Worum geht es bei der ASSE?
Die ganze Erde ist seit Anbeginn vor 4,5 Mrd. Jahren voller Radioaktivität. Inzwischen ist diese Radioaktivität nur noch sehr schwach, weil sie in 4,5 Mrd. Jahren abgeklungen ist. Starke Radioaktivität gibt es nur noch in Kernkraftwerken (und bei nuklearen Explosionen), nur dort kann sie überhaupt für Lebewesen gefährlich werden. Im alten Salzbergwerk ASSE hatte man schwach radioaktive (und wenige Gebinde mit mittlerer Aktivität) Abfälle eingelagert, in der Summe war das etwa so viel Radioaktivität wie in einem Kubikkilometer der Erdkruste enthalten ist. Eine kleine Menge von Nukliden mit kurzer Halbwertszeit war dabei, das ergab einen großen Anteil an Becquerel. Aber dieser Anteil ist im Jahre 2100 verschwunden, so daß der Abfall in der Tiefe der ASSE dann so radioaktiv sein wird, wie es das Gestein der Erde überall ist. Dann wird der Abfall durch hundertfach mehr Radioaktivität im Deckgestein zugedeckt sein [1]. Niemals können die radioaktiven Abfälle in der Tiefe nach oben gelangen und Menschen gefährden, wie es Sigmar Gabriel 2008 in der Kampagne glauben machen wollte [2].
Was war der „Erfolg“ der Kampagne?
Wenn nur lange genug Unsinniges erzählt wird, dann wird es schließlich geglaubt. So ging es auch hier, die Zeitungen brachten Berichte, das Fernsehen ebenso. Da mußte irgendwann der Gesetzgeber zum Retter in der Not werden: Es wurde in 2013 vom Bundestag mit dem LEX ASSE ein Gesetz beschlossen, aufgrund dessen alle Abfälle aus der ASSE wieder an die Oberfläche zu holen sind. Natürlich wurden zunächst auch andere Möglichkeiten diskutiert, insbesondere das bereits in acht Jahren Arbeit zu 90% mit Salzgries wieder verfüllte Bergwerk gänzlich zu verfüllen. Diese Vollverfüllung wurde von allen zu Rate gezogenen Fachleuten als beste Möglichkeit empfohlen, nur das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) favorisierte die Rückholung aller Abfälle aus dem Bergwerk. Und da die ASSE zum 1.1.2009 in den Verantwortungsbereich des Bundesamtes für Strahlenschutz überführt worden war, bestimmte dieses Amt auch das weitere Geschehen.
Wie hat das Bundesamt für Strahlenschutz argumentiert?
Die Rückholung der Abfälle wurde mit einer möglichen Gefährdung der Bevölkerung durch einen unbeherrschbaren Lösungszutritt in der Tiefe begründet, der die Abfälle in der Tiefe auflösen könnte. Diese Lösung könnte in 40 Jahren zur Oberfläche aufsteigen und dort Personen mit einer Strahlendosis von 170mSv im Jahr bestrahlen.
Was sagt die Physik dazu?
- Die in der Tiefe lagernden Nuklide liegen in der Form von unlöslichen Oxiden vor.
- Die an einer Stelle des Bergwerks einsickernde Flüssigkeit ist nicht Wasser, sondern Sole. Sole kann kaum noch weitere Stoffe auflösen.
- In den Abfallfässern sind die Abfallstoffe einbetoniert, und Beton löst sich nicht in Wasser, noch weniger in Sole.
- Die Sole hat eine Dichte von 1,4 bis 1,6, die kann nicht nach oben durch höher liegendes Grundwasser mit der Dichte 1 steigen.
- Mit der Vollverfüllung aller Hohlräume würde das derzeitige Einsickern von Sole aufhören, denn nur in Hohlräume kann Flüssigkeit einsickern.
- Es ist unverständlich, warum die Abfälle in der Tiefe gefährlich werden könnten, die rückgeholten Abfälle an der Oberfläche jedoch nicht.
- Die radioaktiven Nuklide im Abfall sind im wesentlichen Uran und Thorium, also alpha-Strahler. Diese Nuklide sind so schwach radioaktiv, daß von ihnen keine radiologische Gefahr ausgeht.
