Eine Reihe von Studien von Nassim Nicholas Taleb et al. leistete einen großen Beitrag zu unserem Verständnis von Risiko: Das Vorsorgeprinzip innerhalb der statistischen und probabilistischen Struktur von „Ruin“-Problemen (hier). Die Hauptstudie trägt den Titel „The Precautionary Principle (with Application to the Genetic Modification of Organisms)“ und ist lesenswert für alle, die an GMOs oder Risikoanalysen interessiert sind. Ich versuche gar nicht erst, sie alle hier zusammenzufassen, sie verdienen die vollständige Lektüre. Ich möchte einen relevanten Punkt herausgreifen, der für viele der grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit bedeutsam ist: wie sollten Politiker Gelder vergeben, um verheerende Bedrohungen zu verhindern oder abzuschwächen – potentiell katastrophal, aber von geringer Wahrscheinlichkeit?
Auszug: Was ist ein „Ruin“-Szenario, und wie sollten wir darauf reagieren?
Wir glauben, dass das Vorsorgeprinzip [PP] nur in Extremsituationen zur Anwendung kommen sollte: wenn der potentielle Schaden systemisch (und nicht lokaler Natur) ist und die Folgen die totale irreversible Zerstörung sein kann wie etwa das Aussterben der Menschen und allen Lebens auf dem Planet.
Ein Ruin-Problem ist eines, bei dem die Wahrscheinlichkeit unwiederbringlicher Verluste als die Folgen des Risikos nicht Null ist. … In der Biologie wäre es das Beispiel, dass eine Spezies ausgestorben ist. Für die Natur bedeutet „Ruin“ Umweltzerstörung: ein irreversibles Ende allen Lebens in einer bestimmten Größenordnung, die weltweit auftreten könnte. [Ohne Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre löscht sich das Leben auf der Erde mit Sicherheit unwiederbringlich aus, wenngleich auch schleichend. Anm. d. Übers.].
Unsere Bedenken gelten der offiziellen Politik … Politiker haben eine Verantwortung, katastrophale Schäden für die Gesellschaft als Ganzes zu vermeiden: der Schwerpunkt liegt auf der Gesamtheit, nicht auf der Ebene von Einzel-Individuen; und auf globalem systemischen Schaden, nicht auf spezifischen Schäden. Dies ist die Domäne kollektiver „Ruin“-Probleme.
„…Zum Beispiel gilt für die Menschheit, dass man globale Verheerung nicht in einem Scale messen kann, in welchem der Schaden proportional zum Niveau der Zerstörungen ist. Der Schaden durch komplette Zerstörung ist nicht der Gleiche wie zehn mal die Zerstörung von einem Zehntel des Systems. Erreicht die prozentuale Zerstörung 100%, divergiert die Abschätzung des Schadens ins Unendliche (anstatt sich in einer bestimmten Zahl zu manifestieren) als Folge des Wertes, der für eine Zukunft angenommen wird, die aufhört zu existieren.
Weil die „Kosten“ des Ruins effektiv unendlich sind, ist eine Kosten-Nutzen-Analyse kein sinnvolles Paradigma mehr. Eine Kosten-Nutzen-Analyse bedeutet, dass der potentielle Schaden und der potentielle Vorteil durch ihre Wahrscheinlichkeiten multipliziert und gegeneinander aufgewogen werden. Selbst wenn erwartet wird, dass die Wahrscheinlichkeiten bei Null liegen, aber eine Unsicherheit ungleich Null aufweisen, dann führt eine Sensitivitäts-Analyse, die die Auswirkung jener Unsicherheiten berücksichtigt, ebenfalls ins Unendliche. Der potentielle Schaden ist so substantiell, dass alles andere in der Gleichung aufhört, eine Rolle zu spielen. In diesem Falle müssen wir alles tun, was wir können, um die Katastrophe zu vermeiden.
