von Hans Hofmann-Reinecke
In Oberbayern entsteht derzeit eine gigantische Anlage, welche die Hitze aus kilometertiefen Erdschichten an die Oberfläche bringen soll, um dort Haushalte und Fabriken mit Energie zu versorgen. Es ist ein weltweit einzigartiges Vorhaben. Könnte das vielleicht seine Gründe haben?
Die Hitze in den Goldminen
Wo auch immer wir stehen, 6200 km unter uns, im Zentrum unserer Erdkugel, herrscht eine Temperatur von mehr als 5000 Grad Celsius. Zur Oberfläche hin wird es zwar kühler, aber nicht weit unter unseren Füßen ist es immer noch so heiß, dass das Gestein schmilzt; da herrschen um die 1200 Grad. Davor schützt uns nur eine dünne Erdkruste, die gerade mal 40 km dick ist. Allerdings ist die an manchen Orten auch dünner, denn sie setzt sich aus einer Reihe von tektonischen Platten zusammen. In der Nähe der Nahtstellen quillt manchmal sogar das heiße Magma heraus, aus dem sich im Laufe der Zeit riesige Vulkane aufgetürmt haben.
Normalerweise aber haben wir festen und kühlen Boden unter den Füßen, denn innerhalb der 40 km dicken Erdkruste sinkt die Temperatur von Magma-Glut auf Umgebungsluft ab. Das ergibt also eine Abkühlung von durchschnittlich 1200°/40km = 30 Grad pro Kilometer Erdkruste. Umgekehrt bedeutet das, dass es wärmer wird, wenn wir von oben in Erde hineinbohren, und zwar mit den besagten 30 Grad pro Kilometer. Davon können die Arbeiter in den Goldminen ein Lied singen, deren Schächte oft in einigen Kilometern Tiefe liegen. Aber könnte man diese Wärmequelle nicht auch zum Nutzen der Menschheit einsetzen? In Regionen, in denen die Erdkruste dünner ist, und daher die Hitze dichter unter der Oberfläche lauert, wird das schon längst getan, etwa in Island. Da holt man sich die Wärme aus einer Tiefe von hundert Metern oder weniger.
Wir sind nicht Island
Und in Deutschland? In unserem unerbittlichen Kampf gegen CO2 ist kein Opfer zu groß und kein Preis zu hoch. Wenn sich eine alternative Energieform anbietet, egal wo auf der Welt, dann wir die angezapft. Der neue Quell ist jedoch – anders als Chile oder Namibia – keine 100.000 Kilometer entfernt, sondern nur ein paar tausend Meter; allerdings nicht nach Süden oder Westen, sondern nach unten. Im oberbayerischen Geretsried startete letztes Jahr ein gigantisches Projekt mit dem Ziel, die unendliche Hitzequelle im Inneren unseres Planeten anzuzapfen. Solche geothermischen Anlagen sind, wie schon erwähnt, nicht Neues; hier aber handelt es sich um einen Standort, an dem die Erdkruste weder brüchig noch ausgedünnt, sondern ganz normal ist.
Hier bringt man die Hitze an die Erdoberfläche, indem man Wasser in die Tiefe leitet, damit es sich dort unten erhitzt, um es anschließend wieder nach oben zu holen. Damit sich das lohnt muss das Wasser aber richtig heiß werden. Bei der geplanten Anlage will man es bis auf 140°C aufheizen. Gemäß unserer Rechnung, dass es jeden Kilometer 30 Grad wärmer wird, wäre die notwendige Tiefe dann 140/30, also knapp fünf Kilometer. Die geplanten Bohrungen sollen deshalb auf 4500 Meter gehen. Genauer gesagt handelt es sich um zwei senkrechte Bohrungen im horizontalen Abstand von 3800 Metern, die an ihren unteren Enden durch eine Reihe von parallelen Leitungen verbunden sind. Das Wasser wird in Bohrung A eingefüllt, fließt dann in einer Tiefe von 4500 Metern durch die horizontalen Rohre zur 3800 Meter entfernte Bohrung B, in der es wieder an die Oberfläche steigt.
