Marktfähigkeit

Bei der Marktfähigkeitsklausel verhält es sich ähnlich. Eine Förderung darf dann nicht mehr erfolgen, wenn die Erzeugung längst marktfähig möglich ist. Marktfähigkeit bedeutet, dass der Betreiber beispielsweise eines Windparks nicht mehr auf eine finanzielle Förderung durch das EEG angewiesen ist, weil er den von ihm erzeugten Strom zu auskömmlichen Marktpreisen entweder über die Börse (EEX) oder over-the-counter (OTC) vermarkten kann. Die finanzielle Förderung einer marktfähigen Erzeugungsart verstößt gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil eine solche Förderung nicht mehr erforderlich ist. Werden marktfähige Anlagen dennoch gefördert, so läge hierin eine unzulässige Beihilfe (Artt. 107, 108 AEUV) und ein Verstoß gegen das Prinzip des freien, unverfälschten Wettbewerbs vor (Artt. 119, 120 AEUV). Ein nationales Gesetz wie das EEG muss folglich eine s.g. Marktfähigkeitsklausel enthalten. Ausführliche Ausführungen dazu findet man in dem Gutachten2).

Aus diesen juristischen Zusammenhängen lässt sich sicher ableiten, wie mit den Altanlagen umzugehen ist, falls das EEG vom Gesetzgeber aufgehoben oder vom BVerfGG kassiert werden würde. 

Das EEG-Fördersystem müsste außerdem dem Grundsatz der Rechtssicherheit entsprechen. Diesen Anforderungen genügt das EEG 2014 nicht. Während der Geltungsbereich des EEG (§ 4) die Anlagen, die grünen Strom erzeugen, umfasst, also Deutschland mit der 200-Meilen-Zone , soll sich die EEG-Umlage auch auf Strom beziehen, der außerhalb des Geltungsbereichs des EEG (z.B. in Österreich, Tschechien, Frankreich oder Niederlande) erzeugt worden ist, nach Deutschland exportiert und hier verbraucht wird.

EEG-Fördersystem – keine Preisregulierung sondern eine Steuer

Aus Europarechtlicher Perspektive kommen noch einige Aspekte hinzu. Auch nach Auffassung der EU-Kommission ist das EEG-Fördersystem eine finanzielle Unterstützung aus staatlichen Mitteln. Der Staat verwaltet die EEG-Umlage, kontrolliert und steuert sie. Er interveniert sowohl auf der Ebene des Vorteils (Einspeisevergütung) als auch auf der Ebene der Finanzierung (Mechanismus der EEG-Umlage). Dies bedeutet, dass es sich beim EEG-Fördersystem nicht um eine Preis- und Mengenregulierung handelt, sondern um staatliche Mittel, die flächendeckend von allen letztverbrauchenden Stromkunden erhoben werden – also finanztechnisch um eine Steuer. Das deckt sich mit der Sicht von Schwintkowski, steht aber mit der in Deutschland durch BGH-Urteil  durchgesetzten Praxis, die EEG-Umlage sei keine Steuer sondern eine gesetzliche Preisregelung und sei deshalb von den Letztverbrauchern zu bezahlen, im Widerspruch. 

Verbotene Diskriminierung für importierten Grünstrom

Importierter Grün-Strom  wird in Deutschland verdeckt diskriminiert, da er  mit der EEG-Umlage belastet wird aber keine finanzielle Förderung erhält. Auch nach Meinung der Kommission ist das ein Verstoß gegen Art. 110 AEUV. Das ist gleichzeitig ein Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 34 AEUV), wie der EuGH schon 2001 im Fall PreussenElektra entschieden hat.

