Das Energie-Effizienz-Paradoxon

Warum die „grüne“ Technik nicht zu vermindertem Energieverbrauch führt.

Ronald Bailey, November 2012
Die Autohersteller arbeiten seit Jahrzehnten an der Verbesserung der Treibstoff-Effizienz. Warum aber haben unsere heutigen Autos keine besseren Verbräuche pro zurückgelegten Kilometern? Hinter dieser Frage verbirgt sich ein faszinierendes Paradox über den Energieverbrauch.
In einer Studie des MIT-Wirtschaftswissenschaftlers Christopher Knittel in der American Economic Review (Dezember 2011) steht, dass sich seit 1980 der durchschnittliche Treibstoffverbrauch amerikanischer Fahrzeuge nur leicht verbessert hat, von 10,2 auf 8,7 Liter/100Km. Knittel entdeckte aber auch, dass sich die Treibstoff-Effizienz – die Leistungsmenge, die eine Maschine pro Treibstoff-Einheit erzeugt – um 60 Prozent erhöht hat. Die Erklärung: Autos und Lkws sind größer und stärker geworden: Das Durchschnittsgewicht von Pkws hat sich um 26 % seit 1980 vergrößert, die Motorkraft wurde um 107 Prozent gesteigert. Der Großteil des Gewinns an Treibstoff-Effizienz ist von der Vergrößerung der Fahrzeuge und der Motorstärke aufgefressen worden.
 
Erhöhte Energie-Effizienz wird von größeren und stärkeren Autos aufgefressen.
Autos sind nicht die einzige Kategorie, wo sich höhere Effizienz nicht in verminderten Energieverbrauch umgesetzt hat. Die Effizienz der Beleuchtung wurde in den vergangenen drei Jahrhunderten um ein Vieltausendfaches erhöht, vom Kerzenschein hin zu modernen LEDs, wie Jeff Tsao und seine Kollegen vom Sandia National Laboratory in der Zeitschrift Energy Policy (Juli 2012) feststellten. Aber das Ergebnis

“ist eine Zunahme der Energienachfrage für Beleuchtung, die fast genau die Verbesserung der Effizienz-Gewinne ausmacht.”

Die Autoren schreiben,

“wenn die Beleuchtung billiger wird, werden die in der Wirtschaft Tätigen sehr kreativ beim Erfinden neuer Nutzungs-Möglichkeiten,“

wie z. B. die Beleuchtung von Bürodecken mit künstlichen Himmeln aus LEDs. Für die kommenden Jahrzehnte sagen Tsao et al. vorher, dass die zunehmende Nachfrage für Beleuchtung jegliche weiteren Effizienzgewinne auffressen wird.
In einer anderen jüngeren Studie, veröffentlicht im Journal Sustainability (Juli 2012), hat Graham Palmer, Technischer Leiter einer Australischen Heizungs- und Kühlungsfirma, die Trends während der letzten 50 Jahre für Melbourne in der Effizienz der Raumheizung angeschaut. Moderne Häuser haben laut Palmer eine um das Zehnfache gesteigerte Energie-Effizienz, trotzdem verbrauchen die Australier heute insgesamt fast genau so viel Energie für die Heizung ihrer Häuser wie vor einem halben Jahrhundert. Warum? Die neuen Häuser sind viel größer, die Menschen heizen größere Räume über längere Zeiträume und in jeder Behausung leben weniger Menschen. Natürlich haben es die modernen Australier im Winter viel bequemer als ihre Großeltern. 
Gleichermaßen wurde in einer Studie der U.S. Environmental Protection Agency (2006) festgestellt, dass Häuser in Phoenix, Arizona, die den „Energy Star“ der EPA erhielten, 12 Prozent mehr Energie verbrauchten als Häuser ohne diese Qualifikation. Die Bewohner von Energy-Star-Häusern verbrauchen 16 Prozent weniger Energie pro Quadratfuß Wohnfläche, aber sie verschleudern die Gewinne durch größere Häuser. 
Dieser “Rückschlag-Effekt” birgt wichtige Implikationen für alle Bemühungen, den Klimawandel durch Verbrauchseinschränkung aufzuhalten. In vielen Studien wird die Meinung vertreten, Effizienz-Verbesserungen würden den Energieverbrauch derart senken, dass die globalen CO2-Emissionen um 25 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahrzehnte vermindert würden. Das ist aber ein hoch kontroverses Thema unter den Gelehrten.
In einem Artikel in Science (2007) haben die Forscher Robert Socolow und Stephen Pacala von der Princeton University errechnet, dass sieben “Stabilisierungs-Hemmschuhe” den Anstieg der globalen CO2-Konzentration auf den zweifachen Wert im Vergleich zur prä-industriellen Höhe verhindern könnten.