Nachhilfe von den Ölbohrern
Das zu verwirklichen ist natürlich eine gewaltige technische Herausforderung, aber man kann hier viel von der Petroleum-Industrie lernen. Die operieren in ähnlichen Tiefen und können da unten auch horizontale Bohrungen durchführen. Man wird dafür sorgen müssen, dass diese horizontalen Rohre möglichst guten Wärmekontakt mit dem umgebenden Gestein haben, damit sich das Wasser erhitzen kann, Bohrung B aber sollte gut isoliert sein, damit das Wasser auf dem Weg nach oben nicht seine kostbare Wärme wieder an die kalte Umgebung abgibt.
Oben angekommen wird das Wassers mit seinen mehr als 100 Grad zum einem Teil als Fernwärme an die umliegenden Haushalte verteilt, zum anderen Teil wird Strom daraus gemacht. Dazu muss dann irgendwie ein elektrischer Generator angetrieben werden. Eine Wärmekraftmaschine hat bei solch niedriger Temperatur zwar keinen guten Wirkungsgrad, trotzdem erwartet man, dass neben den 64 Megawatt an Heizleistung noch 8 Megawatt Elektrizität herauskommen, die dann an die umliegenden 32.000 Haushalte verteilt werden. Wieviel bekäme dann jeder Haushalt ab? Es wären 2 Kilowatt an Heizung und 0,25 kW an Strom. Damit könnte man schon das WiFi betreiben und die Smartphones der Familie aufladen. Für die Waschmaschine genügt das nicht.
Und wer pumpt die riesigen Mengen an Wasser durch dieses viele Kilometer lange Labyrinth an Rohren? Das macht die Schwerkraft. Die Wassersäule von 4500m Höhe erzeugt am Boden von Bohrung A einen Druck von 450 bar. In Bohrung B herrscht ein ähnlicher Druck, aber etwas weniger als bei A. Das kommt daher, dass das Wasser in Bohrung B eine geringeres Gewicht hat, weil es dort (hoffentlich)wärmer ist als in A. Der Unterschied der Dichte könnte bei 1% liegen, was eine Druckdifferent von 4,5 bar verursachen würde. Das sollte für die Zirkulation ausreichen.
Ein Perpetuum Mobile?
Haben wir jetzt also endlich das perpetuum mobile, das CO2-frei, ohne Treibstoff und unabhängig von Jahreszeit, Tageszeit und Wetter zuverlässig Energie liefert? Das wäre zu schön um wahr zu sein. Zwar ist der Wärmehaushalt von Mutter Erde unerschöpflich, das Gestein aber, welches die Röhren umgibt, wird sich abkühlen. Dem werden kontinuierlich so ca. 100 Megawatt Wärme entzogen. Diese Wärme muss aus der Umgebung nachfließen. Geht das so schnell?
Wäre das Gestein flüssig, oder wäre da unten heißes Wasser, dann würde sich die Temperatur sofort ausgleichen, im harten Fels aber ist das etwas anderes. Und so muss man damit rechnen, dass da unten bald keine 140° mehr herrschen werden. Die Anlage verliert also mit den Jahren an Leistung, sie hat eine „Halbwertszeit“, und irgendwann ist sie dann unbrauchbar. Würde man sie dann abschalten und ein oder zwei Jahrzehnte warten, dann brächte sie wieder die volle Leistung, weil das Gestein in der Tiefe Zeit hatte, wieder die natürliche, hohe Temperatur anzunehmen.
Die notwendigen Investitionen werden derzeit auf 350 Millionen Euro geschätzt. Angesichts der Tatsache, dass es sich um ein „weltweit einzigartiges“ Projekt handelt, sollte man hier nicht kleinlich sein, wenn dann letztlich noch ein Faktor zwei oder drei vor dieser Zahl steht. Im Jahr 2026 soll die Anlage betriebsbereit sein. Damit auch alles unter einem guten Stern steht kam im August vorigen Jahres die politische Elite Deutschland zum Projektstart nach Geretsried: Olaf Scholz (Jurist), Bettina Stark-Watzinger (Germanistin), Markus Söder (Jurist) und Hubert Aiwanger (Landwirt). Schön, dass kein Ingenieur dabei war, der hätte vielleicht dumme Fragen gestellt. Dafür hat Hubert Aiwanger den „Innovationsmut“ gelobt, der das Vorhaben möglich gemacht hat. Allerdings wurden die Steuerzahler, auf deren Risiko sich all das abspielt, nicht vorher gefragt.
Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.
Soweit ich das sehe, kann der Heißdampf im zweiten Loch unter geringerem Druck aufsteigen und entweichen, während die zweite Phase unterkritisch heißen Wassers unten vor sich hin köchelt. Warum soll das nicht überall gehen? Auch tiefer und mit größeren Bohrungen. Das ist die Zukunft. Das die Bohrlöcher mit der Zeit kühler werden, ist ja die Voraussetzung, dass man überhaupt bohren kann, weil heißes Gestein ja etwas plastisch wird. Schwierig wird es, wenn sich Mineralien in dem Wasser lösen, die auf dem Weg nach oben kristallisieren. Aber dem deutschen Inschenjör ist ja nichts zu schwör.
Jede Bohrung ist ein Risiko. Am Ende kommt Gas heraus und das Bohrloch wird wieder verschlossen. Oder die Temperaturprognosen waren zu optimistisch. Wenn es in Geretsried noch kein Fernwärmenetz und geeignete Abnehmer gibt, am besten nahegelegene Hochhaussiedlungen, wird das Ganze sehr teuer. Oder man macht es wie in München-Freiham: Geothermie zusammen mit dem Bau einer Heizwärme-angepassten Wohnsiedlung. Die heute schon so ausschaut, als wäre es eine perfekte städtische Wärmeinsel bzw. der Slum der Zukunft.
In der Geothermie verlässt sich auch niemand auf die Thermozirkulation. Man verwendet eigens dafür konstruierte riesige Pumpenstränge mit hohem Strombedarf. In der Tiefe wird das Wasser auch nicht durch Röhren gepumpt, wer sollte die dort verlegen? Sondern durch das Gestein, das mit den gleichen Methoden wie beim Fracking durchgängig gemacht und erschlossen werden musss.
Erderschütterungen gibt es wie beim Fracking vor allem bei der Rückleitung des Wassers – man beachte den Druck von 4 km Wassersäule! Auch muss die Erdwärme wegen der Wärme- Übertragungsverluste in der Nähe von Wohnsiedlungen gefördert werden, im Gegensatz zum Gas-Fracking. Doch bei Grünen sehr beliebt, deshalb werden bei uns die mäßig ertragreichen Geothermie-Vorkommen genutzt. Auch wenn es gelegentlich Erdstöße und Putzrisse gibt. Niemand war es dann gewesen…
Der CO2-Hype sowie Bürgerinitiativen sorgten in München (40 % Grünwähler) dafür, dass bewährte Kohle-Heizkraftwerke geschlossen wurden. Münchner auf der Höhe des Zeitgeistes! Schon Adolf wusste das zu nutzen – für seine Machtergreifung im Erstversuch. Müll muss aber weiterhin verbrannt werden…
Ähnliches hat man vor bald 20 Jahren schon in Staufen im Breisgau angefangen. Dummerweise verliefen die Bohrungen durch eine Gipskeuperschicht. Infolge der Bohrungen trat dort Grundwasser ein, was zu Quellungen und Landhebungen führte. Die Bausubstanz in Staufen bekam massiv Risse, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Hebungsrisse_in_Staufen_im_Breisgau.
Hoffentlich hat man in Oberbayern mehr Glück!
Kann nicht mal irgend ein Investor, Unternehmen, Planer, Ingenieur den Kopf vorher einschalten, wenn er neue Projekte entwirft? Können diejenigen, die so etwas bauen wollen, nicht rechnen? Wie richtig im Artikel angemerkt: Wir sind nicht Island. Hat das schon einmal in Deutschlands ideologischen Planergemeinschaft jemand mitbekommen? Es könnte ohne Ideologie verrammelten Gehirnen soviel einfacher sein.
Alles Idioten, wa? Sie werden schon sehen, was sie davon haben. Und wir auch. Abwarten.
In der Schweiz hat bei Tiefenbohrungen für Projekte mit dem gleichen Ansinnen schon 2x die Erde gebebt. Die Projekte wurden dann eingestellt. 100 MWthermisch kann man in einem 40 Fuss Container mit einem Molten Salt Thorium Reaktor erreichen, was mit nachgeschalteter Verstromung 40 MWel ergibt. Wieso auch einfach, wenn es auch kompliziert geht.