Video der Pressekonferenz mit Prof. Schwintowski und Care Energy; Martin Kristek, Inhaber und CEO der Care-Energy Gruppe

EEG-Fördersystem versus CO2-Emissionshandel

Im Hauptbericht2)  wird von Schwintowski unter Abschnitt V. 5. auch das Thema „EEG-Fördersystem  versus Emissionshandelssystem (ETS) “ ausführlich behandelt. So stellt er fest, dass durch das EEG-Fördersystem die definierten Einsparziele für die CO2-Reduktion nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa übererfüllt werden. Die Folge davon sind sinkende Preise für CO2-Zertifikate, da die CO2 verursachende Industrie keinerlei Anlass mehr hat, CO2  einzusparen. Die Einsparungen sind bereits durch den EEG-Fördermechanismus  erfolgt. Das Zusammenspiel EEG-Fördersystem und dem ETS bewirkt, dass sich beide Systeme gegenseitig tendenziell aufheben. Auch die Monopolkommision ist der Auffassung, dass in Bezug auf den europäischen Zertifikatehandel das deutsche Ziel zur Einsparung von Treibhausgasen redundant ist. Statt der Klimaschutzwirkung werden durch das EEG 2014 hohe Kosten für die Volkswirtschaft verursacht, während gleichzeitig Länder der EU, die keine vergleichbare Förderung haben, indirekt durch die deutsche Förderpolitik entlastet werden.

Das ausführliche  44-seitige Gutachten geht unter Würdigung hunderter Literaturstellen sehr detailliert auf alle verfassungs- und europarechtlichen  Aspekte ein, die bei der Auslegung und Wirkung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu berücksichtigen sind. In der folgenden Presseinformation3) „Mängel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Bezug auf Verfassungs- und Europarecht“  hat Schwintowski  das Gutachten zusammengefasst.

I. Verfassungsrechtliche Perspektive

1.     Die EEG-Umlage belastet alle privaten und gewerblichen Letztverbraucher. Der Kreis der Stromverbraucher ist völlig konturenlos und geht in der Allgemeinheit der Steuerzahler auf.

2.     Funktional handelt es sich bei der EEG-Umlage um eine Gemeinlast, die alle Stromverbraucher und damit praktisch alle Bürger/innen betrifft.

3.     Im Gegensatz zur Auffassung des BGH handelt es sich bei der EEG-Umlage nicht um eine gesetzliche Preisregelung. Die EEG-Umlage reguliert nicht den Preis auf irgendeinem der Energiemärkte. Sie ist vielmehr der Jahresdurchschnitt der zusätzlichen Kosten, die für die Bereitstellung Erneuerbarer Energien pro kWh anfallen.

4.     Wäre die EEG-Umlage tatsächlich eine Preisfestsetzung für Strom, ganz gleich ob es sich dabei um einen Höchst- oder eine Mindestpreis handeln würde, so wäre diese Preisfestsetzung europarechtswidrig und folglich nichtig, denn seit der Marktöffnung im Jahre 1998 ist der Wettbewerb um den Strompreis in Europa ausdrücklich frei (Artt. 119, 120 AEUV)4).

5.     Die EEG-Umlage, die jährlich einmal durch die Bundesnetzagentur festgelegt wird, ist nur ein Rechnungsposten des Gesamtstrompreises, der das Produkt (Strom) belastet, aber nicht den Endpreis reguliert. Anders als bei einer typischen Preis- und Mengenregulierung schafft die EEG-Umlage überhaupt erst Angebot und Nachfrage, die es ohne den gesetzgeberischen Eingriff nicht gäbe. Der Gesetzgeber gibt also die Art der Produkte (Grün-Strom) und die darauf bezogene Nachfragepflicht gesetzlich vor. Das aber ist keine Preisregelung sondern staatlich initiierter Mittelfluss, der den Markt für Grünstromanlagen entstehen lässt und ihn zugleich auf den Schultern aller Letztverbraucher, d.h. der Allgemeinheit, gegenfinanziert.

6.     Das einzig zulässige Finanzierungsinstrument für einen solchen staatlich gelenkten Mittelfluss ist, wie das Bundesverfassungsgericht vor über 20 Jahren bereits im Kohlepfennigbeschluss festgestellt hat, die Steuer.