Es ist also ganz klar, daß aus physikalischen Gründen eine Gefährdung der Bevölkerung durch die Abfälle tief unten in der ASSE ausgeschlossen ist.
Die Rückholung der Abfälle – wenn sie denn geschieht – ist für die Mitarbeiter eine geplante Strahlenexposition, dafür gilt nach § 47 der StrlSchV ein Grenzwert 1mSv im Jahr. Für die Bewertung der Langzeitsicherheit bei Endlagerung nennt die Internationale Strahlenschutzkommission eine Strahlendosis von 0,1mSv pro Jahr für die Bevölkerung für wahrscheinliche Entwicklungen, dazu wird der Risikokoeffizient von 10 hoch minus 5 pro Jahr genannt.
Die Bedeutung dieser Zahlen wird beim Vergleich mit der zusätzlichen beruflichen Exposition des fliegenden Personals der Lufthansa klar: Diese beträgt im Mittel 2 mSv im Jahr und maximal 9mSv im Jahr. Es dürfen also die etwa 15 000 Mitarbeiter der Lufthansa vom fliegenden Personal viel höher bestrahlt werden, als es bei der Endlagerung in 100 000 Jahren vom Gesetz erlaubt ist — das ist unverständlich.
Falls jemals Abfälle aus der ASSE an die Oberfläche gebracht werden sollten, steht kein Lagerplatz zur Verfügung, auch im Schacht Konrad ist dafür kein Platz. Es bleibt nur die Möglichkeit, die rückgeholten Abfälle in neu zu bauenden Zwischenlagern aufzubewahren — das ist offenbar das Ziel der vom BfS betriebenen Politik.
Warum hat der Bundestag die LEX ASSE beschlossen, wenn die Physik dagegen spricht?
Diese interessante Frage kann hier nicht beantwortet werden, dazu müßte man die Abgeordneten befragen. Das ist für einen Bürger aber nicht möglich. Es steht zu vermuten, daß die Abgeordneten sich in der Sache nicht auskennen, sich auch nicht schlau gemacht haben sondern einfach den Empfehlungen des Antragstellers gefolgt sind, der wiederum dem BfS gefolgt ist. Und das BfS steht unter politischer Leitung. Somit wäre die LEX ASSE ein rein politisches Unterfangen ohne sachlichen Grund.
Was sagen die Fachleute dazu?
Die Sachlage mit der ASSE ist so klar und offensichtlich, daß der „Fachverband Strahlenschutz Deutschland-Schweiz“ schon im Jahre 2011 lange vor dem Beschluß der LEX ASSE dagegen Stellung bezogen hat [3]. Dieses Schreiben wurde an alle Ministerien für Umweltschutz in Deutschland und an die mit der Materie befassten Kommissionen verteilt. Der Fachverband Strahlenschutz hat als Begründung gesagt, daß durch die Rückholung die gesetzliche Verpflichtung zur Vermeidung einer unnötigen Strahlenexposition mißachtet wird — eine sehr einsichtige Begründung.
Man sollte es deutlich sagen: Das Bundesamt für Strahlenschutz hat seinen gesetzlichen Auftrag mißachtet, entsprechend der Strahlenschutzgrundsätze vor Strahlen zu schützen. Ein privater Verein – der Fachverband Strahlenschutz – hat sich dagegen gewehrt. |
Der Bundestag hat mit dem Beschluß der LEX ASSE die Argumente der Fachleute ignoriert.
Jetzt hat die Strahlenschutzkommission in ihrem Bericht vom 15.9.2016 noch einmal auf 37 Seiten eine ausführliche Stellungnahme geschrieben mit derselben Aussage, nämlich die Rückholung der Abfälle kritisiert und die Vollverfüllung der Schachtanlage vorgeschlagen [4]. Dieses ist jetzt im Gegensatz zum vorherigen Protest des Fachverbandes Strahlenschutz eine offizielle Kommission, deren Aufgabe die Beratung der Ministerien in Strahlenschutzfragen ist.
Der Strahlenschutzkommission ist für ihren Bericht zu danken, die Wissenschaftler dieser Kommission haben getan, was ihre Pflicht ist. Jetzt wäre es Aufgabe der Politik bzw. des Gesetzgebers, die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen und entsprechend zu handeln, also die LEX ASSE aufzuheben und den Schacht ASSE endgültig zu verfüllen. |
Was wird geschehen?
