GISS-Kurve der NASA. Die El Nino-Spitze 2015/16 schießt am Ende atemberaubend nach oben. Das gewählte 12-Monats-Mittel glättet die Temperaturentwicklung der letzten anderthalb Jahrhunderte, erhält aber auch die nützliche El Nino Spitze.

Abb. 1: Globaler Temperaturverlauf der letzten 140 Jahre, dargestellt als 12-Monats-Mittel. Daten GISS; Abbildung aus Rahmstorf-Vortrag 17.3.2017. 

 

Würde man die Monatsdaten ohne gleitendes 12-Monatsmittel auftragen, wäre der El Nino schon lange wieder vergessen, die Temperaturen wieder auf Normalniveau. Abbildung 2 zeigt den GISS-Temperatuverlauf in der Normalansicht an (Stand Juni 2017). Der letzte Datenpunkt im Juni 2017 ist schon wieder auf das Normalniveau der letzten 17 Jahre abgesackt. Den El Nino verschweigt Rahmstorf übigens im Vortrag beharrlich, um die Spitze nicht zu entzaubern.

Abb. 2: Globaler Temperaturverlauf der letzten 17 Jahre. Daten GISS. Blaue Kurve gibt 12-Monatsmittel an.

 

Bei Minute 5 erläutert Rahsmtorf, dass die derzeit abnehmende Sonnenaktivität bereits Kühlung gebracht hätte. Logischerweise müsste dann die sehr starke Sonne in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsprechend die Temperaturen nach oben gedrückt haben. Dazu äußert sich Rahmstorf natürlich nicht.

In der Folge erklärt Rahmstorf dem Publikum den angeblichen 97%-Konsens, zu dem wir übrigens auch gehören. Denn darin heißt es lediglich, dass 97% aller Wissenschaftler anerkennen, dass sich das Klima ändert und das CO2 eine (nicht näher definierte) Rolle spielt. Genau das haben wir ja auch in unserem Buch “Die kalte Sonne” geschrieben. Mit der dort vorgestellten Rechnung mit einer CO2-Klimasensitivität von 1,5°C/CO2-Verdopplung liegen wir am unteren Rand der IPCC-Spanne, also noch nicht einmal außerhalb der IPCC-Annahmen.

Es folgt ein Moment der großen Ehre. Professor Rahmstorf erläutert den grünen Konferenzteilnehmern das Problem ‘wissenschaftlich unseriöser Außenseiterthesen’ am Beispiel der kalten Sonne. Das sei doch alles Lobbyarbeit der fossilen Brennstoffindustrie, alles murks. Er beginnt mit einem Zitat von Fritz Vahrenholt aus einem Artikel in der Welt vom 27. Mai 2011. Vahrenholt warnte damals vor einer heraufziehenden Ökodiktatur, eine Befürchtung mit der Vahrenholt heute angeschts der aus dem Ruder gelaufenen Energiewende nicht mehr allein dasteht. Aktivist Rahmstorf schmeckt das alles natürlich gar nicht, hat sich den Artikel aufgehoben und zitiert auf dem Kongress Vahrenholt:

“Dabei mehren sich ohnehin die Zeichen, dass das Antriebsmoment für die “Große Transformation” erlahmen wird, da die Klimaerwärmung seit 12 Jahren zum Stillstand gekommen ist…”

Dabei “vergisst” Rahmstorf auch noch, den Rest des Satzes zu zitieren:

“…und sich die wissenschaftlichen Stimmen (außerhalb des WGBU und des Potsdam-Institutes) mehren, dass wir vor einer langjährigen Abkühlungsphase des Klimas stehen.”