7.     Trifft diese Analyse zu, so wäre das derzeitige EEG-System verfassungswidrig und müsste in ein steuerfinanziertes System überführt werden.

8.     Dabei müsste eine Amortisationsklausel eingeführt werden, um zu vermeiden, dass EEG-Anlagen auch dann noch finanziell gefördert werden, wenn sie längst amortisiert sind (PV-Anlagen sollen in den Jahren 2009 bis 2011 eine Eigenkapitalrendite von 30% und sogar teilweise von 50% erzielt haben: Andor/ Frondel/ Sendler in ZEnergieWirtsch (2015), 39: 253, 259).

9.     Außerdem darf eine Förderung nicht mehr erfolgen, wenn die Erzeugung längst marktfähig möglich ist. Marktfähig ist ein System dann, wenn der erzeugte Strom zu auskömmlichen Marktpreisen verkauft werden kann. Die finanzielle Weiterförderung einer marktfähigen Erzeugungsart verstößt gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil eine solche Förderung nicht mehr erforderlich ist. Wird eine Anlage trotz Marktfähigkeit gefördert, so läge hierin zugleich eine unzulässige Beihilfe (Artt. 107, 108 AEUV) und ein Verstoß gegen das Prinzip des freien, unverfälschten Wettbewerbs (Artt. 119, 120 AEUV).

10.  Das Fördersystem müsste außerdem dem Grundsatz der Rechtssicherheit entsprechen, also für alle Beteiligten und Betroffenen klar, bestimmt und vorhersehbar sein. Diesen Anforderungen genügt das EEG 2014 nicht. Während der Geltungsbereich des EEG (§ 4) Anlagen, die grünen Strom erzeugen, umfasst, soll sich die EEG-Umlage auch auf Strom beziehen, der außerhalb des Geltungsbereichs des EEG (z.B. in Österreich, Tschechien, Frankreich oder Niederlande) erzeugt worden ist. Außerdem enthält das EEG 2014 keine Verpflichtung der Letztverbraucher die EEG-Umlage zu bezahlen. Es ist also in zwei grundlegenden Fragen unklar und widersprüchlich. 

11.  FAZIT: Das Bundesverfassungsgericht sollte das gesamte EEG-System und Teile daraus mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nichtig erklären (§§ 31 Abs. 2, 78, 95 Abs. 3 BVerfGG).

II. Europarechtliche Perspektive

1.     Auch nach Auffassung der Kommission ist das EEG-Fördersystem eine finanzielle Unterstützung aus staatlichen Mitteln. Der Staat verwaltet die EEG-Umlage, kontrolliert und steuert sie. Er interveniert sowohl auf der Ebene des Vorteils (Einspeisevergütung) als auch auf der Ebene der Finanzierung (Mechanismus der EEG-Umlage). Dies bedeutet, dass es sich beim EEG-Fördersystem nicht um eine Preis- und Mengenregulierung handelt, sondern um staatliche Mittel, die flächendeckend von allen letztverbrauchenden Stromkunden erhoben werden – also finanztechnisch um eine Steuer.

2.     Importierter Grün-Strom (z.B. aus Österreich oder Schweden) wird im deutschen EEG-System versteckt diskriminiert, da der ausländische Grün-Strom mit der EEG-Umlage belastet wird, aber an der finanziellen Förderung nicht teilnimmt. Das verstößt, auch nach Meinung der Kommission, gegen Art. 110 AEUV.

3.     Grün-Strom aus anderen Mitgliedstaaten wird mit der EEG-Umlage belastet, nimmt aber an der Förderung des EEG nicht teil. Darin liegt ein Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 34 AEUV). Das hat der EuGH bereits im Jahre 2001 im Fall PreussenElektra entschieden. Allerdings kann ein nationales Fördersystem für Erneuerbare Energien ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn es verhältnismäßig, also geeignet und erforderlich ist sowie dem Grundsatz der Rechtssicherheit entspricht, also so klar und so bestimmt formuliert ist, dass die Anwendung für den Einzelnen vorhersehbar ist (EuGH Ålands).

