Bis zur Krise um die Ukraine gab es in Deutschland die Tendenz, engere Bindungen mit Russland einzugehen. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder steht Wladimir Putin nahe (er hat den russischen Einmarsch in der Ukraine mit dem NATO-Einmarsch in Serbien in den neunziger Jahren verglichen) und ist Vorsitzender der Gazprom Joint-Venture-Pipeline Nord Stream. Im Jahre 2012 hat Russland 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland gepumpt, was 28% der in die EU gelieferten Menge von 105,5 Milliarden Kubikmeter ausmachte.

Lässt man die Freundschaften mal außen vor, waren die wichtigsten Treiber der energiebezogenen Außenpolitik Deutschlands die Grünen. Andere Nationen, die sich überlegen, Innen- oder Außenpolitik durch Umweltaktivisten bestimmen zu lassen, würden sehr gut daran tun, genau zu betrachten, wohin Deutschlands Umgarnen der Umweltbewegung geführt hat.

Die deutschen Grünen traten als politische Kraft erstmals Ende der siebziger Jahre in Erscheinung, also in einer Zeit akuter Ost-West-Spannungen. Als Antwort auf die sowjetischen SS-20-Raketen hatte die NATO beschlossen, Pershing-Raketen in Deutschland zu stationieren. Ob nun absichtlich oder nicht, jedenfalls haben die Protestierer sehr gut die Arbeit des Kremls erledigt, die atlantische Allianz zu spalten.

Die Proteste wandelten die deutsche Linke in die Stimme eines radikalen Umweltaktivismus’ – eine historische Verschiebung. Altnazis und Neonazis waren bis dahin die Träger der ökologischen Politik Deutschlands, wurden aber nach Hitlers Niederlage marginalisiert. Der deutsche Umweltaktivismus war antidemokratisch und antikapitalistisch. Die Nazis waren die grünste Partei Europas, die Gesetze zu erweitertem Schutz der Wälder und gegen Tierversuche auf den Weg gebracht haben, während sie abscheuliche Experimente an Menschen durchführten.

Im Oktober 1980 formierten sich die Grünen als Partei und traten zu politischen Wahlen an. 18 Jahre später traten sie in eine rot-grüne Koalition ein mit der links der Mitte positionierten SPD. Im Jahr 2000 propagierten sie erfolgreich den allmählichen Rückzug aus der Kernkraft.

Der größte Triumph der Grünen kam mit der Energiewende* in Deutschland, also dem Übergang zu erneuerbarer Energie. Diese Politik ist eine unergründlich tiefe Goldgrube für Gazprom. Sie bedeutet, dass Deutschland mehr und immer mehr russisches Gas kaufen wird, weil sich das Land nicht auf Strom aus unzuverlässigen Quellen wie Wind und Solar verlassen kann, um die Lichter nicht ausgehen zu lassen.

[*Das Wort Energiewende steht so kursiv gesetzt im Original. A. d. Übers.]

Die Entwicklung der Grünen hatte gewaltige Auswirkungen auf die deutsche und die europäische Politik. Aber nicht alle europäischen Länder sind hinsichtlich der Abhängigkeit von russischem Gas so enthusiastisch oder naiv willfährig. Einige Länder schauen nach Amerika für Alternativen.

Russland deckt etwa ein Drittel des Gasbedarfs der EU, aber das Verhältnis steigt, je weiter man nach Osten kommt. Die Baltischen Staaten und Bulgarien decken ihren gesamten Gasbedarf aus Russland. Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn beziehen etwa 50% ihres Gasbedarfs aus Russland. Diese Länder agieren als die vier Visegrad-Länder und haben immer gegen deutsche Versuche opponiert (unterstützt von UK und Frankreich), die aggressive Dekarbonisierungs-Politik EU-weit zu institutionalisieren.

Anfang dieses Monats haben die Premierminister der Visegrad-Länder Russlands Aktionen in der Ukraine verurteilt und gesagt, dass Russland „eine gefährliche neue Realität in Europa schafft“. Der polnische Premier Donald Tusk warnte, dass Europa das Risiko einer Paralyse eingeht, wenn eine „exorbitante“ Klimapolitik die EU immer stärker von russischem Gas abhängig macht. Die Botschafter der vier Länder sind bei Führern des US-Kongresses vorstellig geworden und haben darum ersucht, das Exportverbot von Erdgas aus den USA aufzuheben.

Inzwischen gibt es über ein Dutzend Pipelines, die Europa mit russischem Gas versorgen, und da der Gaspreis überwiegend an den Rohölpreis gekoppelt ist, ist der Gaspreis stark gestiegen. Und doch zögert Präsident Obama, die Keystone-XL-Pipeline zu genehmigen und verhält sich passiv im Hinblick auf die europäischen Bitten um amerikanisches Gas.

Die Öffnung der europäischen Märkte für amerikanisches Gas würde helfen, den Klammergriff von Gazprom auf die Länder zu erschüttern, die zumeist von Russland abhängig sind. Mr. Obama muss die Grünen in seiner eigenen Partei zurückstutzen und die reichlichen Öl- und Gasvorräte der USA der Welt anbieten.

Mr. Darwall ist Autor von “The Age of Global Warming: A History” (Quartet, 2013).

Link (paywalled): http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702304747404579444901610420082#printMode

Übersetzt von Chris-Frey EIKE

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