Auch von Deutschland aus ist der gewaltige Kühlturm mit der noch gewaltigeren Dampfwolke darüber von weitem zu sehen. Sicherlich zum großen Ärger der Baden-Württemberger „Grünen“. Zum Kühlturm fallen einem gleich zwei Fragen ein, erstens, warum dort, und zweitens, warum überhaupt. Das Kraftwerk liegt am hier schon recht mächtigen Rhein; würde der nicht zur Kühlung reichen? Schon, aber nicht für 2 Kraftwerke, und ein zweites war geplant.

Man ging nicht nach der Regel vor, wer zuerst kommt, kühlt zuerst, sondern errichtete den Kühlturm und wollte den Rhein dann dem zweiten Kraftwerk überlassen, das aber nie gebaut wurde. Rheinwasser braucht das Kraftwerk trotzdem, denn die gewaltige Dampffahne trägt viel Wasser aus, das ersetzt werden muss.

Aber warum überhaupt werden zwei Drittel der erzeugten Energie im Kühlturm verschwendet, und nur ein Drittel wird zu elektrischer Energie? Als die ersten Dampfmaschinen mit ihrem kläglichen Wirkungsgrad gebaut wurden, haben manche Techniker vielleicht gehofft, den Wirkungsgrad immer weiter steigern zu können, bis sich schließlich die Wärme fast vollständig in nützliche Arbeit umwandeln ließe. Diesen Zahn hat ihnen schon 1824 ein damals erst 28 Jahre alter Franzose gezogen, mit Namen Sadi Carnot. Er konnte rein theoretisch beweisen: Ein höherer Wirkungsgrad als (T1 – T2): T1 ist nicht möglich. T bedeutet absolute Temperatur, also Celsiusgrade +273°, T1 ist die Frischdampf- und T2 die Kondensatortemperatur. Z.B. hat man bei einer Dampftemperatur von T1 = 600 K = 327°C und einer Kondensatortemperatur von 300 K = 27°C einen Wirkungsgrad von 0,5. Dazu kommen noch technische Verluste, daher der bescheidene Wirkungsgrad des KKW Leibstadt von 0,35. Carnots Formel zeigt: Heißer wäre besser, das traut man sich bei Kohlekraftwerken.

Wer an einer Gruppenführung durch ein Kraftwerk teilnimmt, an sich keine Ahnung hat, aber vor den anderen Teilnehmern als Experte erscheinen möchte, sollte die Angabe über die erzeugte elektrische Leistung in Frage stellen: „Es stimmt doch nicht, dass Sie so viel Energie ins Netz einspeisen!“ Dann gibt ihm die Führerin bzw. der Führer Recht, tatsächlich muss der erhebliche Eigenverbrauch abgezogen werden. Der ist, ob Kern- oder Kohlekraftwerk, immer enorm. Im KKW Leibstadt sind es 55 MW (Megawatt), damit würde eine Kleinstadt auskommen. Es bleiben für das Netz aber 1200 MW. Was ist das in Geld? 1.200 MW sind 1.200.000 kW. Das Kraftwerk erhält für die Kilowattstunde etwas über 5 Rappen, also grob 5 Cent. Das sind dann 6.000.000 Cent = 60.000 € pro Stunde! Kein Wunder, dass man unsere Besuchergruppe ordentlich bewirten konnte, zumal dieser Geldsegen 24 Stunden pro Tag und bis auf eine kurze Unterbrechung an jedem Tag des Jahres anfällt.

„Grüne“ behaupten, das wären bei weitem nicht die wahren Erzeugungskosten, die Volkswirtschaft würde enorm durch verdeckte Kosten belastet. Dank der Österreicher lässt sich diese Behauptung leicht überprüfen. Ihr einziges KKW haben sie nie in Betrieb genommen und sind damit die ideale Vergleichsgruppe.

Die Schweiz ist bezüglich Wind- und Solarstrom noch nicht sehr geschädigt. Daher kann das Kraftwerk ständig mit voller Leistung laufen, es gibt nichts auszuregeln. Zusätzlichen Strom nach Bedarf liefern die Wasserkraftwerke. Man hat sich das früher noch idealer vorgestellt: Kernenergie würde auch Wasserkraft überflüssig machen. So gut ist die Überflutung von Alpentälern nämlich nicht. Aus meiner Schulzeit ist mir eine eindrucksvolle Geschichte in Erinnerung, die wir im Deutschunterricht gelesen haben. Die Überflutung wurde da als großes Unglück dargestellt, vor allem für den Bauern, der in diesem Tal seinen abgelegenen Hof bewirtschaftet hatte. Die großzügige Abfindung konnte ihn nicht trösten, er nahm sich das Leben. Seine Leiche wurde an der Staumauer angeschwemmt, zusammen mit den vielen ertrunkenen Tieren.

Ich bin kein Kerntechniker und kann daher nichts zu der Frage sagen, welcher Reaktortyp der Geeignetste ist. Vom Standpunkt meines Faches, Radioaktivität und biologische Strahlenwirkungen, erscheint mir der Siedewassertyp in Leibstadt nicht als der Beste. Der Dampf aus dem Reaktor strömt direkt durch die Turbinen und bringt einiges an Radioaktivität mit. Es sind nicht immer alle Brennstäbe ganz dicht und der gewaltige Neutronenfluß erzeugt weitere radioaktive Stoffe, Cobalt 60 zum Beispiel, und vor allem macht er aus dem Wasserstoff im H2O das radioaktive Tritium. Somit gehört das Maschinenhaus zum radioaktiven Bereich, was beim Druckwasserreaktor nicht der Fall ist.

Aber das Kraftwerkspersonal kommt mit dieser Situation gut zurecht. Nach Strahlenschutzverordnung darf die Dosis beruflich strahlenexponierter Personen höchstens 20 Millisievert (mSv) pro Jahr betragen. So viel bekommen die Bewohner von Menzenschwand im Schwarzwald von Natur aus ab, und an vielen Stellen der Welt noch wesentlich mehr. Im Kernkraftwerk Leibstadt hat man den Wert noch halbiert und 10 mSv als eigenen Grenzwert eingeführt, weil die Leute auch damit ihre Arbeit machen können.

Für die Schweiz ist das Kraftwerk ein Segen, noch mehr für die Menschen in der unmittelbaren Umgebung, und auch für die Deutschen, welchen unsere Strahlenhysterie ihre hiesigen Jobs gekostet hat, die jetzt aber im KKW Leibstadt ihr Brot und noch einiges mehr verdienen.

Die Besichtigung war leider, aber doch verständlicherweise, nur im inaktiven Bereich. Als zweiten Programmpunkt hielt Herr Dr. Rüegg einen hervorragenden Vortrag mit dem Titel: „Radioaktivität – überschätzte oder unterschätzte Gefahr?“ Ausarbeitungen dieses Vortrages werden über das Internet verbreitet.

Hannover, den 30.03.2015

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