Beeindruckende Einsparpotentiale?

„Gerade die Außenwanddämmung ist eine ganz entscheidende Maßnahme zur Energieeinsparung, Komfortsteigerung und Wohnwertverbesserung“, behauptete die Deutsche Energieagentur (Dena) kürzlich unter dem Titel „Einsparpotential in unsanierten Gebäuden beeindruckend hoch“. Stimmt das? Der Verein Hausgeld-Vergleich, eine Schutzgemeinschaft für Wohnungseigentümer und Mieter, wollte das genauer wissen und fragte die Dena, das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU) sowie Gerd Hauser vom Institut für Bauphysik der Fraunhofer-Gesellschaft (IBP) nach „Langzeitstudien der realen Energieeinsparung nach Wärmedämmmaßnahmen an Bestandsimmobilien“.

Das IWU antwortete: „Da hier dringender Forschungsbedarf besteht, sind wir bemüht, bei Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung weiterführende Untersuchungen durchzuführen.“ Stephan Kohler, Geschäftsführer der Dena, verwies auf die wissenschaftliche Auswertung an „mehr als 330 Gebäuden“, die für Mehrfamilienhäuser gezeigt habe, daß „eine warmmietenneutrale Sanierung mit rund 70 Prozent Einsparungen möglich ist“. Echte Verbrauchsdaten lägen aber noch nicht vor. Alle Prognosen sind nur Computersimulation. Vom Bauphysikprofessor Hauser kam nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

 

Bild: Unansehnliche gedämmte Häuserfassaden mit Algen- und Schimmelbefall:

Durch die alltägliche Lüftung von Haus und Wohnung gelangen gefährliche Sporenträger in die Raumluft, dort können sie verschiedene Atemwegserkrankungen auslösen

Gibt es vielleicht keine belastbaren Verbrauchswerte, die in irgendeiner Weise die Einsparwirkung von Dämmfassaden belegen? Der gegenteilige Effekt ist hingegen belegt: 1996 veröffentlichte das Hamburger Gewos-Institut die Langzeitstudie „Heizenergieverbrauch von Mehrfamilienhäusern im Vergleich“, die den Verbrauch an 47 gedämmten und ungedämmten Wohngebäuden dokumentierte. Das Ergebnis lautete: „Trotz höherer Wärmedurchgangskoeffizienten für die Außenwand und höherer km-Werte (Wärmedämmwert, heute mittlerer U-Wert) der Hüllflächen weisen die (…) Mehrfamilienhäuser mit monolithischem Außenwandaufbau einen niedrigeren Jahresbrennstoffverbrauch auf als die Gebäude mit zusätzlicher Dämmung der Außenwand.“

Gedämmte Häuser verbrauchen sogar mehr Heizenergie?

Ja, und das entspricht einer Langzeituntersuchung des IBP aus den achtziger Jahren, bei der die bis zu 23 Zentimeter dick gedämmten Versuchsbauten mehr und nicht weniger Heizenergie verbrauchten als die ungedämmten. Leider wurde der maßgebliche dritte Untersuchungsabschnitt bis heute geheimgehalten und erst diesen Herbst auszugsweise im Fachblatt Immobilienwirtschaft veröffentlicht. Auch Jens Fehrenberg vom Institut für Prüfung und Forschung im Bauwesen an der FH Hildesheim belegte an drei Wohnblöcken in Hannover dauerhaft ausbleibende Einspareffekte und sogar erhöhten Verbrauch durch Dämmung.

Grafik: JUNGE FREIHEIT nach Konrad Fischer, Datenquelle IBP-Untersuchung

Energiesparen durch die nachträgliche Fassadendämmung droht demnach zum Bumerang zu werden. Echte Spareffekte bei einer energetischen Sanierung stammen eher von der Heizungsmodernisierung. Noch schlimmer die rechtliche Situation: Da die nachträgliche Fassadendämmung eine wirtschaftlich akzeptable Zehn-Jahres-Amortisation fast nie erreicht, verstößt sie gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des Energieeinspargesetzes (EnEG). Dafür bietet die Energieeinsparverordnung (EnEV) die „Befreiung“. Wenn nun ein Planer oder Handwerker seinem Bauherrn dennoch unwirtschaftliche Energiesparkosten aufbürdet, droht Schadensersatz. Entsprechende Prozesse sind bereits anhängig.

Auch als Fassadenkonstruktion sind die sogenannten Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) problematisch. Mangels Wärmespeicherfähigkeit werden sie tagsüber sehr heiß und in der Nacht eisekalt. Die im Dämmstoff eindiffundierte Luftfeuchte kondensiert dann oder betaut seine – dank extremer Wärmedehnung – bald korrodierende Oberflächenbeschichtung. Das erfreut Schimmel und Algen. Deshalb werden WDVS-Beschichtungen systematisch pestizidbehandelt. Nach einiger Zeit werden die Giftstoffe aber ausgewaschen und gelangen ins Ab- und Grundwasser. Das Hannoversche Institut für Bauforschung (IFB) hat für die Dämmfassadenquadratmeter knapp zehn Euro mehr an jährlicher Instandhaltung ermittelt als für Putzfassaden auf Mauerwerk. Das soll klimagerechtes Sparen sein?

Viele Dämmfassaden sind zudem aus dem Verpackungsschaum Polystyrol, der mit dem giftigen Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan angereichert wird – das hilft im Ernstfall aber nur wenig. Eindrucksvolle Fassadenabbrände wie am 17. Juli dieses Jahres am Polat Tower in Istanbul, dessen 152 Meter hohe Dämmstoffassade in knapp vier Minuten abgefackelt war, zeigen die Gefahren. Auch hierzulande gibt es schon genug WDVS-Großbrände, teils mit tragischen Todesfällen, die den WDVS-Brandschutz ad absurdum führten.

Giftstoffe sollen Schimmel- und Algenbefall verhindern

Aktuell steht eine EnEG- und EnEV-Novelle an. Der Arbeitskreis „Richtig Bauen“ der vorgenannten Schutzgemeinschaft hat dazu nicht nur Stellung genommen, sondern gleich das vollständige Abschaffen dieser Volksverdummung gefordert. Der Bürger soll selber über die Energiesparmaßnahmen entscheiden, die er sich leisten will. Die über tausend Seiten Energiesparvorschriften im Behördenton, die mit der ins Ungeheuerliche aufgeblähten EnEV verbunden sind, kann sowieso niemand mehr lesen, geschweige denn sinnvoll befolgen.

Hier die  Stellungnahme des Arbeitskreises „Richtig Bauen“ zur EnEG/EnEV-Novellierung.

Weiterführend: Altbau und Denkmalpflege  Informationen

Konrad Fischer, Architekt

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