von Henry Schau

Die zeitlichen Verläufe der lokalen oberflächennahen Temperaturen sind teilweise schwer zu interpretieren und können von der globalen Entwicklung abweichende Ergebnisse liefern. Weiterhin lassen sie unter Umständen keine generellen Aussagen zur Wirkung bestimmter Faktoren wie z.B. der CO2-Konzentration zu. Andererseits sind die globalen mittleren Oberflächentemperaturen (GMST) hinsichtlich ihrer physikalischen Aussagekraft „stark eingeschränkt“ und eher eine Art Vergleichsgröße. Insbesondere ist eine Mittelwertbildung über Meeres- und Landoberflächentemperaturen fragwürdig, da wegen der verschiedenen thermophysikalischen Eigenschaften sehr unterschiedliche Energieinhalte vorliegen. Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag die zeitlichen Verläufe der Temperaturreihen getrennt untersucht. Die Analysen erfolgen beispielhaft mit den Temperaturdaten der CRU [[1]].

Abbildung 1: Stückweise lineare Regression der Abweichungen von den mittleren Meeres-temperaturen (HadSST4) Abbildung 2: Stückweise lineare Regression der Abweichungen von den mittleren Landtemperaturen (CRUTEM5.0)

Abbildung 1 zeigt den zeitlichen Verlauf der Abweichung vom langzeitlichen Mittel (Bezugszeitraum 1961-1990) der oberflächennahen Meerestemperaturen des CRU-Datensatzes HadSST4 (blaue Kurve). Erste Hinweise für die Lage der Änderungspunkte (change points – CPs) liefert der Verlauf der mit einem Gauß-Filter (30 Jahre) geglätteten Kurve (grüne Kurve). Die genauere Ermittlung der CPs verwendet BEAST [[2]] (für MATLAB [[3]] und Octave [[4]]) und/oder die Funktion ischange in MATLAB. Die erhaltenen Werten dienen als Startwerte für die Parameter einer stückweise linearen Regression (mathematisch eine nichtlineare Regression), bei der die linearen Funktionen mit Übergangsbedingungen gekoppelt sind. Die rote Kurve in Abbildung 1 zeigt den erhaltenen Verlauf (die gestrichelten Kurven das 95 % Konfidenzintervall). Es sei darauf hingewiesen, dass ähnliche Methoden auch in [[5]], [[6]] und [[7]] zur Analyse von Temperaturverläufen verwendet wurden. Die für die GMST durchgeführten Berechnungen ergeben eine sehr gute Übereinstimmung mit den [5] erhaltenen CPs.

Die in Abbildung 1 dargestellten Verläufe zeigen eine deutliche Änderung der Verläufe um 1879,1 (3,7), 1909,5 (1,8), 1944,0 (2,3) und 1967,7 (, wobei die Anstiege von ca. 1910 bis 1944 und 1968 bis 2024 mit 0,0152 (0,0016) und 0,0159 (0,0007) nahezu gleich sind. In Abbildung 2 sind die analogen Verläufe für die Landtemperaturen dargestellt. Hier wurde nur 3 relevante CPs bei 1892,0 (6,6), 1941,8 (5,9) und 1974,9 ( gefunden. Die Anstiege von ca. 1892 bis 1942 und 1974 bis 2024 betragen 0,0090 (0,0015) und 0,0294 (0,0015). Die Abbildung 3 für die globale Oberflächentemperaturen angegebenen Verläufe liegen erwartungsgemäß näher bei den Meerestemperaturen.

Abbildung 3: Stückweise lineare Regression der Abweichungen von den mittleren globalen Temperaturen (HadCRUT5.0) Abbildung 4: Vergleich der stückweisen linearen Regression der Abweichungen von den mittleren Meeres- und Landtemperaturen

Zur besseren Vergleichbarkeit sind in Abbildung 4 nur die Verläufe der stückweisen linearen Regression der Meeres- und Landtemperaturen sowie die Unterschiede der CPs dargestellt. Die Meerestemperaturen wurde hier mit 3 CPs approximiert. Der Vergleich der beiden Verläufe zeigt:

  1. Der Anstieg der Meerestemperaturen ab 1968 erfolgt ca. 7 Jahre vor dem der Landtemperaturen, wo er 1975 beginnt. Beide Anstiege sind bis 2024 faktisch linear. Der Anstieg der Landtemperaturen im Bereich ab ca. 1970 ist mit 0,029 K/a (a – Jahr) fast doppelt so hoch wie der der Meerestemperaturen mit 0,016 K/a.
  2. Der Anstieg der Meerestemperaturen von ca. 0,5 K zwischen 1910 und 1944 sowie der Abfall zwischen 1879 und 1910 in Abbildung 1 ist bei den Landtemperaturen nicht sichtbar. Diese steigen zwischen 1892 und 1942 kontinuierlich um ca. 0,4 K an.

