Charles Rotter

Die vorherrschende Meinung in der Klimawissenschaft besagt, dass der Verlust des arktischen Meereises fast ausschließlich auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zurückzuführen ist, diese wiederum hauptsächlich auf CO₂-Emissionen. Die in „Nature Communications“ veröffentlichte Studie mit dem Titel „Role of Atmospheric Rivers in Shaping Long-Term Arctic Sea Ice Variability“ (Rolle der atmosphärischen Flüsse bei der langfristigen Variabilität des arktischen Meereises) hebt jedoch einen entscheidenden Faktor hervor, der bisher weitgehend übersehen wurde: die atmosphärischen Flüsse (ARs). Diese ARs – schmale, intensive Ströme von Wasserdampf, die ihren Ursprung in tropischen Regionen und Regionen mittlerer Breitengrade haben – spielen eine bedeutende Rolle bei der Variabilität des arktischen Meereises, ein Phänomen, das herkömmliche Klimamodelle nicht angemessen erfassen können.

Indem sie sich so stark auf CO₂ als Hauptschuldigen für den Rückgang des arktischen Meereises konzentrieren, ignorieren die gängigen Klimamodelle die komplexen Wechselwirkungen zwischen natürlichen atmosphärischen Phänomenen und der Variabilität des Meereises. Dieses Versäumnis offenbart die erheblichen Einschränkungen in unserem Verständnis des arktischen Klimas und damit auch die Zuverlässigkeit der Klimamodelle, welche die aktuelle Politik bestimmen.

Was sind atmosphärische Flüsse, und warum sind sie wichtig?

Atmosphärische Flüsse sind riesige, sich schnell bewegende Wasserdampfkanäle, die Feuchtigkeit über große Entfernungen transportieren können. Diese Flüsse sind dafür bekannt, dass sie enorme Wassermengen in Form von Regen oder Schnee liefern, wenn sie auf Land treffen, aber ihr Einfluss auf die Arktis ist weniger bekannt. Die Studie in Nature Communications zeigt, dass ARs einen tiefgreifenden Einfluss auf die arktische Meereisbedeckung haben können, sowohl in Bezug auf die Beschleunigung der Schmelze als auch in Bezug auf den Beitrag zu Zeiten der Eiserholung.
Diese atmosphärischen Flüsse advehieren warme, feuchte Luft in die Arktis, wodurch die Temperatur in der Region steigt und das Meereis schmilzt. Die Feuchtigkeit, die sie mit sich bringen, spielt auch eine wichtige Rolle bei der Wolkenbildung, die wiederum die Energiebilanz des arktischen Systems beeinflusst. Trotzdem werden die ARs bei der Diskussion über den Eisverlust in der Arktis oft ausgeklammert, da der Schwerpunkt weiterhin auf den CO₂-Emissionen liegt. Dies wirft die Frage auf: Warum werden solche natürlichen Kräfte so oft in der Darstellung ignoriert?Abstract

Atmosphärische Flüsse (ARs), die im Sommer die hohen Breiten erreichen, tragen zum Großteil des klimatologischen polwärts gerichteten Wasserdampftransports in die Arktis bei. Dieser Transport hat in den letzten Jahrzehnten langfristige Veränderungen erfahren, die laut Ensemblemodellen nicht vollständig mit anthropogenen Einflüssen erklärt werden können. Anhand von Beobachtungsanalysen und Modellexperimenten, bei denen die Winde so angepasst werden, dass sie mit den Beobachtungen übereinstimmen, zeigen wir hier, dass niederfrequente, großräumige Zirkulationsänderungen in der Arktis eine entscheidende Rolle bei der Regulierung der AR-Aktivität spielen und somit den jüngsten Anstieg dieser Aktivität in der Region verursachen. Es wird geschätzt, dass der Trend in der sommerlichen AR-Aktivität zu 36% des zunehmenden Trends der atmosphärischen Sommerfeuchtigkeit über der gesamten Arktis seit 1979 beiträgt und für mehr als die Hälfte der Feuchtigkeitstrends in bestimmten Gebieten mit signifikanter Erwärmung in jüngster Zeit, wie Westgrönland, Nordeuropa und Ostsibirien, verantwortlich ist. Dies deutet darauf hin, dass die AR-Aktivität, die meist von starken, oft als stochastisch angesehenen synoptischen Wettersystemen angetrieben wird, ein wichtiger Faktor bei der Regulierung der langfristigen Feuchtigkeitsschwankungen in der Arktis sein kann.https://www.nature.com/articles/s41467-024-49857-y

