von Manfred Haferburg
Deutsche Ingenieurskunst brachte immer schon hervorragende Neuerungen der Technikgeschichte hervor.Ein gutes Beispiel ist die fliegende Badewanne, in der ein Jünger Otto Lilienthals eineinhalb Kilometer zum Bäcker fliegt, um ein Brötchen zu holen. Die begabten Jungs aus dem Video haben viel Spaß, wollen aber auch nicht unbedingt Luftfahrtgeschichte schreiben.
Das will schon eher die deutsche Firma Lilium: „At Lilium we’re advancing how the world moves“, darunter tun sie es nicht bei dem E-Flugtaxi:
Welt online begeistert: „Günstiger als ein Taxi? Lilium will für 1,16 Euro je Kilometer fliegen. „Im Zuge des anstehenden Börsenganges hat das Lufttaxi-Unternehmen neue Details zur Geschäftsidee veröffentlicht. Jetzt steht fest, wie teuer die Tickets werden, wann die Modelle wirklich starten – und wer die neuen prominenten Investoren sind. Einige Ziele wirken jedoch ambitioniert.” „Ambitioniert“ ist hier so etwas wie „Herausforderung“ – der neue politische Schwurbelismus für eine handfeste Krise.
Bis August ist die Kursnotierung an der US-Börse Nasdaq geplant. Der Ticketpreis für das Lilium-Flugtaxi wurde auch genannt: 2,25 Dollar pro Meile oder umgerechnet rund 1,16 Euro je Kilometer. Das wäre günstiger als eine Taxifahrt. Für Lililum geht es vor allem darum, weitere Investoren zu finden, die an das ambitionierte Vorhaben glauben und darauf vertrauen, dass sich das Unternehmen im Wettbewerb um Geld und Passagiere behauptet. Derzeit herrscht Goldgräber-Stimmung in dem neuen Markt. Wirklich real bei Lilium sind aber nur die schillernden Manager-Persönlichkeiten, die ihren Namen für diese neue Luftfahrtnummer hergeben, die stark an das Cargo-Lifter-Projekt erinnert. Immerhin ist die Cargo-Halle heute wenigstens ein Spaßbad. Die Investoren sind trotzdem geprellt und ihr Geld haben jetzt andere.
Lilium bietet den Hubschrauberflug der nächsten Generation an – voll elektrisch und voll leise. Das Lilium-Flugtaxi hat 36 ummantelte Elektro-Turbinen für den Schub. Sie seien insgesamt leiser als die offenen Rotoren bei der Konkurrenz, heißt es. Augenzeugen der Flugerprobung außerhalb des Unternehmens gibt es keine, ein Besuch der Flugtests wird Journalisten bisher nicht gewährt. Bis heute hat Lilium nur einen unbemannten Prototyp für einen kleinen Hopser in die Luft gebracht. Im Februar 2020 brannte ein Lilium-Prototyp am Boden ab. Das alles ficht die Großankündiger bei Lilium zwecks Geldeinsammeln von gutgläubigen Anlegern nicht an. Es gibt jede Menge wunderbare Computergrafiken des Wunderfluggerätes.
Wir rechnen mal kleinlich nach
Grundrechenarten? Fehlanzeige. Da wollen wir mal etwas kleinlich nachrechnen.
Die Lufttaxis sollen durchschnittlich 25 Flüge pro Tag mit durchschnittlich 100 Kilometer Distanzen bewältigen und dabei zehn Stunden fliegen… So, so.
Sagen wir mal, der Tag hätte ungefähr 24 Stunden. Das heißt, bei ununterbrochenem Einsatz von 25 Flügen wie angekündigt, bleibt pro Tag weniger als eine Stunde pro Flug von 100 km. Davon ist der Vogel mehr als eine halbe Stunde in der Luft. Bleiben ganze 30 Minuten zum Laden der Lilium-Batterien für den neuen Flug. Bei einem Besuch von Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Altmaier, Herr Söder war auch dabei, behauptete CEO Daniel Wiegand, dass dafür eine Ladezeit von 30 Minuten, bei den „neuen Batterien“ nur 15 Minuten benötigt würde. Steffen Seibert bei Twitter: „E-Mobilität auch in der Luftfahrt – beim Digitalgipfel beeindruckt das weltweit erste senkrecht startende und landende Jet-Flugzeug.“
Herr Söder hat ja schon reichlich Erfahrungen mit solchen Luftnummern. Wo der Strom herkommen soll, hat CEO Wiegand nicht gesagt. Und keiner der tief beindruckt dreinblickenden Politiker hat gefragt.