Der Abfall der globalen Temperaturen im Bereich zwischen 1940 und 1980 wird überwiegend mit dem „global dimming“ in Verbindung gebracht. So wird in [[8]] ausgeführt (übersetzt):

„Zur Erklärung der beobachteten dekadischen Schwankungen der bodennahen Sonnenstrahlung (bekannt als Abdunklung und Aufhellung) ist die relative Bedeutung von Wolken und wolkenfreier Atmosphäre (insbesondere Aerosolen) derzeit umstritten.“

Dies deutet darauf hin, dass die wolkenfreie Atmosphäre die Hauptursache für Abdunklung und Aufhellung in Mitteleuropa ist, und legt nahe, dass diese Schwankungen eher anthropogen bedingt sind als natürlichen Ursprungs, wobei Aerosolschadstoffe wahrscheinlich die Hauptursache sind.“

Zur Aufhellung (Brightening) wird vom DWD [[9]] ausgeführt:

„Laut Pfeifroth et al. (2018) kann der beobachtete Effekt des Brightening hauptsächlich durch eine Veränderung in der Bewölkung erklärt werden. Diese kann sowohl natürlichen Ursprungs sein und/oder durch den indirekten Effekt von anthropogenen Aerosolen auf die Wolkenbildung hervorgerufen werden (Pfeifroth, et al., 2018).“

Auch wenn sich die Aussagen überwiegend auf die Sonneneinstrahlung und nicht direkt auf die Temperaturen beziehen, gibt es offensichtlich keine endgültige Erklärung für die beobachteten Verläufe. Außerdem wird (weitgehend) die Landfläche betrachtet. Das abweichende Verhalten der Meerestemperaturen wird kaum angesprochen. Es erscheint zweifelhaft, dass sich die überwiegend auf den Landflächen erzeugten Aerosole auf die Meere verteilen und dort trotz der größeren thermischen Trägheit zu einem früheren Anstieg der Temperaturen führen. In diesem Zusammenhang ist auch der Abfall der Meerestemperaturen von 1879 und 1910 (über ca. 31 Jahre) zu betrachten. Dieser lässt sich kaum durch die Aerosolemissionen erklären, da z. B. die SOx Emissionen während dieser Zeitspanne im Vergleich zu 1944 bis ca. 1980 deutlich geringer waren. Im Zeitraum von 1910 bis 1944 stieg die CO2-Konzentration um ca. 10 ppm an, von 1968 bis 2024 um ca. 100 ppm. Der Anstieg der Meerestemperaturen ist für beide Zeitbereiche faktisch gleich (siehe Abbildung 1). Dies schließt CO2 als Ursache für beide Anstiege aus. Das Verhalten weist auf einen starken Einfluss der natürlichen Variabilität der Meerestemperaturen von ca. 0,5 K hin.

Vom IPCC [[10]] wird für die Zeit zwischen 1850 bis 1900 und 2011 bis 2020 ein Anstieg für die Meerestemperaturen 0,88 K und der Landtemperaturen von 1,59 K angegeben. Für die globalen Temperaturen beträgt der Anstieg 1,09 K. Da hier die Mittelwerte über 50 bzw. 10 Jahre als unterer bzw. oberer Wert verwendet werden, sind diese Angaben nicht direkt mit den hier dargestellten Verläufen vergleichbar.

Gemäß [[11]] begann die Hochindustrialisierung nach 1860. Daher erfolgte erst nach diesem Zeitpunkt – deutlich nach 1900 – ist eine messbare Zunahme der anthropogenen CO2-Emissionen. Die große Variabilität der Meerestemperaturen gerade während dieser Zeitspanne lässt eine genaue Ermittlung der vorindustriellen Temperatur nicht zu. Bei den Landtemperaturen sind die Verhältnisse etwas günstiger, da diese zwischen 1850 und 1900 keine relevante Änderung zeigte.

Abbildung 5: Abweichungen der Landtempersturen und lineare Regression von 1815 bis 1975 sowie 1975 – 2024 (BEST, Global Land)

Für die Landtemperaturen liegen von Berkeley Earth (BEST [[12]]) auch Temperaturverläufe ab 1750 vor, die in Abbildung 5 dargestellt sind. Trotz der in Summe ungenaueren Temperaturmessungen und geringeren Abdeckung vor 1850 zeigt sich zwischen 1815 und 1975 – also über ca. 160 Jahre – ein linearer Verlauf mit einer Temperaturerhöhung von fast 1 K. Diese Aussage wird auch durch Abbildung 2 ab 1850 gestützt. Von 1815 bis ca. 1900 ist sicherlich kein merkbarer Einfluss von der CO2-Konzentration zu unterstellen. Aus dieser Sicht muss der Anstieg andere Ursachen haben und ist vielleicht als Erholung nach der kleinen Eiszeit zu sehen. Bemerkenswert ist, dass sich der lineare Verlauf bis ca. 1978 fortsetzt und dann in den bekannten steileren Anstieg übergeht. Extrapoliert man den Verlauf auf die Zeitspanne nach 1978 reduziert sich die zusätzliche Temperaturerhöhung durch den Anstieg ab ca. 1978 auf von 1,5 auf 1,1 K. Bei den Meerestemperaturen gibt es keine früheren Messdaten.