Die Komplexität der Variabilität des arktischen Meereises

Einer der wertvollsten Beiträge dieser Studie ist, wie sie die Komplexität der arktischen Meereisvariabilität hervorhebt. Die Studie belegt, dass atmosphärische Flüsse in der Arktis eine doppelte Rolle spielen: Manchmal können sie das Meereis schmelzen, indem sie Wärme liefern, während sie in anderen Fällen dazu beitragen, das Meereis zu stabilisieren oder unter bestimmten Bedingungen sogar zunehmen zu lassen. Dieser nuancierte Effekt ist wichtig, um zu verstehen, warum das arktische Eis nicht dem simplen, linearen Verlauf des Rückgangs folgt, den CO₂-zentrierte Klimamodelle vorhersagen.

Zum Beispiel kann sich das Meereis in Jahren mit weniger oder schwächeren atmosphärischen Flüssen erholen, selbst im Kontext eines allgemeinen Erwärmungstrends. Umgekehrt können starke oder häufige AR-Ereignisse zu einem beschleunigten Eisverlust führen. Diese dynamische, episodische Interaktion steht in krassem Gegensatz zu der weit verbreiteten Darstellung des arktischen Meereisverlustes als unvermeidliche, unidirektionale Folge steigender CO₂-Werte. Stattdessen deutet sie auf ein System hin, in dem natürliche Schwankungen und kurzfristige Wetterereignisse eine ebenso wichtige Rolle spielen wie langfristige Klimatrends.

Die Grenzen gegenwärtiger Klimamodelle

Die Ergebnisse der Studie zeigen erhebliche Mängel in den Klimamodellen auf, auf denen ein Großteil der Darstellung der globalen Erwärmung beruht. Diese Modelle, welche die Grundlage für politische Maßnahmen wie Net Zero und den Green New Deal bilden, basieren in erster Linie auf der Annahme, dass steigende CO₂-Werte die dominierende Kraft hinter dem Klimawandel sind. Wie die Studie in „Nature Communications“ jedoch zeigt, sind atmosphärische Flüsse – die nichts mit CO₂-Emissionen zu tun haben – ein wichtiger Faktor für die Schwankungen des arktischen Meereises.

Warum können die derzeitigen Klimamodelle solche Phänomene nicht berücksichtigen? Die Antwort liegt in den inhärenten Grenzen dieser Modelle. Klimamodelle beruhen auf Annahmen und Vereinfachungen, die komplexe, chaotische atmosphärische Wechselwirkungen wie ARs nur schwer erfassen können. Infolgedessen neigen ihre Projektionen dazu, die Auswirkungen des CO₂ zu überschätzen und die natürliche Variabilität zu unterschätzen oder ganz zu ignorieren.

Dies führt zu einer problematischen Situation, in der die politischen Entscheidungsträger Entscheidungen auf der Grundlage unvollständiger oder fehlerhafter Daten treffen. Wenn unvorhersehbare und chaotische atmosphärische Flüsse einen so bedeutenden Einfluss auf die Arktis ausüben können, stellt dies die Zuverlässigkeit langfristiger, von Modellen erstellter Prognosen in Frage, welche diese vernachlässigen.