Es ist schon erstaunlich, wie gerne sich führende Politiker mit Luftnummern schmücken. Und überhaupt, tolle Batterien sind das. 15 Minuten Ladezeit für 300 km durch die Lüfte. Ist das mit oder ohne Sicherheitsreserve? Da kann die weltweite Autoindustrie noch was lernen. Besonders, wenn man bedenkt, dass für die gleiche Reichweite beim Fliegen im Vergleich mit dem Fahren der Energieverbrauch ungefähr beim Faktor fünf liegt.
Zwischen den Versprechungen und den Ergebnissen liegen Welten
Lilium soll fünf Personen mit einer Geschwindigkeit von 300 km/h über eine Strecke von 300 Kilometern befördern können?
Dazu braucht es ungefähr ein 1,5t Fluggerät, nämlich ca. 500 Kilogramm für Passagiere und Gepäck und etwa 500 Kilogramm für Zelle und Antrieb. Dazu muss von etwa einem Drittel Akkugewicht ausgegangen werden. Bei der heute verfügbaren Energiedichte von rund höchstens 240 Wh/kg, dem mit hohen Verlusten behafteten Antrieb mit kleinen Propellern und der energieintensiven Senkrecht-Start-Flugphase- und Landephase ergibt sich eine verfügbare Schwebeflugzeit von wenigen Minuten. Da bleibt nicht mal Zeit für den extrem schwierigen Übergang vom Senkrechtstart in die horizontale Flugphase. Es ist nur zu hoffen, dass das Ding wenigstens Motoren in den Rädern zum Fahren hat, damit die Passagiere nicht zum Terminal laufen müssen. Ach nein, es hat ja keine Räder.
Mit seiner Einschätzung über die Lilium-Luftnummer ist der Autor nicht ganz alleine. In der Ausgabe 2/2020 hat der „aerokurier“ eine kritische Analyse zum Lufttaxi Lilium veröffentlicht – mit dem Ergebnis, dass die versprochenen Leistungswerte mit heutiger Technologie nicht zu erreichen sind. Und fragt bezüglich der Lilium-Manager: „Hoffnungsträger oder Hochstapler?“ In einer ausführlichen Berechnung kommen die „aerokurier“-Experten auf eine Reichweite von 18 statt 300 Kilometern bei einer maximalen Schwebeflugdauer für Start und Landung von rund 70 Sekunden. Selbst wenn sich die Experten ein bisschen irren – zwischen ihren Ergebnissen und den Versprechungen liegen Welten. Konfrontiert mit den Ergebnissen, reagierte Lilium-Investor Frank Thelen denn auch extrem dünnhäutig.
Flugtaxis – ich würde mich riesig über die Lösung eines Problems freuen, das keiner hat. Ich würde neidlos und demütig Asche auf mein Haupt streuen, wenn ab 2024, also in gut zweieinhalb Jahren, die versprochenen ersten Einnahmen aus dem kommerziellen Betrieb von Lilium fließen, samt Produktion von 90 Modellen.
Der Beitrag erschien zuerst bei ACHGUT hier
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Ich plane zur Zeit das Projekt Aquium! Mit Luftkissen und Batterieschub blitzschnell von Hamburg nach Singapore. Die Konstruktionspläne sind fertig, die Expertisen fulminant. Mit ein paar Milliönchen im Dreier-Bereich könnte die Fertigung starten.
Wer hat da Verbindungen zu Scheuer oder Leuten in der EU. Bitte hier melden!
Das Ganze erinnert mich an „Das fliegende Klassenzimmer“ (Erich Kästner), in dem ein Schüler als Mutprobe mit einem Regenschirm von einem Klettergerüst springt – Folge: Beinbruch.
Ein Flugtaxi aus der Praxis, das funktioniert, ist dieses militärische Fluggerät, welches in Serie gebaut wird:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bell-Boeing_V-22
Durch die riesigen Propeller hat der Flugantrieb einen sehr guten Wirkungsgrad.
Wie in diesem Beitrag schon erwähnt, die Lilium wird nie und nimmer richtig fliegen. Dazu ist der Wirkungsgrad des Antriebes viel zu schlecht. Das sieht jeder sofort innerhalb von Sekunden, der nur ein wenig Ahnung von der Materie hat.
Wieder ein Beweis mehr, welcher Unfug durch diese Regierung verbreitet wird. Wer glaubt denen noch? Haben die kein Fachpersonal?