Falls die Konsequenzen systemisch sind, muss die damit verbundene Unsicherheit bzgl. der Risiken anders behandelt werden als wenn dies nicht der Fall ist. In derartigen Fällen basieren Vorsorgemaßnahmen nicht auf direkten empirischen Beweisen, sondern auf analytischen Annäherungen auf der Grundlage des theoretischen Verständnisses der Natur des Schadens. Es beruft sich auf die Wahrscheinlichkeits-Theorie, ohne Probabilitäten zu berechnen. Die grundlegende Frage lautet, ob der Schaden global auftreten kann oder nicht.
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Politische Auswirkungen von „Ruin“-Szenarien
Taleb erklärt, dass „,Ruin‘-Ereignisse um jeden Preis bekämpft werden müssen … Weil die ,Kosten‘ des Ruins effektiv unendlich sind … wir müssen alles tun, was wir können, um die Katastrophe zu vermeiden“. Operationell ist dies sinnlos, weil es viele Schockwellen-Szenarien mit ruinösen Folgen gibt (hier).
Dieser Theorie zufolge ist die notwendige relevante Aufwendung dazu da, „gegen alle diese Probleme vorzugehen“. Ich möchte nur zwei Bedrohungen erwähnen, um dies zu illustrieren. Erstens, die Ozeane sterben, mit potentiell ruinösen Folgen für die Menschheit. Siehe the Ocean Health Index; siehe the jellyfish warnings; siehe some of the many warnings about this problem.
Zweitens, die Erde ist in der Vergangenheit von Asteroiden und Meteoren getroffen worden mit ruinösen Folgen – wobei mitunter die wesentlichen Lebensformen der Erde ausgelöscht worden sind. Dies wird wieder geschehen. Siehe dazu Diese Beiträge. Komischerweise erwähnt Taleb die Historie der Aussterberaten durch Einschläge von Asteroiden, macht aber keine Aussage dazu, warum diese Art des Ruin-Ereignisses nicht zu einer vordergründigen politischen Angelegenheit wird. Dies trifft exakt seine formale Definition. (Genauso nimmt er auch Stellung zu den Wahrscheinlichkeiten eines Dritten Weltkrieges (hier), sagt aber nichts zu dem „Ruin“-Szenario eines globalen Nuklearkrieges).
Nachdem wir jedes Ruin-Szenario „koste es, was es wolle“ angegangen haben, müssen wir mehr ausgeben, um uns auf die nur schlimmen Szenarien vorzubereiten, als da wären Erdbeben, Tsunamis, Pandemien (wie Grippe) und Hungersnöte. Dann gibt es noch exotischere Bedrohungen wie etwa die Umpolung des irdischen Magnetfeldes (hier), den Ausbruch des Yellowstone Supervulkans, Zerstörung von Kontinenten durch andere Vulkane (hier), Trinkwasserknappheit (hier) und andere Schockwellen-Ereignisse (hier). Wir können nicht die riesigen Summen für alle davon aufbringen.
Wie können Politiker die Ressourcen gegen eine solche Bandbreite von Ressourcen aufteilen? Die Empfehlungen von Talebs Verfahren helfen weniger als die einfache und objektive – wenngleich nicht perfekte – Methode der üblichen Vergleiche zwischen Wahrscheinlichkeit, Kosten und Risiken.
Ein Supervulkan wird wieder ausbrechen – vielleicht.
Eine weitere Perspektive von Risiko:
„Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben … Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? … Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. … Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“*
Matthäus 6, Verse 25 bis 34
[*Direkt aus der Luther-Bibel; keine Rückübersetzung!]
Weitere Informationen
Das Photo von Nassim Nicholas Taleb stammt von seiner Websitemit Erlaubnis.
Mehr über Talebs Arbeiten steht auf seiner Website, vor allem seine Studie Doing Statistics Under Fat Tails Program. Siehe auch bei Wikipedia.
[WeitereLink-Empfehlungen bekommt man bei Anklicken des Links zum Originalbeitrag. Anm. d. Übers.]
Übersetzt von Chris Frey EIKE
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