Und Rahmstorf kommt vom Postdam-Institut. Da hätten die Zuhörer doch tatsächlich auf die Idee kommen können, einen neutraleren Wissenschaftler zu dieser Thematik hören zu wollen. Denn das Potsdamer Hiatus/Slowdown-Leugnen ist ja kein neues Phänomen. Der Rest der Fachwelt hat die gebremste Erwärmung und den zeitweisen Stillstand anerkannt. Allein im Nordosten Deutschlands gibt es noch einen Ort, an dem man seine eigenen kuriosen Ideen dazu hat. Liest man dort eigentlich keine aktuelle Literatur? Am 12. Juni 2017 erschien in den Geophysical Research Letters eine Arbeit eines schweizerischen Forscherteams um Lukas von Känel. Darin wird die gebremste Erwärmung des frühen 21. Jahrhunderts bestätigt und Ursachenforschung betrieben. Es ist klar dass der äquatoriale/tropische Pazifik hier eine wichtige Rolle als Taktgeber spielt. Allerdings muss es noch zusätzliche Mechanismen geben, denn der Pazifik-Taktgeber scheint nicht immer so verlässlich zu ticken wie erwartet, erklären von Känel und Kollegen. Hier der Abstract:

Hiatus-like decades in the absence of equatorial Pacific cooling and accelerated global ocean heat uptake
A surface cooling pattern in the equatorial Pacific associated with a negative phase of the Interdecadal Pacific Oscillation is the leading hypothesis to explain the smaller rate of global warming during 1998-2014, with these cooler than normal conditions thought to have accelerated the oceanic heat uptake. Here, using a 30-member ensemble simulation of a global Earth system model, we show that in 10% of all simulated decades with a global cooling trend, the eastern equatorial Pacific actually warms. Our finding challenges the view of the equatorial Pacific being the sole pacemaker for generating internal stochastic variability-driven global warming hiatus decades and suggests that past and future surface temperature patterns during hiatus decades may be distinct. In addition, the global ocean heat uptake tends to slow down during hiatus decades implying a fundamentally different global climate feedback factor on decadal timescales than on centennial timescales and calling for caution inferring climate sensitivity from decadal-scale variability.

Ein hochspannende Arbeit. Siehe auch frühere Blogartikel um Thema:

Aber zurück zum Grünen Wirtschaftskongress, auf dem Rahmstorf dem staunenden Publikum erklärt, dass es das alles gar nicht gäbe. Alles nur eine Erfindung der Wirtschaftslobby. Rahmstorf allein gegen den Rest der Welt – ein bisschen Mitleid bekommt man da schon.

Bei Minute 6:40 des Vortragsvideos tappt Rahmstorf dann sogleich in die nächste Falle. Er behauptet fälschlicherweise – wie schon so oft zuvor – dass die Sonnenaktivität seit 1950 abgenommen hätte. Das ist nicht der Fall, wenn man alle solaren Parameter einbezieht, nicht nur die verlockenden Sonnenflecken. Einen guten Überblick über den Verlauf der Sonnenaktivität gaben kürzlich Egeland et al. 2016 (Abb. 3). Gut zu erkennen ist der 11-jährige Sonnenfleckenzyklus, sozusagen der Herzschlag der Sonne. Ebenso gut zu erkennen ist aber auch die Intensität des ‘Herzschlags’, also die Amplitude der Sonnenaktivität, die um 1990 ein Maximum erreicht (Zyklus 22), das deutlich den Zyklus 19 in den 1950er Jahren übertrumpft. Rahmstorf erzählt also Käse.

 Abb. 3: Entwicklung der solaren Aktivität während der letzten 100 Jahre. Graphik: Egeland et al. 2016.

 

Eigentlich hätte Rahmstorf vorgewarnt sein sollen, denn bereits im November 2016 hatten wir ihn auf WUWTauf seinen Fehler hingewiesen. Damals zeigten wir ihm die langfristige Sonnenaktivitätskurve von Steinhilber et al. 2009, eine Arbeit die offenbar in der Potsdamer Uni-Bilbliothek fehlt und die den 11-jährigen Herzschlag herausmittelt (Abb. 4). Auch hier keine Spur von Rahmstorfs Sonnenmärchen. Wiederum wurde die höchste solare Aktivität in den 1990er Jahren erzielt.