Zusammenfassend ist festzustellen:

  • Da sich die Verläufe der globalen Meeres- und Landtemperaturen deutlich unterscheiden, muss eine Analyse diese getrennt betrachten. Dies lässt sich bereits aus den sehr unterschiedlichen thermophysikalischen Eigenschaften ableiten.
  • Dazu ist anzumerken, dass sowohl die GMST als auch die mittleren Meeres- und Landtemperaturen keine physikalischen Größen sind und keinen (direkten) Bezug z. B. zur inneren Energie haben. Die Mittelung über die Meeres- und Landtemperaturen zur GMST verschlechtert die ohnehin schon geringe Aussagekraft hinsichtlich grundlegender physikalischer Prozesse.
  • Die Meerestemperaturen zeigen eine hohe natürliche Variabilität von insgesamt ca. 0,5 K (IPCC 0,2 K). Die nahezu identischen Anstiege von 1910 bis 1941 und 1968 bis 1924 lassen sich nicht durch die Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erklären.
  • Die Aussage, dass die Aerosolemissionen die Ursache für die fallenden bzw. konstanten Meerestemperaturen zwischen 1944 und 1968 sind, erscheint nicht schlüssig, da ein ähnlicher (sogar etwas größerer) Rückgang bereits zwischen 1879 und 1910 erfolgte.
  • Die Landtemperaturen zeigen zwischen 1750 und 1975 einen systematischen Anstieg, der nach 1978 in einen höheren Anstieg übergeht. Aus dieser Sicht ist ein Temperaturanstieg vor 1978 infolge der Zunahme der CO2-Konzentration nicht nachvollziehbar.
  • Die Ermittlung der vorindustriellen Temperaturen als Bezugspunkt ist problematisch und erscheint in Anbetracht der erheblichen Schwankungen der Meerestemperaturen zumindest bei diesen als sehr fragwürdig.

Literaturverzeichnis

  1. [] Climatic Research Unit (University of East Anglia) and Met Officecrudata.uea.ac.uk/cru/data/temperature/HadSST4_gl.txt

    crudata.uea.ac.uk/cru/data/temperature/CRUTEM5.0_gl.txt

  2. [] BEAST: Bayesian change-point detection and time series decomposition
  3. [] MATLAB
  4. [] GNU Octave
  5. [] Cahill, N., Rahmstorf, S., Parnell, A. C., Change points of global temperature, 2015, Environmental Research Letters, 2015Volume 10, Number 8, doi:10.1088/1748-9326/10/8/084002
  6. [] Shi, X., C. Beaulieu, R. Killick, and R. Lund, 2022, Changepoint detection: An analysis of the central England temperature series, J. Climate, 35, 6329-6342, doi:10.1175/JCLI-D-21-0489.1
  7. [] Beaulieu, C., Gallagher, C. et al., A recent surge in global warming is not detectable yet, 2024, Commun Earth Environ 5, 576, doi:10.1038/s43247-024-01711-1
  8. [] Wild, M., Wacker, S. et al., Evidence for clear-sky dimming and brightening in central Europe, 2021, Geophysical Research Letters, 48, e2020GL092216, doi:10.1029/2020GL092216
  9. [] Annett Püschel, Wiebke Winzig und Manfred Theel, Entwicklung der Globalstrahlung 1983 – 2020 in Deutschland, 2023, Deutscher Wetterdienst, Dekadenbericht
  10. [] IPCC, 2021: Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, doi:10.1017/9781009157896
  11. [] Wikipedia, Industriegeschichte
  12. [] Berkeley Earth, Global Temperature Data, Global LandÜber den Autor.

    Ist Diplom-Physiker und als Dr.-Ing. promoviert. Die meiste Zeit hat er als Gutachter/Sachverständiger/Abteilungsleiter beim TÜV gearbeitet. Sein Fachgebiet waren mechanische Nachweise für Kernkraftwerke (Strukturanalyse). Auf diesem Gebiet hat er auch einige Beiträge in internationalen Fachzeitschriften und auf Tagungen veröffentlich (siehe Henry Schau). Inzwischen ist er in Rente und hat Zeit, sich mit anderen Fragen zu beschäftigen.

 

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