Wenn das Alles in einem anderen, weit entfernten Land passieren würde, würde ich mich amüsiert zurücklehnen. Aber leider ist das auch mein Steuergeld, das da von diesen selbstgefälligen, aufgeblasenen, ungebildeten, anmaßenden Wichtigtuern sinnlos verplempert wird,
Ganz so einfach wäre es in dem mehrerer 100.000ende Kilometer entfernte Land auch nicht, denn auch dann müsste Deutschland deren Kosten übernehmen. Und das, obwohl es mit keinem ähnlichen Projekt in Chile oder China schon einmal geklappt hätte …
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Abhängig von der Laufzeit und der Menge erzeugter Wärme und Strom,werden alleine die Abschreibungskosten und der Kapitaldienst ,gigantisch sein. Nur noch Irre
Für alle Freunde solcher Ideen empfehle ich das Buch von Wulf Bennert: Die Idee der Ministerin. Richtig unterhaltsam.
Mal hier schaun. Im Sande verlaufen.
https://www.genesys-hannover.de/Genesys/DE/Home/genesys_node.html
Kannte da einige Beteiligte am Projekt.
Es läuft seit vielen Jahren (30?) auch ein Projekt dieser Art in der Schorfheide bei Groß Schönebeck. Soll die Umgebung von Eberswalde versorgen. Bin aber nicht mehr über den Stand informiert. Ein Bekannter hatte da die Meßtechnik gemacht.
Habe ich da richtig gelesen, man bohrt für 25 m3/Stunde 160 grädiges Wasser ein 3.901 m tiefes Loch?
Vielleicht Idioten am Werk, Steuergeld zu verschenken, oder?
Nullter HS der Thermodynamik:
Wenn sich die Temperatur nicht ändert, liegt ein Temperaturgleichgewicht vor. Also herrscht bisher unter Geretsried ein Temperaturgleichgewicht.
Zweiter HS der Thermodynamik:
Wenn man die Temperatur eines Gleichgewichts ändert, kostet das Energie. Hat Söder schon mal davon gehört ? Die 350 Millionen Euro Investitionen entsprechen einer großen Menge Energie. Schon mal vom Lefschen Theorem gehört?
Alle Maschinen, die aus einem Temperaturgleichgewicht Energie herausziehen wollen, sind Perpetuum Mobiles zweiter Art. Genau so eine Maschine wird jetzt in Geretsried gebaut.
„Wenn sich die Temperatur nicht ändert, liegt ein Temperaturgleichgewicht vor“
Banal. Wenn man aber kaltes Wasser nach unten bringt, ändert sich dessen Temperatur. Also nix Gleichgewicht. Und da warmes Wasser leichter ist als kaltes, steigt es auf. Die Energie dazu wird dem Erdreich entzogen. Der Vorgang widerspricht somit nicht den HS der Thermodynamik. Ein Perpetuum Mobile würde sich nur ergeben, wenn das Erdreich nicht abkühlen würde.
Wenn man aber kaltes Wasser nach unten bringt…
Können sie durch die Erde einfach nach unten tauchen? Andere müssen zuerst ein Loch bohren. Das kostet Energie.
Natürlich kostet das Energie. Ist das Loch aber erst mal vorhanden, kann Energie von unten nach oben gebracht werden. Das Vorgänge durch Einsatz von Energie angestoßen werden müssen, ist immer noch banal. Interessant ist die Energiebilanz. Und der 2. HS besagt nun mal, dass Wärmeenergie immer von warm nach kalt fließt. Unten warm, oben kalt, 2. HS nicht gebrochen.
Ein Temperaturgleichgewicht erkennt man daran, dass sich die Temperaturen nicht ändern. Die Temperatur in der Erdkruste unter 20 m Tiefe bis 20..30 km Tiefe ist seit Zehntausenden von Jahren unverändert.
Eine Maschine, die aus einem Temperaturgleichgewicht Energie gewinnt, indem sie einen Teil der Umgebung abkühlt, einen anderen erwärmt, ist ein Perpetuum Mobile zweiter Art. Sie verstößt gegen den 2.HS. Man kann mit ihr keine Arbeit erzeugen.