Natürliche Variabilität: Ein lange vernachlässigter Faktor

Die Rolle der natürlichen Variabilität bei der Entwicklung des arktischen Klimas ist ein weiterer kritischer Punkt, der in der Studie von Nature Communications hervorgehoben wird. Das arktische Meereis hat in der Vergangenheit, lange vor der Industrialisierung, stark geschwankt. Perioden der Erwärmung der Arktis im frühen 20. Jahrhundert traten beispielsweise ohne einen signifikanten Anstieg der CO₂-Werte auf, was auf den Einfluss natürlicher Klimatreiber hinweist, einschließlich atmosphärischer Flüsse und ozeanischer Zyklen.

Dies sollte uns zu der Frage veranlassen, warum die moderne Klimawissenschaft dazu neigt, die Rolle der natürlichen Variabilität bei den aktuellen Klimatrends herunterzuspielen oder zu ignorieren. Die Vorstellung, dass CO₂ die einzige treibende Kraft hinter den Veränderungen in der Arktis ist, wird durch historische Belege nicht gestützt. Die Arktis war schon immer komplexen Wechselwirkungen zwischen atmosphärischen und ozeanischen Kräften unterworfen, und atmosphärische Flüsse sind nur ein Beispiel für solche natürlichen Antriebskräfte.

Die heutigen Klimamodelle neigen jedoch dazu, diese komplexen Zusammenhänge zu beschönigen und konzentrieren sich stattdessen auf die Treibhausgasemissionen als wichtigste erklärende Variable. Dies führt nicht nur zu ungenauen Vorhersagen, sondern fördert auch ein eindimensionales Verständnis der Klimadynamik, insbesondere in der Arktis.

ARs, die verursachen können, könnten mit ihren raschen und extremen Feuchtigkeitssprüngen zu bedeutenden arktischen Schmelzereignissen führen und positive Rückkopplungsschleifen in Gang setzen. Zukünftige Studien sind unerlässlich, um diese potenziellen neuen Rollen von ARs in AA zu erforschen, während sich die Arktis weiter erwärmt. – https://www.nature.com/articles/s41467-024-49857-y

Erholung des arktischen Meereises: Eine unbequeme Wahrheit

Eine weitere unbequeme Tatsache, die in der CO₂-gesteuerten Erzählung oft verschwiegen wird, ist die gelegentliche Erholung des arktischen Meereises. Es stimmt zwar, dass das Meereis langfristig zurückgegangen ist, aber Perioden der Erholung – wie diejenige nach dem dramatischen Tiefstand 2012 – widerlegen die Vorstellung eines linearen Rückgangs. Die Studie in Nature Communications legt nahe, dass atmosphärische Flüsse je nach Zeitpunkt und Intensität Bedingungen schaffen können, die eine Erholung des Eises begünstigen.

So hat zum Beispiel ein unterdurchschnittliches Auftreten von ARs in bestimmten Jahren zu einer vorübergehenden Erholung des arktischen Meereises geführt. Dies steht im Gegensatz zu den Prognosen der Klimamodelle, die eine eisfreie Arktis vorausgesagt hatten. Es stellt sich heraus, dass die Arktis widerstandsfähiger ist, als uns viele alarmistische Vorhersagen glauben machen wollen, vor allem weil diese Vorhersagen nicht die gesamte Bandbreite der Kräfte berücksichtigen, welche die Eisvariabilität beeinflussen.

Dies wirft einen wichtigen Punkt auf: Wie zuverlässig sind die Modelle, wenn sie die gelegentlich zu einer Erholung des Meereises führenden natürlichen Kräfte nicht berücksichtigen können? Dies ist nicht nur eine akademische Frage – sie hat ernsthafte Auswirkungen auf die Klimapolitik, die heute weltweit verfolgt wird.

Drastische Klimapolitik hinterfragen

Angesichts der Ergebnisse der „Nature Communications“-Studie wird es immer schwieriger, die extremen, von Regierungen und internationalen Organisationen propagierten klimapolitischen Maßnahmen zu rechtfertigen. Die Net-Zero-Agenda, die darauf abzielt, alle Kohlenstoffemissionen zu eliminieren, basiert auf der Vorstellung, dass das vom Menschen verursachte CO₂ die Hauptursache des Klimawandels ist. Wenn jedoch die natürliche Variabilität, einschließlich Phänomenen wie atmosphärischen Flüssen, eine bedeutende Rolle in der Klimadynamik spielt, dann wird die Begründung für diese Maßnahmen weniger klar.