Niemand kann in die Zukunft schauen, daher ist diese Frage nicht zu beantworten. Wenn jedoch die Vergangenheit betrachtet wird ist zu erahnen, daß nichts geschehen wird.
Die ganze Welt lacht über das Bestreben der Deutschen, schwach aktive Abfälle wieder aus 500 Meter Tiefe herauf zu holen, um sie anschließend an der Oberfläche entweder zu verbuddeln oder in dafür neu zu bauende Lagerhallen mit meterdicken Wänden bis in alle Ewigkeit aufzuheben. Allerdings lachen nicht alle Menschen darüber, sondern nur diejenigen, die sich etwas mit der Physik auskennen. Diejenigen, die sich nicht auskennen, zittern vor Angst, denn „Jedes Becquerel ist ein Becquerel zu viel“, so heißt es bei den Angsttrompetern.
Wie im Mittelalter die Angst vor den Hexen, als diese auf ihren Luftfahrzeugen durch die Nächte schwebten und durch Kamine hindurch die Menschen mit dem Hexenfluch belegten. Heute zählen dagegen Hexen zu den Gutmenschen, weil deren Luftfahrzeuge kein CO2 ausstoßen — so ändern sich die Zeiten. Wann wird eine von Vernunft bestimmte Betrachtung des Themas Strahlung / Endlagerung eintreten?
Dieser Bericht soll auf privaten Internetseiten veröffentlicht werden, um dort, wo es möglich ist, unter Berufung auf Art.5 GG die Meinung der Fachleute in der Strahlenschutzkommission zu einer falschen Entscheidung des Gesetzgebers öffentlich zu machen.
Zitate
[1] Helmut Fuchs in https://www.novo-argumente.com/artikel/asse_die_unterdrueckten_fakten
[2] Bücher von Dr. Hermann Hinsch: „Das Märchen von der ASSE“, „Radioaktivität – Aberglaube und Wissenschaft“
[3] „Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage ASSE II“, vom 15.2.2011, Präsident Prof. Wernli
[4] „Strahlenschutz bei der Stilllegung der Schachtanlage Asse II“, vom 15.9.2015, zu finden unter
SSK Empfehlung zur ASSE mit Markierungen
Schon der vorherige Betreiber GSF, heute Helmholtz-Zentrum, hatte ein ganz übertrieben teures Schließungskonzept, mit dem man aber heute fertig wäre. In Frankreich kommen schwache Abfälle wie die in der Asse 10 m unter die Erde, und es sind keine irgendwie gefährlichen Freisetzungen bekannt geworden. Herr Niemann hat die Absurdität der geplanten Rückholung deutlich dargestellt. Von was für Leuten werden wir regiert, sind sie so dumm oder so bösartig?
Natürlich darf das die SSK. Es ist sogar eigentlich ihre Aufgabe. Die Frage, die sich hier ergibt, ist allerdings:
Hört jemand in der Politik auf ein offensichtlich noch fachkundiges Gremium? Ich befürchte: Niemand!!!!
p.S. liebe admin: was ist der Grund dafür, daß, wenn man die Funktion angemeldet bleiben gewählt hat, nach einiger Zeit (einige wochen) sich wieder neu anmelden muß?
Das weiß ich auch nicht. Leider.
Die Info „angemeldet bleiben“ liegt als gespeicherte Formulardaten auf dem Rechner der User.
Wird sie dort gelöscht, muß man sich neu anmelden.
MfG
Danke, wusste ich auch nicht.
Dass eine – irgendwie – zusammengesetzte Lösung in geringen Mengen in oberflächennahe Schichten eindringen kann, ist leider nicht ganz auszuschliessen. Allerdings würde sie sich da und auf dem Weg dahin noch einmal erheblich verdünnen. Die Differenzdrücke Gebirgsdruck minus hydrostatischer Druck der im Grubengebäude stehenden Lauge, verglichen mit dem hydrostatischen Druck der dem Salzsattel von außen begegnenden Wässer und Laugen dürfte physikalisch prinzipiell entscheidend sein. Jedoch hätten wir es mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer positiven Druckdifferenz im Bereich des Grubengebäudes zu tun. Allerdings muss diese nicht unbedingt in Richtung Erdoberfläche gerichtet sein. Viel hängt von den Strukturveränderungen des Salzsattels selbst und des Nebengebirges ab, nachdem das engültige Absaufen stattgefunden haben wird.