„Verbesserungen in der Effizienz und Verbrauchseinschränkung bieten wahrscheinlich das größte Potenzial,“

argumentierten sie. Ein einziger Hemmschuh (gleich einem Siebtel der notwendigen Reduzierung) könnte eingezogen werden, entweder durch Verdoppelung des Liter-Verbrauchs/100Km der prognostizierten 2 Mrd. Autos oder durch Halbierung der Entfernungen, die sie pro Jahr zurücklegten. Ein weiterer Hemmschuh könnte nach Ansicht der Forscher eingezogen werden durch die Anhebung der Effizienz der kohlebefeuerten Kraftwerke von 40 auf 60 Prozent.
Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Michaels von der California State University in Fullerton greift in einem neuen Bericht mit dem Titel “Das Dilemma des Rückschlags” für das Marketing Institute for Energy Research (IER) das Denken an, das hinter den Vorstellungen von Verbrauchseinschränkungen steht. Michaels‘ Analyse teilt die Rückschlagwirkungen in vier Kategorien ein: direkte, indirekte, unsichtbare, gesamtwirtschaftsbezogene Rückschläge. 
Der Fall mit den Heizungen in Melbourne illustriert den direkten Rückschlags-Effekt: Bessere Dämmung und wirksamere Heizungen haben den Energieverbrauch nicht vermindert, weil die Menschen die Gewinne für größere, wärmere Häuser verbraten haben. Noch ein Beispiel: Wenn der Durchschnittsverbrauch der Autos pro 100Km sinkt, wird das Autofahren billiger und die Menschen fahren mehr. Ein indirekter Rückschlag stellt sich ein, wenn die Verbesserungen der Wirksamkeit die Herstell-Produktivität anderer Güter erhöhen und dadurch die Nachfrage nach Energie erhöhen. So steigt beispielsweise die Nachfrage nach Autoreifen an, wenn die Menschen mit ihren energie-effizienten Autos mehr fahren, was erhöhten Energieverbrauch bei den Reifenherstellern erzeugt.
Unsichtbare Energie ist die Energie, die benötigt wird, um energie-effiziente Güter herzustellen, wie z. B. hochwirksame Wärmedämmungen.
In den gesamtwirtschaftsbezogenen Rückschlägen sind indirekte und unsichtbare Energierückschläge enthalten. Sie ergeben sich aus der Art und Weise, wie die Menschen ihre Ersparnisse beim Energieverbrauch einsetzen, um andere Güter und Dienstleistungen einzukaufen, die ebenfalls Energie bei ihrer Herstellung verbrauchen.
Die Befürworter der Verbrauchseinschränkungen meinen, dass die Rückschlagswirkung oft viel geringer wäre, als die durch die erhöhte Effizienz eingesparte Energie. In einem Klassiker, einer Studie im Energy Journal (1992) von David Greene, einem Umwelt-Ingenieur am Oak Ridge National Laboratory, wird gesagt, dass die direkte Rückschlagswirkung von erhöhter Effizienz beim Autotreibstoff den Energieverbrauch um 5 bis 15 Prozent erhöhte, weil die Menschen um diesen Betrag mehr Auto führen. Die neue MIT Studie meint dagegen, dass der Großteil der Erhöhung der Treibstoff-Effizienz während der vergangenen Jahrzehnte von größeren und stärkeren Autos aufgefressen worden wäre, ein Phänomen, das Greene nicht berücksichtigte.
Die Sichtung der Forschungen zum Rückschlags-Effekt im Zusammenhang mit der Energie-Effizienz in Verbraucherhaushalten hat unterschiedliche Ergebnisse gezeigt. Ein rascher Blick auf die Zahlen beweist aber eine direkte Rückschlagsrate um die 30 Prozent. Wenn ein Gerät mit einem Monatsverbrauch von 100 Kwh durch ein anderes ersetzt wird, das nur 50 Kwh verbraucht, dann bedeutet ein 30-Prozent-Rückschlag, dass der Energieverbrauch nicht auf 50 Kwh absinkt sondern auf 65 Kwh (30 Prozent mehr als 50). Eine Gesamtverminderung um 35 Kwh also. Immer noch günstig, weil der Verbraucher einen gleichwertigen oder höheren Vorteil von dem neuen Gerät hat und Strom spart. 
Die gesamtwirtschaftsbezogenen Rückschläge können nur unter größeren Schwierigkeiten errechnet werden. Das durch das Fahren eines Treibstoff-effizienten Autos gesparte Geld z. B. könnte vielleicht nicht für einen Urlaubsflug an einen karibischen Strand verbraucht werden. Gesamtwirtschaftliche, sich aufaddierende indirekte Rückschlagswirkungen könnten zu einem noch höheren Energieverbrauch führen, wenn das Netto-Ergebnis der erhöhten Energie-Effizienz ein höherer Verbrauch ist.
In der IER-Studie zitiert Michaels 11 wirtschaftswissenschaftliche Analysen, die gesamtwirtschaftliche Rückschläge enthielten in Größenordnungen zwischen 23 Prozent bis 177 Prozent; fünf Studien berichteten von gesamtwirtschaftlichen Rückschlägen von über 100 Prozent. Mit anderen Worten: das Ergebnis auf längere Sicht ist höherer Energieverbrauch.
Das Ende vom Lied aller dieser Studien ist, dass Vorschriften für Energie-Effizienz die erhofften Erwartungen hinsichtlich einer Abschwächung des menschengemachten Klimawandels nicht erfüllen werden. Michaels schlussfolgert:

“Anstatt auf Energie-Effizienz-Vorschriften zu setzen sollte die Energiepolitik auf Marktpreise setzen und durchschlagende Innovationen für den hochwertigsten Einsatz von Energie.”

Schlussendlich ist das Argument für verbesserte Energie-Effizienz nicht die Verhinderung des Verbrauchs von Energie sondern die Erhöhung der Produktivität als Mittel zur Deckung der Nachfrage der Menschen nach mehr Gütern und Dienstleistungen.
Ronald Bailey ist Wissenschaftskorrespondent beim Magazin Reason und der Aitpr vom Liberation Biology (Prometheus).
Übersetzung: Helmut Jäger, EIKE
Original hier
Daten zu Roland Bailey hier

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