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf wissenschaftliche Debatten, sondern auch auf die reale Welt. Die Kosten für das Erreichen des Netto-Nullpunkts, sowohl in Bezug auf wirtschaftliche Störungen als auch auf die Umweltzerstörung durch den Abbau von Metallen der seltenen Erden für erneuerbare Technologien, könnten die vermeintlichen Vorteile bei weitem überwiegen. Schlimmer noch: Durch den Schwerpunkt auf der CO₂-Reduzierung als einziger Lösung ignoriert diese Politik praktischere, anpassungsfähigere Strategien, die der Gesellschaft helfen könnten, die Auswirkungen des Klimawandels besser zu bewältigen – unabhängig von seinen Ursachen.

Die ungeklärte Wissenschaft der Arktis

Letztendlich dient die Studie in Nature Communications als Erinnerung daran, dass die Wissenschaft bzgl. der Arktis und damit auch des Klimawandels als Ganzes noch lange nicht abgeschlossen ist. Atmosphärische Flüsse, ozeanische Zyklen und andere natürliche Phänomene spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des Erdklimas, werden aber oft zugunsten vereinfachender, politisch bequemer Erzählungen ignoriert, die sich um CO₂-Emissionen drehen.

Das Versagen bei der adäquaten Modellierung und Vorhersage des Einflusses von ARs auf das arktische Meereis ist nur ein Beispiel dafür, dass die Klimawissenschaft noch viel lernen muss. Die politischen Entscheidungsträger sollten aufpassen: Drastische Klimamaßnahmen, die auf unvollständigen oder ungenauen Modellen basieren, könnten mehr schaden als nützen.

Die Lektion hier ist eine der Bescheidenheit. Das Klima der Erde ist ein komplexes, dynamisches System mit vielen interagierenden Teilen. Wenn wir es auf eine einzige Variable – CO₂ – reduzieren, riskieren wir nicht nur, das Problem falsch zu verstehen, sondern auch unwirksame und potenziell schädliche Lösungen umzusetzen.

Wie die Studie in Nature Communications zeigt, ist der Einfluss der atmosphärischen Flüsse auf die Variabilität des arktischen Meereises ein kritischer Faktor, der nicht ignoriert werden kann. Es ist an der Zeit, dass wir über die allzu vereinfachten, CO₂-zentrierten Modelle hinausgehen und ein breiteres, nuancierteres Verständnis der Kräfte entwickeln, die in unserem Klimasystem eine Rolle spielen.

Schlussfolgerung: Ein Aufruf zum Überdenken von Klimamodellen und -politik

Die Studie über atmosphärische Flüsse hat uns einen wertvollen Einblick in die Komplexität der Variabilität des arktischen Meereises gegeben. Die Rolle der ARs sowohl bei der Eisschmelze als auch bei der Erholung des Eises stellt eine klare Herausforderung für die vereinfachte Ansicht dar, dass die Veränderungen in der Arktis in erster Linie durch den CO₂-Gehalt verursacht werden. Dies sollte uns dazu veranlassen, unsere Herangehensweise an die Klimawissenschaft und, was noch wichtiger ist, an die Klimapolitik zu überdenken.

Indem wir die Grenzen der aktuellen Modelle anerkennen und ein ganzheitlicheres Verständnis der Klimadynamik entwickeln, können wir effektivere, anpassungsfähigere Strategien entwickeln, die sowohl der Umwelt als auch der Menschheit besser dienen. Das Schicksal der Arktis ist nicht so einfach, wie viele uns glauben machen wollen, und das sollten auch die politischen Maßnahmen nicht sein, die wir als Reaktion auf ihre Veränderungen ergreifen.

Link: https://wattsupwiththat.com/2024/09/09/the-overlooked-role-of-atmospheric-rivers-in-arctic-sea-ice-loss-a-challenge-to-the-CO₂-centric-narrative/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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