Abb. 4: Entwicklung der globalen Temperatur (GISS), CO2 Konzentration und Sonnenaktivität (Steinhilber et al. 2009).

 

Verschweigen des El Nino, Leugnen des Hiatus/Slowdown, fehlerhafte Darstellung der Sonnenaktivitätsentwicklung: Wer ist es in Wirklichkeit, der hier wissenschaftlich unseriöse Außenseiterthesen vertritt? Im Vortrag kommt nun der große Moment für unser Buch “Die kalte Sonne”, dessen Cover für alle Konferenzteilnehmer groß auf die Leinwand projiziert wird. Eine tolle Werbemaßnahme, für die wir uns recht herzlich bei Herrn Rahmstorf bedanken wollen. Das Buch ist übrigens als Restexemplar für € 15,99 inklusive Versandkosten bei uns direkt erhältlich. Rahmstorf zeigt die folgende Graphik und behauptet, die Realität hätte unsere Temperaturprognose bereits falsifiziert.

Abb. 5. Stefan Rahmstorf vergleicht unsere Temperaturprognose mit der El Nino-Temperaturspitze 2015/16 und glaubt er hätte die Kurve auf diese Weise falsifiziert. Quelle: Rahmstorf-Vortrag 17.3.2017.

 

Nachdem er glaubt, schnell mal die kalte Sonne abgewatscht zu haben, kehrt er “zur ernsthaften Wissenschaft” zurück, sagt er. Aber nicht so schnell. Liegt die Prognose wirklich so schlimm daneben? Weshalb bricht die Temperaturkurve bei Rahmstorf am Gipfel des El Nino eigentlich ab? Der El Nino ist doch jetzt vorbei und der Adler wieder gelandet? Da helfen nur harte Daten. In der folgenden Graphik (Abb. 6) verwenden wir den GISS-Datensatz, den auch Rahmstorf einsetzt, bemühen uns um ein ähnliches Layout um Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Die bunte Kurve zeigt GISS-Monats-Werte, die dicke braune Kurve entspricht einem nahezu zentrierten 12-Monats-Mittel.

Abb. 6. Temperaturentwicklung seit 1997 gemäß NASA GISS-Datensatz, Stand Juni 2017. Die bunte Kurve zeigt GISS-Monats-Werte, die dicke braune Kurve entspricht einem nahezu zentrierten 12-Monats-Mittel. Die Kurve ist copyright-frei, kann gerne weiterverwendet werden.

 

Schön zu sehen, wie sich die Temperaturen derzeit im Sturzflug befinden. Der Juni 2017 ist bereits so tief abgesackt, dass er schon fast wieder in den Prognosebereich eintritt. Der El Nino 2015/16 und halbe El Nino 2016/17 scheinen nun endgültig vergessen zu sein. Auch das 12-monatige Mittel sackt bereits wieder kräftig ab. Die von Rahmstorf gewählte Darstellung ist wissenschaftlich unseriös und wird der kurzlebigen Natur des El Nino nicht gerecht. Die Tatsache, dass er den El Nino mit keinem Wort im Vortrag erwähnt, bereitet mittelschwere Bauchschmerzen.

Nicht nur, dass Rahmstorf die fragwürdige Graphik bei öffentlichen Vorträgen zeigt, sein Aktivistennetzwerk hat die Kurve auch in den Wikipedia-Profilen von Fritz Vahrenholt und Sebastian Lüning verankert. Das ist nicht gerade sehr nachhaltig, wenn man bedenkt, dass die El Nino-Spitze nun wieder abklingt. Auf jeden Fall sollte die Graphik aktualisiert werden. Schon in einem Jahr werden sich die Aktivisten vermutlich darüber ärgern, dass sie die Graphik überhaupt eingefügt haben. Sinkende Sonnenaktivität, kühlende Phase der Ozeanzyklen und ein bisschen La Nina (haha), werden schon bald Resultate zeigen.

Der Beitrag erschien zuerst bei Die kalte Sonne

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