Nachtrag, Reichweite der V-22 Osprey:
Konventioneller Antrieb mit Gasturbinen +Kerosin
4.500 kg Nutzlast, VTOL Reichweite: 650 km
Das Gleiche mit E-Antrieb (sehr grobe Schätzung):
4.500 kg Nutzlast, VTOL Reichweite: 650/20 = 32 km
–> mit 16km Reserve verbleiben 16 km, was soll der Unfug!!!
„Haben die denn kein Fachpersonal?“
Nein, Herr Wähner, haben sie aus Prinzip nicht. Denken Sie daran: Leute mit Sachverstand sind allen Mächtigen grundsätzlich ein Dorn im Auge – genauso wie Fakten! Das war schon im Mittelalter so!
Ich beobachte Lilium schon seit längerer Zeit, und die Anzeichen, dass es sich um einen Fake handelt, verdichten sich. Trotzdem sollte man nicht aufgrund eines Negativbeispiel gleich das ganze VTOL-Konzept in die Tonne treten. Schließlich gibt es mit Volocopter ein weiteres deutsches Startup, dessen Geräte längst zugelassen sind und fliegen, und zwar mit darin sitzendem Pilot oder auch autonom. Dort wurden auch seit jeher keine unrealistischen Leistungsdaten herumposaunt. Die Tatsache, dass sie kürzlich den Betrieb gekauft haben, der ihre Prototypen gebaut hat, lässt darauf schließen, dass sie sich auf einem guten Weg befinden. Dem Problem des Batterieladens begegnet Volocopter mit dem Konzept, das leergelaufene Batteriemodul innerhalb kürzester Zeit gegen ein geladenes zu tauschen.
Zudem sind Volocopter aufgrund des Elektroantriebs und der 18 großen Propeller tatsächlich leise und damit geeignet, innerhalb von Siedlungsgebieten zu starten und landen.
Verkehrswege für erdgebundenen Transport sind extrem teuer, sowohl was deren Erstellung als auch den Unterhalt angeht. Gerade Brücken haben eine begrenzte Lebensdauer (siehe aktuell Mainz). Verglichen damit ist Luftfahrt außerordentlich preiswert, gerade wenn sie senkrecht startet und landet – es wird eigentlich nur eine kleine Betonfläche benötigt.
Wenn man für eine idealen Welt ein Verkehrskonzept entwerfen wollte, dann würde wahrscheinlich unter ökonomischen Gesichtspunkten eines gewinnen, das außerhalb von Großstädten (die Straßenbahnen betreiben) und für jeglichen Personen-Regional-und Fernverkehr auf Lufttransport mit autonomen Fluggeräten setzt, die wobei ab Entfernungen von 30 km durchaus konventionelle kleine Flugzeuge eingesetzt würden, egal ob elektrisch oder Verbrenner.
Da bin ich sehr skeptisch so als Laie. Wenn das Ding überall herumfliegen darf, dann muss man auch noch aufpassen, dass einen nichts auf den Kopf fällt. Schließlich sind Unfälle nicht ausgeschlossen. Ich möchte das nicht mehr erleben müssen, wenn so alle Welt über unseren Köpfen herumkurvt. Die Lautstärke ist auch nicht gering, wenn ich dabei nur an die heute angebotenen Drohnen denke. Leider ist Luft auch laut, wenn sie bewegt wird.
Dieses Flugtaxi ist ein derartiger Humbug, dass einem die Spucke weg bleibt, wenn man sieht, mit welcher Chuzpe für diese Luftnummer Geld eingesammelt wird. Aber es soll tatsächlich Leute geben, die diesen Unsinn ernst nehmen. Die Zulassung eines normalen Flugzeugmusters mit bewährter Technik dauert schon Jahre. Irgendwann hebt das Luftfahrt-Bundesamt die Hand und sagt:“ Mo – ment. Wir hätten noch ein paar Fragen.“ Und in diesem Augenblick verschiebt sich der Beginn des kommerziellen Betriebs vom Jahr 2024 auf das Jahr 4202. Das Raumschiff Enterprise wird eher fliegen als dieses Gerät.
Tja, während der „kreativen“ Entwicklungsphase kann man viel versprechen – insbesondere, wenn man, wie hier mit einem Börsengang, möglichst viel Geld anderer einnehmen möchte. Unsere Regierung und die Grünen machen es doch genauso – und nach der Wahl kommt die Rechnung. Allerdings dann für alle.