4.     Die Tatsache, dass die Förderung Erneuerbarer Energien europaweit noch nicht harmonisiert ist, rechtfertigt Verstöße gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) nicht.

5.     Eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit kann auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, die Mitgliedstaaten benötigten nationale Förderregelungen, um die Wirkungen und Kosten des Fördersystems kontrollieren und das Vertrauen der Investoren erhalten zu können. Beide Argumente spielen nach Art. 36 AEUV keine Rolle.

6.     Internationale Umweltverpflichtungen der Union sind keine Rechtfertigungsgründe für die Verletzung der Warenverkehrsfreiheit (Art. 36 AEUV). Das gleiche gilt für die faire und angemessene Aufteilung (Burden-Sharing) zur Erfüllung dieser Verpflichtungen der Union.

7.     Deutschland hat sich gegenüber der EU verpflichtet bis 2020 18% der Bruttoendenergie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Dieser Zielwert wurde bereits im Jahre 2015 deutlich überschritten und liegt heute bei etwa 34%. Konsequenz: Da Deutschland ausländischen Grünstrom nicht fördert, liegt in dieser Überschreitung des Zielwertes eine im Rahmen von Art. 34 AEUV nicht mehr rechtfertigungsfähige Diskriminierung ausländischer Grünstrom-Erzeuger.

Der EuGH hat im Fall PreussenElektra und im Fall Ålands bestätigt, dass die Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung des jeweils verfolgten Ziels erforderlich ist. Schon Generalanwalt Jacobs hat im Jahre 2000 gefragt, „warum in anderen Mitgliedstaaten erzeugter Grün-Strom nicht im gleichen Maße zur Verringerung des Abgasausstoßes beiträgt“ wie Grün-Strom aus Deutschland.

8.     Die Beschränkung des freien Warenverkehrs ist aber auch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Erzeugungsanlagen bereits amortisiert sind.

9.     Das gleiche gilt, wenn die Erzeugung grünen Stroms marktfähig ist, also keiner Förderung mehr bedarf.

10.  Das nationale EEG-Fördersystem verstößt außerdem gegen das europäische Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil sich das EEG-Fördersystem mit dem Emissionshandelssystem gegenseitig aufhebt. Darauf hat die Monopolkommission schon 2013 hingewiesen. Die Klima- und Umweltschutzziele, die das EEG verfolgt, laufen leer. Statt einer Klimaschutzwirkung werden durch das EEG 2014 „hohe Kosten für die deutsche Volkswirtschaft verursacht, während gleichzeitig Länder innerhalb der EU, die keine vergleichbare Förderung haben, indirekt durch die deutsche Förderpolitik entlastet werden“. Rechtlich bedeutet dies, dass die Förderung durch das EEG aus der Perspektive des europäischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erforderlich ist. 

11.  FAZIT: Die Erzeuger grünen Stroms aus anderen Mitgliedstaaten haben Anspruch auf die EEG-Umlage ebenso wie inländische Erzeuger. Dies ist eine unmittelbare Folge aus der Anwendung des Art. 34 AEUV, auf die sich jeder Grünstrom-Erzeuger des europäischen Auslandes vor nationalen Gerichten berufen und die Vorlage an den EuGH (Art. 267 AEUV) verlangen kann. Zugleich bedeutet dies, dass die beihilferechtliche Freistellung, die die Kommission dem EEG 2014 gewährt hat, sich auch auf Erzeuger grünen Stroms in anderen europäischen Mitgliedstaaten erstreckt.

Literatur

1) Humboldt-Universität zu Berlin, Juristische Fakultät; Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht; Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V. (EWeRK)

2) http://www.presseportal.de/pm/80959/3254032, demnächst Veröffentlicht in EWeRK-Feft 2/2016

3) http://www.presseportal.de/pm/80959/3254032

4) AEUV – Vertrag über die Arbeitsweise der EU 

Das Gutachten und den Kurzbericht können Sie im Original als pdf im Anhang herunterladen.

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