Ein Absaufen mitten in einer komplizierten und aufwändigen Bergung – das wäre der GAU für BfS, das KE und natürlich auch für die dahinter stehenden Politiker. Dann würde ein Teil der Abfälle untertage verbleiben und ein anderer Teil übertage eine Strahlenquelle bzw. Emissionsquelle darstellen. Zwischenläger für bereits geborgene Abfälle sollten z.B. nicht im gebirgsschlagsgefährdeten Bereich angelegt sein.
Insbesondere die „dauerbesorgten“ Bürger, die von Politkern und Behörden seit langem verkaspert und aufgehetzt werden, dürften auf diie Barrikaden gehen. Allerdings liegen die wahren Gefahren bei bergtechnisch nicht ordentlicher Schließung der Schachtanlage Asse bzw. unkontrolliertem Absaufen ( „ordentlich“ wäre z.B. Flutung mit Magnesiumcarbonat/Magnesiumhydroxid-Lauge) eher in den sich an der Erdoberfläche ergebenden Nachstürzen im Gefolge aufgelöster Kammerpfeiler aus Carnallitit. Der Höhenzug ist mit zahlreichen Erdfällen ohnehin geradezu überzogen.
Warum nimmt von den Verantwortlichen niemand diese Gefahr wahr? Stattdessen wird auf der Radioaktivität herumgeritten.
Die genannten 170mS ergeben sich laut SSK aus einigen Gutachten, jedoch nicht allen. Dieser Wert scheint eher aus der – unrealistischen – vollständigen Auflösung aller radioaktiven Inhaltsstoffe abgeleitet zu sein. Das Öko-Institut, Freiburg, geht m.W. von wesentlich weniger aus, da selbst bei Bestehen eines Aufstiegs- und Auspressungsweges (Störungszonen) gelöste Radionuklide und gelöste sonstige Metalle (Quecksilber- und Arsenabfälle befinden ebenfalls in der Schachtanlage) auf ihrem Weg in für den Menschen nutzbare Grundwasserleiter oder Oberflächengewässer etlichen adsorbierenden Tonstein- und Mergelsteinschichten begegnen werden.
Das ursprüngliche Co60 Inventar hat mittlerweile fast schon 50 Jahre und damit ca. 10 Halbwertszeiten hinter sich und ist damit nahe dran irrelevant zu werden. Selbst vom Cs137 ist weniger als die Hälfte noch vorhanden. Das stabile Folgenuklid Barium fällt unter den salinaren Bedingungen definitiv zu 100% als Bariumsulfat aus und bleibt untertage. Uran dürfte auch nach einem Absaufen der Grube ganz schnell im reduzierten Zustand als U IV+ vorliegen und damit unlöslich sein. Schwach basische Milieus – wie sie vor allem mit eienr kontrollierten Flutung angestrebt worden sind, tragen zusätzlich zum Verbleiben im ungelösten Zustand bei. Überhaupt kann das Uran nur als potentielle chemische Gefahr für oberflächennahe Grundwasserleiter angesehen werden.
Rund um die Asse wurden von Anfang an (seit 1963) Fehler begangen. Die blödsinnigsten und gefährlichsten ausgerechnet von denjenigen, die doch alles so schön „säubern“ wollen.
Danke für Ihren guten Beitrag, Herr Dr. Niemann!
nur ein Hinweis:
http://www.bfe.bund.de/
Übergang der Fachaufgaben von BfS auf das BfE
Am 30. Juli 2016 ist das „Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung“ in Kraft getreten. Es sieht vor, die staatlichen Aufgaben der Aufsicht und Genehmigung im Bereich der Kerntechnik, der Zwischenlagerung, der Standortauswahl und der Endlagerüberwachung mehrheitlich im Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) zu bündeln. Mit Inkrafttreten des Gesetzes wurden die entsprechenden Fachaufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) auf das BfE übertragen. Die Internetseiten werden derzeit gemeinsam von BfS und BfE überarbeitet. In dieser Zeit finden Sie alle Informationen zu den Themen Kerntechnische Sicherheit, Nukleare Entsorgung und Endlagerüberwachung weiterhin auf den Internetseiten des BfS.